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Fachdiskussion BTHG für Akteure des Betreuungswesens

Sie können an dieser Stelle Einsicht in die Dokumente des Themas nehmen.

Inhaltsverzeichnis

Fachdiskussion BTHG für Akteure des Betreuungswesens

Abgrenzung § 78 und § 81 SGB IX

Unter die neue Leistungsgruppe „Leistungen zur Sozialen Teilhabe“ (§ 76 SGB IX) fallen die beiden Bereiche „Assistenzleistungen“ (§ 78 SGB IX) und „Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten“ (§ 81 SGB IX). Beide Paragraphen verfolgen das Ziel der Teilhabe des Menschen mit Behinderung am Leben in der Gemeinschaft. Die Assistenzleistung wird in kompensatorische und qualifizierte Leistung aufgteilt, wobei die qualifizierte Assistenzleistung nach der neuesten Literatur eine Befähigung zur eigenständigen Alltagsbewältigung (Motivation, Anleitung, Training...) darstellen soll.

Über die „Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten“ liest man in der aktuellen Literatur, dass es hier ebenfalls um lebenspraktische Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten geht. Es sind hier anscheinend keine Maßnahmen zur beruflichen Reha selbst eingeschlossen, sondern Basiskompetenzen, wie die Konzentration auf eine Aufgabe, Sozialverhalten etc. Auch der Familienunterstützende Dienst zählt wohl zu diesen Leistungen. Die Frage ist nun: Wo liegt die genaue Abgrenzung zwischen der qualifizierten Assistenzleistung nach § 78 SGB IX und den Regelungen nach § 81 SGB IX? Bezieht sich § 78 SGB IX nur auf den Wohnbereich und häuslichen Kontext und § 81 SGB IX eher auf die Tagesstruktur? Oder ist diese Vermutung falsch?



Antwort:

Abgrenzung § 78 und § 81 SGB IX

Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

Die Frage zielt ab auf die Abgrenzung von zwei Tatbeständen von Leistungen zur Sozialen Teilhabe, die - gemeinsam mit der Leistungsgruppe der „Leistungen zur Sozialen Teilhabe“ - durch das BTHG in dieser Form neu in das SGB IX (Teil 1) eingefügt worden sind.
Zu § 78 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX wird richtig ausgeführt, dass durch diese Vorschrift klargestellt wird, dass Assistenzleistungen nicht nur auf die vollständige und teilweise Übernahme von Handlungen sowie die Begleitung der Leistungsberechtigten gerichtet sind, sondern auch einen vorgelagerten Bereich erfassen, in dem es um Anleitung, Motivation und Beratung der Leistungsberechtigten zur bzw. bei der eigenständigen Aufgabenerfüllung geht („qualifizierte Assistenzleistung“). Bezug genommen wird dabei insbesondere auf Assistenzleistungen, die bisher von § 55 Abs. 2 Nummer 6 SGB IX a.F. (Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) und § 55 Abs. 2 Nummer 7 SGB IX a.F. (Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben) erfasst waren.

Auch bei § 81 SGB IX geht es um die Qualifizierung der Leistungsberechtigten, die auf der Grundlage der Vorschrift Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen können sollen, um die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Im Fokus steht hier allerdings ein spezifischer Personenkreis, für den wegen der Art oder Schwere der Behinderung die vorrangig zu erbringenden schulischen oder beruflichen Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Gleichzeitig können die Leistungen nach § 81 SGB IX medizinische Leistungen ergänzen insoweit sie etwa Leistungen der blindentechnischen Grundausbildung umfassen. Zu den Leistungen gehören auch Leistungen in Tagesförderstätten, um so für nicht werkstattfähige Leistungsberechtigte eine erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Mit § 81 SGB IX wurde im Wesentlichen die bisherige Regelung des § 55 Abs. 2 Nummer 3 SGB IX a.F. übertragen und durch die Übernahme von Regelungen des § 16 EinglVO konkretisiert.

Downloads und Links

Elternassistenzleistungen nur bei Anwesenheit der Eltern?

Müssen Eltern mit Behinderungen bei Leistungen der Elternassistenz immer physisch anwesend sein?



Antwort:

Keine entsprechende Eingrenzung in § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX

Die Gesetzesbegründung zum BTHG besagt, dass bei der Leistungsgewährung immer der Mensch mit Behinderungen in seiner jeweiligen Lebenslage und seiner individuellen Beeinträchtigung berücksichtigt werden muss (BT-Drs. 18/9522: 227). Zudem ist gemäß § 8 SGB IX den Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen.

Da Assistenzleistungen gemäß § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX „die vollständige und teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung“ umfassen und in der Norm keine weiteren Eingrenzungen vorgenommen werden, kann davon ausgegangen werden, dass eine physische Anwesenheit der Eltern bei der Erbringung von Elternassistenzleistungen gemäß § 78 SGB IX nicht erforderlich ist.

Aktuell gibt es jedoch unterschiedliche Auffassungen, die bisher nur in einstweiligen Rechtsschutzverfahren angesprochen wurden.

 

Materialien

Zwangspoolen im ambulanten Bereich

Mit dem BTHG wurde das Poolen von Leistungen (vgl. § 116 SGB IX) erstmals gesetzlich geregelt, wobei das Poolen nur bei Zumutbarkeit gestattet ist. Durch die Zumutbarkeitsprüfung entsteht jedoch für die leistungsberechtigte Person ein Rechtfertigungsdruck, weswegen wir auch von Zwangspoolen sprechen.

Gemäß Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll das Poolen von Leistungen lediglich die Praxis vor Inkrafttreten der 3. Reformstufe des BTHG in 2020 fortführen (vgl. Plenarprotokoll 18/175 vom 08.09.2016):

„[..] Das gemeinsame Erbringen von Leistungen an mehrere Leistungsberechtigte, also das sogenannte Pooling von Leistungen, ist nur möglich, soweit dies für den Leistungsberechtigten zumutbar ist. Dabei sind selbstverständlich die persönlichen, die familiären und auch die örtlichen Umstände zu berücksichtigen. Da aber auch heute schon Leistungen an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden können, wird davon ausgegangen, dass mit dieser Regelung die heutige Praxis grundsätzlich fortgeführt wird. Dementsprechend sind im Entwurf des Bundesteilhabegesetzes keine finanziellen Auswirkungen ausgewiesen.“

Bis Ende 2019 können Leistungen nur in stationären bzw. teilstationären Einrichtungen zwangsweise gepoolt werden (Heimprinzip) sowie im Bereich der Fahrdienste. Im ambulanten Bereich des selbstbestimmten Lebens und Wohnens existiert diese Praxis nicht.

Frage 1:
Wie wird durch die BTHG-Umsetzungsbegleitung und durch das BMAS sichergestellt, dass die Praxis des Poolens von Leistungen nicht auf den ambulanten Bereich ohne Zustimmung des Leistungsberechtigten ausgedehnt wird? Bitte beachten Sie bei der Beantwortung der Frage, dass die Unterscheidung zwischen stationär, teilstationär und ambulant mit dem BTHG abgeschafft wird.

Gemäß der Antwort in der BMAS-BTHG-FAQ zur Frage „Wie können umfangreiche Teilhabeleistungen und das Bremsen der Ausgabendynamik gleichzeitig erreicht werden?“ soll die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe durch eine effizientere Leistungserbringung verringert werden. Als ein Instrument der Effizienzsteigerung wird die „gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen“ genannt.

Frage 2:
Wie soll das Poolen von Leistungen die Ausgabendynamik bremsen, wenn gleichzeitig keine finanziellen Auswirkungen durch das Poolen erwartet werden (vgl. Plenarprotokoll 18/175 vom 08.09.2016)?



Antwort:

Zumutbarkeitsprüfung bei der gemeinsamen Inanspruchnahme als mühsam errungener Kompromiss

Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

Die Frage, ob die gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt werden soll, wurde im Gesetzgebungsverfahren des BTHG ausführlich diskutiert. Letztlich hat man sich gegen einen Zustimmungsvorbehalt und einen anderen „Schutzmechanismus“ (Zumutbarkeitsprüfung) entschieden.

Um dem Anliegen der Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber aber ein deutliches Signal zum Schutz der Intimsphäre des Wohnens gesetzt. Nach § 104 Abs. 3. Satz 4 SGB IX n.F. dürfen „im Zusammenhang mit dem Wohnen stehende Assistenzleistungen im Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung“ außerhalb von besonderen Wohnformen nicht gegen den ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen gemeinsam erbracht werden.

Ob die Regelungen zur gemeinsamen Inanspruchnahme von Leistungen tatsächlich zu den befürchteten Verschlechterungen für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen führt, soll im Rahmen der modellhaften Erprobung nach Artikel 25 Abs. 3 BTHG ermittelt werden. Die Ergebnisse der modellhaften Erprobung sollen den Gesetzgeber in die Lage versetzen, hier ggf. noch gesetzgeberisch nachsteuern zu können.

Die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe soll durch eine Vielzahl von Maßnahmen zur Erhöhung der Steuerungsfähigkeit, darunter auch die gemeinsame Inanspruchnahme von Maßnahmen, gebremst werden. Ob und ggf. in welchem Umfang dies geschieht, soll durch die Finanzuntersuchung nach Artikel 25 Abs. 4 BTHG ermittelt werden.

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