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Kompass 1.10

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Inhaltsverzeichnis

Kompass 1.10

Zwangspoolen im ambulanten Bereich

Mit dem BTHG wurde das Poolen von Leistungen (vgl. § 116 SGB IX) erstmals gesetzlich geregelt, wobei das Poolen nur bei Zumutbarkeit gestattet ist. Durch die Zumutbarkeitsprüfung entsteht jedoch für die leistungsberechtigte Person ein Rechtfertigungsdruck, weswegen wir auch von Zwangspoolen sprechen.

Gemäß Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll das Poolen von Leistungen lediglich die Praxis vor Inkrafttreten der 3. Reformstufe des BTHG in 2020 fortführen (vgl. Plenarprotokoll 18/175 vom 08.09.2016):

„[..] Das gemeinsame Erbringen von Leistungen an mehrere Leistungsberechtigte, also das sogenannte Pooling von Leistungen, ist nur möglich, soweit dies für den Leistungsberechtigten zumutbar ist. Dabei sind selbstverständlich die persönlichen, die familiären und auch die örtlichen Umstände zu berücksichtigen. Da aber auch heute schon Leistungen an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden können, wird davon ausgegangen, dass mit dieser Regelung die heutige Praxis grundsätzlich fortgeführt wird. Dementsprechend sind im Entwurf des Bundesteilhabegesetzes keine finanziellen Auswirkungen ausgewiesen.“

Bis Ende 2019 können Leistungen nur in stationären bzw. teilstationären Einrichtungen zwangsweise gepoolt werden (Heimprinzip) sowie im Bereich der Fahrdienste. Im ambulanten Bereich des selbstbestimmten Lebens und Wohnens existiert diese Praxis nicht.

Frage 1:
Wie wird durch die BTHG-Umsetzungsbegleitung und durch das BMAS sichergestellt, dass die Praxis des Poolens von Leistungen nicht auf den ambulanten Bereich ohne Zustimmung des Leistungsberechtigten ausgedehnt wird? Bitte beachten Sie bei der Beantwortung der Frage, dass die Unterscheidung zwischen stationär, teilstationär und ambulant mit dem BTHG abgeschafft wird.

Gemäß der Antwort in der BMAS-BTHG-FAQ zur Frage „Wie können umfangreiche Teilhabeleistungen und das Bremsen der Ausgabendynamik gleichzeitig erreicht werden?“ soll die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe durch eine effizientere Leistungserbringung verringert werden. Als ein Instrument der Effizienzsteigerung wird die „gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen“ genannt.

Frage 2:
Wie soll das Poolen von Leistungen die Ausgabendynamik bremsen, wenn gleichzeitig keine finanziellen Auswirkungen durch das Poolen erwartet werden (vgl. Plenarprotokoll 18/175 vom 08.09.2016)?



Antwort:

Zumutbarkeitsprüfung bei der gemeinsamen Inanspruchnahme als mühsam errungener Kompromiss

Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

Die Frage, ob die gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt werden soll, wurde im Gesetzgebungsverfahren des BTHG ausführlich diskutiert. Letztlich hat man sich gegen einen Zustimmungsvorbehalt und einen anderen „Schutzmechanismus“ (Zumutbarkeitsprüfung) entschieden.

Um dem Anliegen der Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber aber ein deutliches Signal zum Schutz der Intimsphäre des Wohnens gesetzt. Nach § 104 Abs. 3. Satz 4 SGB IX n.F. dürfen „im Zusammenhang mit dem Wohnen stehende Assistenzleistungen im Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung“ außerhalb von besonderen Wohnformen nicht gegen den ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen gemeinsam erbracht werden.

Ob die Regelungen zur gemeinsamen Inanspruchnahme von Leistungen tatsächlich zu den befürchteten Verschlechterungen für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen führt, soll im Rahmen der modellhaften Erprobung nach Artikel 25 Abs. 3 BTHG ermittelt werden. Die Ergebnisse der modellhaften Erprobung sollen den Gesetzgeber in die Lage versetzen, hier ggf. noch gesetzgeberisch nachsteuern zu können.

Die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe soll durch eine Vielzahl von Maßnahmen zur Erhöhung der Steuerungsfähigkeit, darunter auch die gemeinsame Inanspruchnahme von Maßnahmen, gebremst werden. Ob und ggf. in welchem Umfang dies geschieht, soll durch die Finanzuntersuchung nach Artikel 25 Abs. 4 BTHG ermittelt werden.

Teilhabe an Bildung

Durch das BTHG wurden Leistungen zur Teilhabe an Bildung als neue Leistungsgruppe im SGB IX aufgenommen. Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert von Bildung vor dem Hintergrund des Art. 24 der UN-BRK und wirft zugleich Fragen nach der Umsetzung der neuen Leistungsgruppe auf.

Leistungen zur Teilhabe an Bildung

Bildung ist der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wird in der Wissens-und Kompetenzgesellschaft immer wieder betont, doch bleibt insbesondere Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen dieses Tor zum Arbeitsmarkt verschlossen, weil sie keinen regulären Zugang zum berufsbildenden, tertiären Bildungssystem haben. Das Recht auf Arbeit (Art. 27 UN BRK) kann nur verwirklicht werden, wenn zuvor das Recht auf Bildung (Art. 24) umfassend eingelöst wird – wenn also das Recht auf Bildung auch das berufsbildende System und das Lebenslange Lernen (Fort- und Weiterbildung) umschließt. Andernfalls kommen wir zunehmend in eine völlig unglaubwürdige Situation, da nun der Primar- und Sekundarbereich inklusiv geöffnet wird, aber bislang kaum Anschlusschancen in Richtung Berufssystem bestehen.

Ergo müssen sich die tertiären Institutionen – Berufsschulen, Fachschulen und Hochschulen – öffnen und dort müssen reguläre Bildungsangebote für alle bereitstehen. Darauf ist das tertiäre Bildungssystem aber gar nicht vorbereitet und notwendige Förderinstrumente gibt es nicht. Politik, Verwaltung und Bildungsinstitutionen haben diesen Bildungsbereich bislang nicht gestaltet. Zwar besteht ein Budget für Arbeit, aber kein Budget für Bildung und Qualifizierung. Es existieren zwar umfassende Förderinstrumente für die Beschäftigung Schwerbehinderter, aber nur wenn diese als erwerbsfähig gelten. Jedoch bestehen bspw. keine Leistungsansprüche auf berufliche Qualifizierung zum Übergang aus einer WfbM in das Berufssystem, weil die dortigen Menschen als nicht erwerbsfähig gelten und damit keinerlei Leistungsansprüche haben und weil sie keine Zugangschancen zum tertiären Bildungssystem haben, wenn sie bspw. gerade einmal einen Förderschulabschluss vorweisen können. Gerade Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen benötigen ein viel stärker modularisiertes, kompetenzorientiertes und personenzentriertes berufliches Bildungsangebot mit abgestuften Bildungsabschlüssen und viel mehr Zeit. Stattdessen gibt es in der Beruflichen Bildung der WfbM nur ein auf zwei Jahre verkürztes Angebot, das nicht wirklich zum tertiären System gehört.

Ein wirksame Alternative hat das Institut für Inklusive Bildung modellhaft entwickelt: Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen, die bislang in einer WfbM tätig waren, erhalten eine dreijährige Vollzeit-Qualifizierung im Hochschulkontext zur Bildungsfachkraft. Als Bildungsfachkräfte arbeiten sie direkt im Hochschulbereich: Sie vermitteln Studierenden sowie Lehr-, Fach- und Führungskräften die Lebenswelten, Bedarfe und Kompetenzen aus erster Hand. Dadurch erwerben Menschen ohne Behinderungen umfassende Inklusionskompetenzen und die Hochschulen erreichen eine verbesserte Praxisqualität ihres Bildungsangebotes. Von dieser Arbeit können die Bildungsfachkräfte gut leben. Sie arbeiten unbefristet auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vergütet in Anlehnung an den TV-L), als Lehrende inmitten des Hochschulsystems. Dabei haben sie auch persönlich enorme Entwicklungsfortschritte geleistet. Der Ansatz ist so erfolgreich, dass in den nächsten Jahren bundesweit 10 Hochschulstandorte aufgebaut werden – gefördert von der Aktion Mensch Stiftung und der Software AG Stiftung (mehr dazu: www.inklusive-bildung.org). Das Problem: Obwohl es nur Gewinner gibt – auch in ökonomischer Hinsicht – gibt es keine reguläre Finanzierung für diese beruflichen Qualifizierungen an Hochschulen. Jedes Qualifizierungsprojekt muss durch mutige Einzelpersonen, Experimentierklauseln und durch Stiftungen ermöglicht werden.

Also: Was müssen wir zusammen (Politik, Verwaltung und Ämter, Eingliederungshilfeträger, Bildungsinstitutionen) tun, damit das tertiäre Bildungssystem wirklich allen offen steht, so auch Menschen mit Behinderungen über gute Bildung verfügen können und dadurch erst eine reale Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen?



Antwort:

Bisher waren Bildungsleistungen der „Sozialen Teilhabe“ zugeordnet. Mit dem Bundesteilhabegesetz hat der Gesetzgeber nun eine neue Leistungsgruppe „Teilhabe an Bildung“ geschaffen (§ 5 SGB IX). Damit wird klargestellt, dass Teilhabe an Bildung eine eigene Reha-Leistung ist. Gemäß § 75 SGB IX werden „unterstützende Leistungen erbracht, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können.“ Diese umfassen auch Hilfen zur Hochschulbildung.


Ab 2020 können (hoch-)schulische und berufliche Weiterbildungen gefördert werden (§ 112 Abs. 2 SGB IX n.F.). Im Rahmen der Eingliederungshilfe ist zum Beispiel die Übernahme der behinderungsbedingten Kosten für ein Masterstudium möglich. Beispielsweise können Assistenzleistungen, wie eine Begleitung für sehbehinderte Menschen, in Anspruch genommen werden. Weitere Unterstützungsleistungen sind etwa Hilfen zur Teilnahme an Fernunterricht oder Hilfen zur Ableistung eines Praktikums (§ 112 Abs. 3 SGB IX n.F.). Für weiterführende hochschulische Angebote muss kein Leistungs- und Befähigungsnachweis erbracht werden.


Das Projekt „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz“ unterstützt die Umsetzung der rechtlichen Neuregelungen fachlich. Empfehlungen zu Veränderungen im Bildungssystem können in diesem Rahmen nicht gegeben werden.

Leistungen zur Teilhabe an Bildung

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