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BTHG-Kompass 4.1

Sie können an dieser Stelle Einsicht in die Dokumente des Themas nehmen.

Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.1

Heilpädagogischer Kindergarten als Leistungen zur Sozialen Teilhabe

Wie kann beim Kostenträger ein Bedarf für eine Nachtbereitschaft begründet werden bzw. wie kann dieser am besten bewilligt werden? Unter welche Leistungen fällt der nächtliche Bedarf? Wer ist für die die Bewilligung des nächtlichen Bedarfs zuständig?



Antwort:

Heilpädagogischer Kindergarten als Leistungen zur Sozialen Teilhabe

Der Inhalt der heilpädagogischen Leistungen ist in § 79 Abs. 2 SGB IX aufgeführt. Heilpädagogischen Leistungen werden in einem weiten Sinne verstanden, so dass auch heilpädagogisches Reiten erfasst sein kann. Leistungserbringer müssen nicht zwingend Heilpädagog(inn)en sein. Die Maßnahme kann in Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden. (Neumann et al. 2020, Rn. 8-10 m.w.N.) Die Leistung wird nur an Kinder erbracht, die noch nicht eingeschult sind. Grundsätzlich fällt daher ein heilpädagogischer Kindergarten unter § 79 SGB IX, ggf. sollte das Konzept eingesehen werden. Die Leistungen könnten sowohl als Einzelleistungen als auch als Komplexleistungen nach § 46 SGB IX erbracht werden.

Ob ein Anspruch auf heilpädagogischen Leistungen gegenüber dem Eingliederungshilfeträger besteht, ergibt sich nicht aus den §§ 113ff. SGB IX, sondern vor allem aus § 99 SGB IX. Zudem muss nach § 79 Abs. 1 S. 1 SGB IX nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten sein, dass 
1.    eine drohende Behinderung abgewendet oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt oder
2.    die Folgen einer Behinderung beseitigt oder gemildert werden können.

Die Bedarfsermittlung erfolgt dann im Gesamtplanverfahren nach § 117 SGB IX anhand der Bedarfsermittlungsinstrumente nach § 118 SGB IX.

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Leistungen zur Verständigung § 78 und § 82 SGB IX

Gehörlose Menschen benötigen für die soziale Teilhabe Gebärdensprachdolmetscher*innen bzw. Kommunikationsassistent*innen. § 82 SGB IX sieht solche Unterstützungsleistungen für besondere Anlässe vor. § 78 SGB IX sieht solche Unterstützungsleistungen für den alltäglichen Bedarf vor. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit gehörlose Menschen auch Gebärdensprachdolmetscher*innen über § 78 SGB IX finanziert bekommen, wenn § 82 SGB IX nicht greift? Die meisten Ämter haben für gehörlose Menschen den § 78 SGB IX gar nicht auf dem Schirm. Weshalb?

 



Antwort:

Leistungen zur Verständigung § 78 und § 82 SGB IX

Mit Blick auf die Regelungen des § 82 SGB IX verweisen wir auf die ausführliche Antwort von Carl-Wilhelm Rößler im BTHG-Kompass unter https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/bthg-kompass/bk-soziale-teilhabe/weitere-leistungen-zur-sozialen-teilhabe/leistungen-zur-foerderung-der-verstaendigung/fd10-1001/.

Die Kriterien des § 78 Abs. 1 SGB IX ergeben sich aus der Norm selbst. Während es bei § 82 SGB IX um Leistungen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt aus besonderen Anlässen geht, z.B. im Rahmen bestimmter Familienfeiern oder der Mitwirkung an politischen Gremien, stellt § 78 SGB IX auf Assistenzleistungen zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung ab. Dies umfasst allgemeine Erledigungen des Alltags, wie u.a. die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung oder die Freizeitgestaltung. Gemäß § 78 Abs. 1 S. 3 umfassen die Assistenzleistungen auch die Verständigung mit der Umwelt. Entsprechend kann auch die Gebärdensprachdolmetschung von Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX umfasst sein (WD Deutscher Bundestag 2020: 8). Der LWL zum Beispiel geht davon aus, dass es sich um eine Assistenzleistung handelt, wenn ein/e Gebärdensprachdolmetscher/in in regelmäßig wiederkehrenden Situationen benötigt wird (LWL 2021).

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Qualifikation im Rahmen des persönlichen Budgets

Mit dem persönlichen Budget sollen Leistungsberechtigte selbst entscheiden können, welche Hilfen sie von welchem Leistungserbringer in Anspruch nehmen bzw. sie können auch selbst Personen beschäftigen, welche ihnen die notwendigen Leistungen erbringen. Dies soll ihre Selbstverantwortung stärken und die unabhängige Lebensführung des Menschen unterstützen.  Mit dem BTHG wurde aber festgelegt, dass ein Teil der EGH-Leistungen nur noch durch Fachkräfte zu erbringen ist (§ 78 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Dies betrifft die Leistungen der qualifizierten Assistenz (§ 78 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX). Wie hiermit für die Leistungen im Rahmen des persönlichen Budgets umzugehen ist, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung. In konsequenter Auslegung könnte diese Regelung dazu führen, dass auch im Rahmen des persönlichen Budgets qualifizierte Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe nur noch von Fachkräften erbracht werden dürfen. Dann müssten die gesetzlichen Qualitätsstandards berücksichtigt werden müssen, und gleichzeitig soll aber der individuelle Charakter der Leistung und die Selbstverantwortung der Leistungsberechtigten beim Persönlichen Budget erhalten bleiben. Wie ist mit diesem Dilemma umzugehen? Welche Anforderungen können zum Beispiel über die Zielvereinbarungen zum Persönlichen Budget an die Qualifikation der Unterstützungskräfte gestellt werden?

 



Antwort:

Qualifikation im Rahmen des persönlichen Budgets

In § 78 SGB IX werden zwei Assistenzleistungen beschrieben. § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX beinhaltet manuelle Handreichungen unter weitgehender Verantwortlichkeit des Menschen mit Behinderungen. Diese Form der Assistenz nennt sich auch kompensatorische Assistenz.

§ 78 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX bezieht sich auf die Förderung der Befähigung des/der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass diese Art der Assistenz von Fachkräften als qualifizierte Assistenz erbracht werden soll. Die qualifizierte Assistenz umfasst insbesondere die Anleitung und Übung in den Bereichen der Alltagsbewältigung und hat einen pädagogischen Ansatz.

Es ist notwendig in der Zielvereinbarung klar zu definieren, um welche Art der Assistenz es sich handelt. Es muss klar sein, ob es sich um kompensatorische oder um qualifizierte Assistenz handelt, beziehungsweise in welchem Verhältnis sie nebeneinander stehen. Bei der kompensatorischen Assistenz geht es eher um persönliche Eigenschaften der Assistenzpersonen als um fachliche Qualifikationen, während bei der qualifizierten Assistenz fachliche Qualifikation unabdingbar ist. Es muss ebenso deutlich sein, welche Qualifikationsnachweise für die qualifizierte Assistenz erbracht werden müssen.

Der Begriff qualifizierte Assistenz verleitet dazu, die in § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX beschriebene Assistenz in Abgrenzung zu „qualifiziert“ als „einfach“ zu bezeichnen. Bei vielen Leistungsträgern führt der Begriff zu der irrigen Auffassung, dass an das geeignete Personal nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Dabei müssen auch kompensatorische Assistenzkräfte über bestimmte Kompetenzen verfügen, um die Kommunikation mit der leistungsberechtigten Person und ihrer Umwelt zu ermöglichen, wie beispielweise die Kompetenz der Gebärdensprache.

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