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Sozialraumorientierung

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Inhaltsverzeichnis

Sozialraumorientierung

Leistungen zur Teilhabe an Bildung

Bildung ist der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wird in der Wissens-und Kompetenzgesellschaft immer wieder betont, doch bleibt insbesondere Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen dieses Tor zum Arbeitsmarkt verschlossen, weil sie keinen regulären Zugang zum berufsbildenden, tertiären Bildungssystem haben. Das Recht auf Arbeit (Art. 27 UN BRK) kann nur verwirklicht werden, wenn zuvor das Recht auf Bildung (Art. 24) umfassend eingelöst wird – wenn also das Recht auf Bildung auch das berufsbildende System und das Lebenslange Lernen (Fort- und Weiterbildung) umschließt. Andernfalls kommen wir zunehmend in eine völlig unglaubwürdige Situation, da nun der Primar- und Sekundarbereich inklusiv geöffnet wird, aber bislang kaum Anschlusschancen in Richtung Berufssystem bestehen.

Ergo müssen sich die tertiären Institutionen – Berufsschulen, Fachschulen und Hochschulen – öffnen und dort müssen reguläre Bildungsangebote für alle bereitstehen. Darauf ist das tertiäre Bildungssystem aber gar nicht vorbereitet und notwendige Förderinstrumente gibt es nicht. Politik, Verwaltung und Bildungsinstitutionen haben diesen Bildungsbereich bislang nicht gestaltet. Zwar besteht ein Budget für Arbeit, aber kein Budget für Bildung und Qualifizierung. Es existieren zwar umfassende Förderinstrumente für die Beschäftigung Schwerbehinderter, aber nur wenn diese als erwerbsfähig gelten. Jedoch bestehen bspw. keine Leistungsansprüche auf berufliche Qualifizierung zum Übergang aus einer WfbM in das Berufssystem, weil die dortigen Menschen als nicht erwerbsfähig gelten und damit keinerlei Leistungsansprüche haben und weil sie keine Zugangschancen zum tertiären Bildungssystem haben, wenn sie bspw. gerade einmal einen Förderschulabschluss vorweisen können. Gerade Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen benötigen ein viel stärker modularisiertes, kompetenzorientiertes und personenzentriertes berufliches Bildungsangebot mit abgestuften Bildungsabschlüssen und viel mehr Zeit. Stattdessen gibt es in der Beruflichen Bildung der WfbM nur ein auf zwei Jahre verkürztes Angebot, das nicht wirklich zum tertiären System gehört.

Ein wirksame Alternative hat das Institut für Inklusive Bildung modellhaft entwickelt: Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen, die bislang in einer WfbM tätig waren, erhalten eine dreijährige Vollzeit-Qualifizierung im Hochschulkontext zur Bildungsfachkraft. Als Bildungsfachkräfte arbeiten sie direkt im Hochschulbereich: Sie vermitteln Studierenden sowie Lehr-, Fach- und Führungskräften die Lebenswelten, Bedarfe und Kompetenzen aus erster Hand. Dadurch erwerben Menschen ohne Behinderungen umfassende Inklusionskompetenzen und die Hochschulen erreichen eine verbesserte Praxisqualität ihres Bildungsangebotes. Von dieser Arbeit können die Bildungsfachkräfte gut leben. Sie arbeiten unbefristet auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vergütet in Anlehnung an den TV-L), als Lehrende inmitten des Hochschulsystems. Dabei haben sie auch persönlich enorme Entwicklungsfortschritte geleistet. Der Ansatz ist so erfolgreich, dass in den nächsten Jahren bundesweit 10 Hochschulstandorte aufgebaut werden – gefördert von der Aktion Mensch Stiftung und der Software AG Stiftung (mehr dazu: www.inklusive-bildung.org). Das Problem: Obwohl es nur Gewinner gibt – auch in ökonomischer Hinsicht – gibt es keine reguläre Finanzierung für diese beruflichen Qualifizierungen an Hochschulen. Jedes Qualifizierungsprojekt muss durch mutige Einzelpersonen, Experimentierklauseln und durch Stiftungen ermöglicht werden.

Also: Was müssen wir zusammen (Politik, Verwaltung und Ämter, Eingliederungshilfeträger, Bildungsinstitutionen) tun, damit das tertiäre Bildungssystem wirklich allen offen steht, so auch Menschen mit Behinderungen über gute Bildung verfügen können und dadurch erst eine reale Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen?



Antwort:

Bisher waren Bildungsleistungen der „Sozialen Teilhabe“ zugeordnet. Mit dem Bundesteilhabegesetz hat der Gesetzgeber nun eine neue Leistungsgruppe „Teilhabe an Bildung“ geschaffen (§ 5 SGB IX). Damit wird klargestellt, dass Teilhabe an Bildung eine eigene Reha-Leistung ist. Gemäß § 75 SGB IX werden „unterstützende Leistungen erbracht, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können.“ Diese umfassen auch Hilfen zur Hochschulbildung.


Ab 2020 können (hoch-)schulische und berufliche Weiterbildungen gefördert werden (§ 112 Abs. 2 SGB IX n.F.). Im Rahmen der Eingliederungshilfe ist zum Beispiel die Übernahme der behinderungsbedingten Kosten für ein Masterstudium möglich. Beispielsweise können Assistenzleistungen, wie eine Begleitung für sehbehinderte Menschen, in Anspruch genommen werden. Weitere Unterstützungsleistungen sind etwa Hilfen zur Teilnahme an Fernunterricht oder Hilfen zur Ableistung eines Praktikums (§ 112 Abs. 3 SGB IX n.F.). Für weiterführende hochschulische Angebote muss kein Leistungs- und Befähigungsnachweis erbracht werden.


Das Projekt „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz“ unterstützt die Umsetzung der rechtlichen Neuregelungen fachlich. Empfehlungen zu Veränderungen im Bildungssystem können in diesem Rahmen nicht gegeben werden.

Leistungen zur Teilhabe an Bildung

Sozialraum

Der Sozialraum wird bei den Leistungen zur Sozialen Teilhabe besonders hervorgehoben. Die Leistungen sollen dazu beitragen, dass Leistungsberechtigte möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich in ihrem Sozialraum leben können.

Leistungen zur Sozialen Teilhabe und Sozialraum

Nach § 113 Abs. 1 SGB IX n.F. dienen Leistungen zur Sozialen Teilhabe dazu, „Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im [...] Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen.“ Wie lassen sich die Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach den §§ 76 ff. SGB IX bzw. § 113 Abs. 2 SGB IX n.F. (etwa Leistungen für Wohnraum und Leistungen zur Mobilität) für die einzelne Person in der Praxis benennen bzw. im Sozialraum umsetzen? 



Antwort:

Leistungen zur Sozialen Teilhabe und Sozialraum

Leistungen zur Sozialen Teilhabe sollen Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern (§ 76 SGB IX; für die Eingliederungshilfe § 113 SGB IX n.F.). Räumlich erstrecken sich die Leistungen auf den eigenen Wohnraum sowie auf den Sozialraum.
Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg vom Bedarf zur Leistung ist dabei die Ermittlung und Konkretisierung von Teilhabezielen, auf deren Grundlage der Unterstützungsbedarf bestimmt und konkrete Hilfen formuliert werden können.

Im Rahmen der Bedarfsermittlung und des Gesamtplanverfahrens wird individuell und unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts eingeschätzt, welche Unterstützungsleistungen der Eingliederungshilfe nötig sind.

Um dem Prinzip der Personenzentrierung gerecht zu werden, bestimmen sich die Leistungen der Eingliederungshilfe nach der Besonderheit des Einzelfalls. Soweit sie angemessen sind, ist dabei den Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen (§ 104 Abs. 2 SGB IX n.F.).

Damit die Leistungen bedient werden können, braucht es im jeweiligen Landesrahmenvertrag (§ 131 SGB IX) eine entsprechende Strukturierung, die sich anschließend auf die Leistungsvereinbarung auf der Einzelfallebene auswirkt.

Auf Berliner Landesebene wurde beispielsweise für den Brückenschlag zwischen Bedarfsfeststellung und Bedarfsdeckung ein Leistungsstrukturmodell (Engel 2018) entwickelt. Der Grundgedanke ist, dass die im Zuge der Bedarfsfeststellung ermittelten erforderlichen Leistungen mit den vorhandenen Eingliederungshilfeleistungen in Zusammenhang stehen sollten, damit die Bedarfe gedeckt werden können.

Durch das Leistungsstrukturmodell sollen der individuelle Bedarf, die Feststellung der erforderlichen Leistungen und die Leistungserbringung miteinander verknüpft werden. Es muss deshalb anschlussfähig an den Gesamtplan sein und gleichzeitig die angebotenen bzw. vorgehaltenen Leistungen systematisch und vollständig abbilden.

Der Sozialraum muss im Zuge dessen inhaltlich ausgestaltet und im Kontext der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderungen verstanden werden.

Finanzierungsmodelle gibt es beispielsweise in Hamburg und Ulm (Sozialraumbudgets) sowie im Landkreis Nordfriesland (Träger- oder Einrichtungsbudgets).

Ziel dieser Konzepte ist es, eine möglichst individuelle Leistungsgewährung sicherzustellen. Sie sind so aufgebaut, dass die Aktivierung der eigenen Kräfte des Menschen im Vordergrund stehen, nicht die klassische, durch professionelle Tätigkeit erbrachte Betreuung (Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG 2019a, b).

Materialien

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