Abgrenzung Assistenzleitungen nach SGB IX und Leistungen nach SGB VIII
Eine Frage zur Abgrenzung der Assistenzleistungen: In §20 SGB VIII sind Notsituationen genannt ohne nähere Zuschreibung, im §74 SGB IX sind medizinische und Rehabilitationsleistungen genannt. Wie sollen dann in Zukunft Hilfen für Familien in Ausnahmesituationen möglich sein? Z. 8. nach Mehrlingsgeburten oder bei schwerer Erkrankung eines Kindes?
Antwort:
Abgrenzung der Leistungen nach dem SGB IX von den Leistungen nach dem SGB VIII
Leistungen nach § 74 SGB IX zählen zur Leistungsgruppe unterhaltssicherende und andere ergänzende Leistungen. Leistungen aus dieser Leistungsgruppe werden lediglich ergänzend zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zu Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gewährt (v. Boetticher/Kuhn-Zuber, Rehabilitationsrecht, Rn. 189 f.). Eine alleinige Gewährung ist ausgeschlossen. Außerdem sind sowohl die Träger der öffentlichen Jugendhilfe als auch die Träger der Eingliederungshilfe keine Rehabilitationsträger für diese Leistungsgruppe (§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 7 SGB IX).
Für die Abgrenzung der Leistungen des SGB VIII zu Leistungen anderer Teile des Sozialgesetzbuchs enthält§ 10 SGB VIII die Kollisionsregeln. Zum Eingreifen des§ 10 SGB VIII muss bei beiden infrage stehenden Leistungen ein Leistungsanspruch bestehen (d.h. die Leistungsvoraussetzungen aus unterschiedlichen Teilen des SGB müssen erfüllt sein) und beide Leistungen müssen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (vgl. beispielhaft: BVerwG 19.10.2011 - 5 C
6/11). Im Einzelfall ist demnach zu prüfen, ob die Leistungsvoraussetzungen des§ 20 SGB VIII und des§ 74 SGB IX als Annex zu anderen Leistungen zur Teilhabe tatsächlich erfüllt sind. Im nächsten Schritt bedarf es eines abstrakten Vergleichs zwischen den konkreten Leistungen (z.B. Betreuung im Haushalt oder Einrichtung). Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach§ 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII das SGB VIII vorrangig vor dem SGB IX.
Wobei es sich auf Grundlage der aufgezeigten Grundsätze nicht um eine Abgrenzungsproblematik zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe sondern den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (nicht als Rehabilitationsträger) und anderen Rehabilitationsträgern (außer dem Träger der Eingliederungshilfe) handeln dürfte.
Bisher gibt es lediglich für Kinder im SGB Vill die Möglichkeit der Refinanzierung einer Lerntherapie. Wird dies dann ggf. auch für Kinder aus dem Bereich SGB IX möglich sein? Lerntherapie dürfte über den Leistungskatalog der Leistungen zur Teilhabe an Bildung darstellbar sein. Für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe über§ 35a Abs. 3 SGB VIII,§ 112 SGB IX. Für die Träger der Eingliederungshilfe über§ 112 SGB IX. Im allgemeinen Leistungskatalog des SGB IX über § 75 Abs. 2 SGB IX. Voraussetzung dafür ist stets, dass ein entsprechender, behinderungsbedingter Bedarf festgestellt wird und die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Durch die bisherigen Regelungsgegenstände des KJSG tritt daran keine Änderung ein. Die tatsächliche Ausgestaltung der inklusiven Lösung bleibt jedoch abzuwarten.