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BTHG-Kompass 4.1

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.1

Wo lagen die Herausforderungen in der Entwicklung des BEI_BW?

Wo lagen die Herausforderungen in der Entwicklung des BEI_BW?



Antwort:

Herausforderungen in der Entwicklung des BEI_BW

Das Gesetz macht klare Vorgaben für das Instrument, die sowohl in Teil 1 (allgemeiner Teil) als auch in Teil 2 (Leistungen der Eingliederungshilfe) des SGB IX festgelegt sind. § 13 SGB IX schreibt für alle Rehabilitationsträger vor: „Zur einheitlichen und überprüfbaren Ermittlung des individuellen Rehabilitationsbedarfs verwenden die Rehabilitationsträger systematische Arbeitsprozesse und standardisierte Arbeitsmittel (Instrumente) nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen“. Mit diesen Prozessen und Instrumenten wird u.a. erfasst:

  • Ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht.
  • Welche Auswirkungen die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat.
  • Welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen.
  • Welche Leistungen im Sinne einer Prognose zur Erreichung der Ziele voraussichtlich erfolgreich sind.

Der systematische Arbeitsprozess für alle Rehabilitationsträger ist die Teilhabeplanung nach § 19 SGB IX. Das geltende Leistungsgesetz für den Träger der Eingliederungshilfe ist Teil 2 des SGB IX n.F. Es muss daher zunächst festgestellt werden, ob eine wesentliche Behinderung im Sinne einer erheblichen Teilhabebeeinträchtigung nach § 99 SGB IX n.F. vorliegt. Wenn der Träger der Eingliederungshilfe für die Teilhabeplanung zuständig ist, gelten für ihn die Vorschriften der Gesamtplanung nach § 117 SGB IX n.F. zusätzlich. Die Bedarfsermittlung ist Teil der Teilhabeplanung und hat durch den Träger der Eingliederungshilfe mit dem Instrument zur Bedarfsermittlung nach § 118 SGB IX n.F. ausgeführt zu werden.

In Baden-Württemberg bestand im Gegensatz zum Landschaftsverband Rheinland keine einheitliche Erfahrung mit individueller Hilfeplanung. Für stationäre Hilfen wurde der HMB-W zur einheitlichen Feststellung einer Hilfebedarfsgruppe ohne vorausgehende individuelle Hilfeplanung verwendet. Für das ambulant betreute Wohnen wurden unterschiedliche Hilfeplaninstrumente angewandt, die häufig vom Leistungserbringer bzw. dem Sozialpsychiatrischen Dienst eingesetzt wurden. Die zuständigen Sozialverwaltungen der Stadt- und Landkreise hatten geringe Erfahrung mit individueller Hilfeplanung, sollten nun aber eine komplexe Bedarfsermittlung bewerkstelligen. Die Leistungserbringer waren gesetzlich nicht mehr an der Bedarfsermittlung beteiligt, die Menschen mit Behinderung sollten nun ihre Interessen eigenständig vertreten. Die Arbeitsgruppe trat ihre Arbeit verständlicherweise mit einem hohen Maß an Misstrauen an. Die Herstellung eines Konsenses zwischen den Interessensgruppen war daher die eigentliche Herausforderung, führte aber letztlich zu einer Akzeptanz auf allen Seiten.

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BEI_BW ohne Item-Listen

Warum hat sich Baden-Württemberg dazu entschieden, ein Instrument zu entwickeln, welches im Dialog- und Erhebungsbogen ohne Item-Liste arbeitet?



Antwort:

Orientierung des BEI_BW an des gesamten ICF und dem Wechselwirkungsprinzip

Ausschlaggebend ist die gesetzliche Vorgabe in § 118 SGB IX n.F.: „Die Ermittlung des individuellen Bedarfes des Leistungsberechtigten muss durch ein Instrument erfolgen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit orientiert. Das Instrument hat die Beschreibung einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe in den folgenden Lebensbereichen vorzusehen:

  1. Lernen und Wissensanwendung,
  2. Allgemeine Aufgaben und Anforderungen,
  3. Kommunikation,
  4. Mobilität,
  5. Selbstversorgung,
  6. Häusliches Leben,
  7. Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, 
  8. Bedeutende Lebensbereiche, 
  9. Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben“.

Das Instrument soll den gesamten Unterstützungsbedarf von Personen mit wesentlichen Behinderungen aus deren Perspektive und unabhängig von einem Hilfeangebot erfassen. Insbesondere bei Personen, die in einer stationären Einrichtung sind, ist das ein schwieriges Unterfangen. Daher kommt es darauf an, die Teilhabebeeinträchtigungen in den neun Lebensbereichen unabhängig von den dort erbrachten Angeboten zu erfassen. Der Gesetzgeber hat daher mit gutem Grund vorgegeben, dass die Ermittlung in Orientierung an die gesamte ICF erfolgt. Das heißt, die Teilhabebeeinträchtigungen müssen in Wechselwirkung der Funktionsbeeinträchtigungen mit den Umweltfaktoren ermittelt werden.

Eine leistungsberechtigte Person mit hohen Funktionseinschränkungen hat in einer Umwelt mit geringen Barrieren möglicherweise geringe Teilhabebeeinträchtigungen und umgekehrt. Es geht daher bei der Ermittlung der Beeinträchtigung nicht um das Abhaken von Items, sondern um die Feststellung der komplexen Lebenslage. Die Bedarfe bestimmen sich nicht aus der Häufung der Beeinträchtigungen, sondern aus den Teilhabewünschen und Zielen. Nur wenn die Fallverantwortlichen des Trägers der Eingliederungshilfe mit der leistungsberechtigten Person in einen Dialog treten und deren Lebenslage abwägen, entsteht ein Bild des Bedarfs aus deren Sicht. Dem größten Teil der leistungsberechtigten Personen sind die Begriffe der ICF fremd; sie haben nichts mit ihrem Lebensvollzug zu tun. Eine Item-Liste verführt dazu, die einzelnen Bereiche abzuhaken anstatt mit der leistungsberechtigten Person eine Zukunftsperspektive der Teilhabe und der dafür notwendigen Unterstützungsbedarfe zu entwickeln.

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Quantitative Bedarfsfeststellung ohne ICF-Items

Bislang war (ohne die alten Zeiten eines pauschalen Kostensatzes zu nennen) zur quantitativen Feststellung (und somit die Grundlage zur Verpreisung / Refinanzierung) zumindest in Baden-Württemberg, das HMB-Verfahrens nach Dr. Heidrun Metzler, oder als informelles Konkurrenz- und Korrekturmodel das GBM Verfahren nach Professor Werner Haisch anwendbar. Gerade im Bereich der sogenannten geistigen Behinderung war dies in Bezug auf Entwicklung von Bedürfnissen, Wünschen und Teilhabe im Sinne einer überhaupt zu entwickelnden Aneignung (lernen und entfalten) von Lebensvorstellungen ein praktikables Modell, um auch die noch zu entwickelnden Bedürfnisse und Bedarfe abzubilden.

All dies vermisse ich im „Bedarfsermittlungsinstrument BEI Baden-Württemberg“.

Der angesagte Verzicht auf die ICF Items, die diesbezüglich noch Anhaltspunkte hätte liefern können, reduziert das Bedarfsermittlungsinstrument zum „Prosaprodukt“ in der jeweiligen Güte des Schreibers. Aus meiner Sicht kann damit zumindest nicht seriös ein quantitativer Bedarf festgestellt werden. Dies wäre auch nicht im Sinne einer UN-Behindertenrechtskonvention.

Meine Frage wäre, gibt es dazu mittlerweile „seriöse Vorschläge“?



Antwort:

Neuer Ansatz der Bedarfsermittlungsinstrumente nach § 118 SGB IX

Das Bedarfsermittlungsinstrument nach § 118 SGB IX geht von einem grundsätzlich anderen Ansatz aus, als dies bei den bisherigen Instrumenten der Fall war. Diese sind für die „institutionellen“ Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII entwickelt worden und dienten nicht vornehmlich der Bedarfsermittlung, sondern der Bildung von Gruppen mit vergleichbarem Hilfebedarf. Der Hilfebedarf wurde dabei versucht, „objektiviert“ und unabhängig von den Wünschen und Zielen der leistungsberechtigten Personen und in einer Mischung von Teilhabeleistungen und Pflegeleistungen zu erfassen.

Nach § 118 SGB IX hat „der Träger der Eingliederungshilfe (..) die Leistungen nach den Kapiteln 3 bis 6 unter Berücksichtigung der Wünsche des Leistungsberechtigten festzustellen. Die Ermittlung des individuellen Bedarfes des Leistungsberechtigten muss durch ein Instrument erfolgen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit orientiert. Das Instrument hat die Beschreibung einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Aktivitäten und Teilhabe in den folgenden Lebensbereichen vorzusehen:

1. Lernen und Wissensanwendung,

2. Allgemeine Aufgaben und Anforderungen,

3. Kommunikation,

4. Mobilität,

5. Selbstversorgung,

6. Häusliches Leben,

7. Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, 

8. Bedeutende Lebensbereiche, 

9. Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben“

Dies findet sich im BEI_BW vollinhaltlich wieder. Auf die ICF-Items wurde keineswegs verzichtet. Sie finden sich in den sogenannten neun Lebensbereichen in den Dialog- und Erhebungsbögen. In dem noch zu erstellenden Manual werden auch die einzelnen Items der Komponente „Aktivitäten und Partizipation“ der ICF enthalten sein. Auf die ICF-Checkliste wurde absichtlich verzichtet, da die Gefahr des Abhakens zu groß ist und damit eben nicht die Perspektive der leistungsberechtigten Person erfasst wird. Die Wünsche und Teilhabeziele werden zu Beginn des Dialog- und Erhebungsbogen erfasst und bilden die Grundlage für die Ermittlung der Teilhabebeeinträchtigungen und des daraus resultierenden Hilfebedarfs, der in Bogen D nach Qualität und Quantität erfasst wird.

Die Leistungsfeststellung hat der Gesetzgeber von der Bedarfsermittlung getrennt. Das ist die logische Konsequenz der Unabhängigkeit der Leistungserbringung von der Wohnform. An Stelle von Leistungen in möglichst selbstbestimmten Wohnformen geht das geänderte SGB IX von Leistungen der Sozialen Teilhabe aus, die im gesamten Sozialraum der leistungsberechtigten Person erbracht werden. Im Mittelpunkt stehen die Assistenzleistungen, die ebenfalls auf der Grundlage der Komponente „Teilhabe und Partizipation“ der ICF konstruiert werden. Nach § 78 Absatz 2 SGB IX entscheiden „die Leistungsberechtigten (..) auf der Grundlage des Teilhabeplans nach § 19 über die konkrete Gestaltung der Leistungen hinsichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruchnahme.

Der Teilhabeplan ist somit der Transfer zwischen Bedarfsermittlung und Leistungsfeststellung der Eingliederungshilfe. Als Rehabilitationsleistung hat die Eingliederungshilfe eine veränderte Funktion: „Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können“ (§ 90 SGB IX). Als Teilhabeleistung steht die Befähigung im Vordergrund. Dazu bedarf es der Zielorientierung der leistungsberechtigten Personen anstatt der „objektiven“ Bedarfsfeststellung. Die reine Versorgung ist Aufgabe der Pflegeleistung, die von der zuständigen Pflegekasse ermittelt wird.

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