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BTHG-Kompass 4.1

Sie können an dieser Stelle Einsicht in die Dokumente des Themas nehmen.

Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.1

Rechtsgrundlage vollstationäre Unterbringung als Eingliederungshilfeleistung

Gibt es im SGB IX noch eine Rechtsgrundlage für eine vollstationäre Unterbringung eines minderjährigen Kindes im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. SGB IX?



Antwort:

Rechtsgrundlage vollstationäre Unterbringung als Eingliederungshilfeleistung

Eine der Rechtsgrundlagen (außerhalb der nachrangigen Zuständigkeit für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) für die stationäre Unterbringung in der Eingliederungshilfe war vor Inkrafttreten der Reformstufe 3 des Bundesteilhabegesetzes nach §§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. 55 SGB IX über den offenen Leistungskatalog als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (vgl. z.B. LSG Hamburg 28.10.2019 – L 4 SO 77/18). Die stationäre Unterbringung war in § 55 SGB IX nicht explizit benannt. Mit der Reformstufe 3 des BTHG wurde die Eingliederungshilfe und damit auch der Leistungskatalog der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII in Teil 2 SGB IX übertragen. Nunmehr lässt sich eine stationäre Unterbringung (außerhalb nachrangiger Zuständigkeiten) als Leistung zur sozialen Teilhabe über § 113 SGB IX abbilden, da es sich in § 113 Abs. 2 SGB IX nicht um eine abschließende Aufzählung handelt („insbesondere“). Außerdem kann eine stationäre Unterbringung als Leistung zur Teilhabe an Bildung als Hilfe zur Schulbildung in Form einer sonstigen Maßnahme nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 SGB IX infrage kommen.

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Reformprozess SGB VIII

Frage zur Großen Lösung: Welche Rolle im Reformprozess sehen Sie für den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst in den Gesundheitsämtern, die bisher die Stellungnahmen für die geistige und körperliche Behinderung schreiben?



Antwort:

Reformprozess SGB VIII

Vor einigen Tagen wurde der Fachwelt ein inoffizieller Entwurf zur SGB VIII-Reform (benannt mit dem Titel „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“) bekannt. In einem dreiphasigen Modell soll die Zuständigkeit für sämtliche Kinder und Jugendliche mit oder ohne Behinderung in das SGB VIII übertragen werden (sog. Inklusive Lösung). Dies soll jedoch nur geschehen, wenn ein Bundesgesetz beschlossen wird, welches spätestens am 01.01.2027 in Kraft tritt. Dieses Bundesgesetz soll die inklusive Lösung im Detail regeln. Aus zweierlei Gründen kann demnach keine Aussage zu den jugendärztlichen Diensten der Gesundheitsämter getroffen werden. Zum einen ist vollkommen unklar, welche Regelungen der offizielle Entwurf zur SGB VIII-Reform enthalten wird, zum anderen bleibt den Regelungen des inoffiziellen Entwurfs folgend die tatsächliche Ausgestaltung der inklusiven Lösung einem weiteren Bundesgesetz in einigen Jahren vorbehalten.

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Einrichtung für intensivpflegebedürftige Kinder

Eine Einrichtung für intensivpflegebedürftige Kinder nach SG XI wünscht eine zusätzliche Leistungsvereinbarung nach SGB VIII und SGB IX. Die pädagogische Betreuung sei nicht im SGB XI enthalten. Unter welchen Voraussetzungen ist das möglich?



Antwort:

Einrichtung für intensivpflegebedürftige Kinder

Die Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI haben eine grundsätzlich andere Ausrichtung als Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB VIII. Leistungen nach dem SGB XI sind darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen, auch in Form der aktivierenden Pflege, wiederzugewinnen oder zu erhalten (§ 2 Abs. 1 S. 2 SGB XI). Pflegeleistungen nach dem SGB XI sind gemessen am Begriff der Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI an Verrichtungsdefiziten orientiert und wollen dafür einen Ausgleich schaffen (Luthe in jurisPK-SGB VIII § 10 Rn. 42). Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung sollen die Leistungsberechtigen befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können (§ 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 90 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII sind demnach weitergehender und konzentrieren sich nicht nur auf funktionale Einschränkungen im Sinne einer spezifischen Gebrechlichkeitspflege, sondern auch und vor allem auf die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen im Bereich der gesellschaftlichen Teilhabe (Luthe in jurisPK-SGB VIII § 10 Rn. 42). Nach diesen Grundsätzen wird im Einzelfall und unter Einbezug des bestehenden Versorgungsvertrags nach § 72 SGB IX (und des verbindlichen Rahmenvertrags nach § 75 Abs. 1 S. 4 SGB XI) zu prüfen sein, ob tatsächlich die pädagogischen Leistungen nicht von den bestehenden Verträgen erfasst sind. Eine allgemeine Aussage lässt sich dazu nach Auffassung des Verfassers nicht treffen. Eine Leistungsvereinbarung könnte dann ggf. nach § 78a ff. SGB VIII geschlossen werden.

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