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BTHG-Kompass 4.1

Sie können an dieser Stelle Einsicht in die Dokumente des Themas nehmen.

Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.1

Typisierung von Leistungen vs. Wunsch- und Wahlrecht

Wie ist die Typisierung von Leistungen mit dem Wunsch- und Wahlrecht vereinbar?



Antwort:

Kooperativ-dialogisches Verfahren in der Leistungsfeststellung

Gemäß § 104 SGB IX n.F. bestimmen sich die Leistungen der Eingliederungshilfe nach der Besonderheit des Einzelfalls. Dementsprechend ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob die gewünschte(n) Leistung(en) rechtlich gedeckt sind. In diesem Zusammenhang ist „auch die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse sowie des Sozialraums einzubeziehen.“ (BT-Drs. 18/9522: 279).

Soweit sie angemessen sind, ist den Wünschen der Leistungsberechtigte zu entsprechen (§ 104 Abs. 2 SGB IX n.F.). Die Hürden, die Angemessenheit der gewünschten Leistung abzuerkennen, hat der Gesetzgeber hoch angesetzt.

Gleichzeitig benötigt eine Öffentliche Verwaltung Eingangstore, in denen leistungsberechtigte Menschen „ganzheitlich“ betrachtet werden und nicht nur unter dem Aspekt der jeweiligen „Parzelle“. Ein Mensch, der ausschließlich auf dem Hintergrund seiner „Behinderung“ betrachtet wird – ICF-basiert und Strichlisten-diagnostiziert – wird reduziert auf seine „Behinderung“ und erhält somit eine Leistung, die sich nur auf dieses Segment bezieht und damit ihre Wirkungen in einem hochkomplexen, integrierten Alltag nur rudimentär entfalten kann.

Insofern muss der Leistungsträger in der Phase der Leistungsfeststellung – idealerweise in enger Kooperation mit dem leistungsberechtigten Menschen und dessen Vertrauensperson (ggf. ein Leistungserbringer) – für ein kooperativ-dialogisches Verfahren stehen, das über leistungsgesetzliche Einengungen hinausreicht und den einzelnen Menschen mit seinen individuellen Eigenarten und sozialräumlichen Bezügen möglichst ganzheitlich in den Blick nimmt. Insofern ist die Typisierung von Leistungen nur in solchen Systemen notwendig (und ich fürchte, in den meisten Bundesländern werden solche Systeme geradezu gepflegt), in denen auf der Grundlage kleinteiliger Leistungs- und Entgeltvereinbarungen Hilfebedarfsgruppen zum Zwecke einer den Leistungsträger beruhigenden Abrechenbarkeit die Grundlage für die Leistungsgewährung sind.

Nimmt man den Geist des Wunsch- und Wahlrechts ernst, muss man sich auf ein kooperativ-dialogisches Verfahren einlassen, wie ich es oben beschrieben habe. Derzeit jedoch bestimmt das vorhandene Angebot die individuelle Leistung, versäulte Angebote dominieren die Landschaft, und es gibt noch wenig finanzielle Anreize für diejenigen Leistungserbringer, die eingefahrene Pfade verlassen wollen und bereit sind, auf der Grundlage eines konsequenten Verständnisses von Inklusion Leistungen zu flexibilisieren, kreative Kombinationen von ambulanten und stationären Leistungen zu erproben und vorgefertigte Spezialisierungen abzubauen zugunsten integriert erbrachter Leistungen.

 

Materialien

Mehrkostenvorbehalt vs. Wunsch- und Wahlrecht

Alles schön und gut, nur: Wie sieht es mit dem Mehrkostenvorbehalt aus? Alle diese Individualleistungen werden nicht zu den Preisen pauschalierter Angebote größerer Einrichtungen und Träger erbracht werden können. Wie kann es möglich werden, den Leistungsberechtigten ihrem Wunsch und Wahlrecht gemäß Leistungen zukommen zu lassen?



Antwort:

Passgenaue Leistungen fördern

Solange wir uns Finanzierungsformen leisten, die die banale Erbringung einer professionellen Leistung „am Fall“ fördern (Überschrift: Je mehr Fälle, desto mehr Geld), solange sind wir angewiesen auf Standardisierungen von Einzelleistungen auf der Grundlage von Leistungs- und Entgeltvereinbarungen (Pflegesätze, Fachleistungsstunden usw.). Wenn man wirklich flexible, passgenaue Leistungen fördern will, also integrierte Arrangements, die Selbstständigkeit und Autonomie unterstützen, braucht es gut durchdachte Varianten für eine flexible Mittelbewirtschaftung: Pool- bzw. Budgetfinanzierungen, sei es für Träger, einzelne Einrichtungen oder soziale Räume sowie finanzielle Anreize gerade für diejenigen Leistungserbringer, die eingefahrene Pfade der Leistungserbringung verlassen wollen.

Das derzeit im System befindliche Geld wird vielerorts in kaum vertretbarer Weise investiert in Kontrolle, Überwachung, Rechenschaftsberichte, bürokratische Verfahren und aufwendige Abrechnungsmodalitäten, die letztlich damit zu tun haben, dass die Leistungen selbst zum einen quantitativ immer mehr und zum anderen immer differenzierter werden. Das bläht sowohl den Katalog der verschiedenen Leistungen auf als auch die jeweiligen Budgets der öffentlichen Kassen. Die derzeit immer wieder beklagte Versäulung der Hilfen, egal ob ambulant, teilstationär oder stationär, ist vorrangig den vorhandenen Finanzierungsstrukturen geschuldet, während die Nutzerinnen und Nutzer eher horizontale Betreuungssysteme mit einer möglichst hohen Durchlässigkeit benötigen, die bei einer flexibleren Mittelbewirtschaftung ohne zusätzliche Kosten realisierbar wären.

Downloads und Links

Sozialräumliches Denken integrieren

Wie lässt sich sozialräumliches Denken und Handeln in die praktische Arbeit von Leistungsanbietern/Leistungserbringern integrieren? Gibt es positive Beispiele?



Antwort:

Konzentration auf die Stärken und Potenziale des Menschen

Im Mittelpunkt sozialräumlichen Denkens und Handelns steht immer der Wille des jeweiligen (leistungsberechtigten) Menschen. Daran anknüpfend und darauf aufbauend geht es darum, ein Unterstützungssetting zu entwickeln, in dessen Zentrum all die Dinge stehen, die der Mensch selbst tun kann. Grundsätzlich gilt: Die Aktivierung der eigenen Kräfte des Menschen steht im Vordergrund, nicht die klassische, durch professionelle Tätigkeit erbrachte Betreuung.

Idealerweise ist es ein aus mehreren Mosaiksteinchen bestehendes Arrangement, das den Menschen dabei unterstützt, nach seinem Willen zu leben, und dieses Arrangement besteht aus zahlreichen Elementen, für die der leistungsberechtigte Mensch alleine zuständig ist: aus Unterstützungsleistungen durch Verwandte, Nachbarn, Freundinnen und Freunden, Mitbewohnerinnen und Mitbewohner und zahlreichen anderen Ressourcen des Sozialraums sowie auch – aber eben immer nur als ein Element – aus auf hohem Niveau erbrachter professioneller Tätigkeit, sei es nun eine Assistenz, ein Wohnplatz, eine Technikunterstützung oder Pflegekraft.

Beispiele für die gelungene Realisierung eines solchen Konzepts finden sich u.a. im Landkreis Nordfriesland oder in der Hansestadt Hamburg (siehe unten).

 

Materialien

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