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BTHG-Kompass 4.1

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.1

Beitragsfreiheit bei Hilfsmitteln

Wird der Einbau eines Homelifts für ein noch nicht eingeschultes Kind zur Befähigung einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum an das Einkommen der Eltern gekoppelt oder ist die Leistung beitragsfrei? 

Ein zweieinhalbjähriges Kind mit Behinderung (100%) hat eine fortschreitende Muskelerkrankung und kann nicht laufen oder frei stehen und wird eine zunehmende Schwäche in Armen und Beinen entwickeln. Dies kann so weit gehen, dass es womöglich irgendwann Arme und Beine nicht mehr bewegen kann.  Beim Bau eines Einfamilienhauses ist beabsichtigt, zur Überwindung der Barriere vom EG in den 1. Stock und aufgrund der Schwäche in den Gliedmaßen ein Homelift anzuschaffen, der nur mit einmaligem Drücken zu betätigen ist (die meisten Plattformlifte haben eine Totmannsteuerung, die man dauerhaft betätigen muss, damit sich die Plattform bewegt. Dies wäre aufgrund des Alters und der zunehmenden Schwäche in den Händen ungünstig).  Gemäß § 138 Absatz 1 Satz 7 SGB IV heißt es, „Ein Beitrag ist nicht aufzubringen bei Leistungen nach § 113 Absatz 1, die noch nicht eingeschulten leistungsberechtigten Personen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen“. Gemäß § 113 Absatz 1 wiederum gehört hierzu auch, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum zu befähigen. Somit erscheint denkbar, dass aufgrund des Alters Gehalt und Vermögen der Eltern gar nicht zur Förderung des Homelifts herangezogen würde und die Übernahme der Kosten evtl. auch erstattet werden, obwohl ggf. Einkommensgrenzen überschritten werden.



Antwort:

Beitragsfreiheit bei Hilfsmitteln

§ 138 Abs. 1 SGB IX schließt einen Beitrag nur für die dort abschließend aufgezählten Leistungen aus. Der Verweis in § 138 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX auf § 113 Abs. 1 SGB IX ist mit dem Zusatz in § 138 Abs. 1 Ziffer 7 SGB IX versehen, dass die Leistungen der Sozialen Teilhabe den noch nicht eingeschulten leistungsberechtigten Personen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen. Der Schluss, dass dann auch die in § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX aufgeführte Befähigung und Unterstützung Leistungsberechtigter zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum umfasst sein kann, erscheint dem reinen Wortlaut nach nicht fernliegend.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass primär schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die nicht beschult werden können gemeint sind. Der Schwerpunkt der Hilfen muss hierbei bei spezifischen Bildungszielen liegen (BSG 20.9.2012 – B 8 SO 15/11 R, SRa 2013, 131; 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R, BeckRS 2014, 68241 Rn. 21).

Bei dem Einbau eines Personenaufzuges, der einem behinderten, noch nicht beschulten Kind zur Verfügung steht, handelt es sich um eine Hilfe bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen des behinderten Menschen entspricht. Die gewünschte Maßnahme ist somit sach- und nicht personenbezogen und betrifft nicht das Bildungsrecht (ebenso BSG 20.9.2012 – B 8 SO 15/11 R, SRa 2013, 131). (Grube/Wahrendorf/Flint/Giere, 7. Aufl. 2020, SGB IX § 138 Rn. 11)

Zuständiger Eingliederungshilfeträger

Kind lebte in 2015 mit Eltern in Hessen. Aus familiären Gründen erfolgte durch unser Jugendamt eine Unterbringung in einer Erziehungsstelle gem. § 35a SGB VIII. Das Kind hatte u.a. einen festgestellten Autismus sowie einen Förderbedarf Lernen (IQ 73) und eine posttraumatische Entwicklungsstörung.

Gemäß § 86(6) SGB VIII erfolgte ein Zuständigkeitswechsel an das Jugendamt am Ort der Pflegefamilie. Nun wurde letztes Jahr festgestellt, dass der IQ des Kindes nur bei 62 sei. Daher begehrt das bisherige Jugendamt nun die Fallübernahme im Fachdienst Inklusion und Teilhabe (= örtlicher Eingliederungshilfeträger). Fraglich ist, ob in § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mit dem „Zeitpunkt der ersten Antragsstellung“ der Antrag gem. § 35a SGB VIII aus 2015 gemeint sein kann oder nicht eher ein erster Antrag im SGB IX, da der Verweis auf § 108 SGB IX erfolgt. Im § 108 SGB IX wird auf „Leistungen aus diesem Teil“, also ab § 90 SGB IX verwiesen (nicht auf Leistungen generell, z.B. auch aus dem SGB VIII). Also anders gefragt: Kann heute bei einer nun festgestellten Mehrfachbehinderung und einem erstmaligen Bedarf aus dem SGB IX der g.A. von vor 6 Jahren maßgeblich sein oder begründet nicht der gewöhnliche Aufenthalt in der Pflegefamilie von heute für den Leistungsberechtigten die Zuständigkeit des für den jetzigen Wohnort zuständigen örtlichen Eingliederungshilfeträgers?



Antwort:

Zuständiger Eingliederungshilfeträger

Die Beteiligten gehen nach der Sachverhaltsschilderung davon aus, dass seit der IQ-Testung der Vorrang des Teil 2 SGB IX vor dem SGB VIII nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII greift und demnach die vorrangige sachliche Leistungszuständigkeit beim Träger der Eingliederungshilfe liegt. Zunächst ist grundsätzlich zu fragen, ob eine Fallübergabe überhaupt zulässig ist. 

Nach Auffassung des BSG (01.03.2018 - B 8 SO 22/16 R) ist eine Fallübergabe im Anwendungsbereich des § 14 SGB IX ausgeschlossen. Der VGH München hat in einer früheren Entscheidung (07.10.2013 - 12 B 11.1886) einen Anspruch auf Fallübernahme im Zusammenhang mit einem bestehenden Kostenerstattungsanspruch bejaht. Das BVerwG (22.06.2017 - 5 C 3.16) hält Fallübergaben bei Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zwischen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe für zulässig. In der Praxis sind Fallübergaben bei Wechsel der Zuständigkeit üblich.

Soweit man der Auffassung ist, dass eine Fallübergabe bei vorliegendem Sachverhalt zulässig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe nach § 98 SGB IX.

 § 98 Abs. 4 SGB IX enthält eine Sonderregel für stationäre Aufenthalte. Für die Definition des stationären Aufenthalts ist auf die Definition der stationären Einrichtung nach § 13 SGB XII zurückzugreifen (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB IX, § 98 Rn. 11). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie stellt danach keine stationäre Einrichtung dar (BSG 26.10.2017 - B 8 SO 12/16 R) und die Sonderregel greift nicht ein, da nicht von einem stationären Aufenthalt auszugehen ist. Die Übergangsregelungen nach § 98 Abs. 5 SGB IX bleiben auch außer Betracht, da keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII am 31.12.2019 gewährt wurden. Deshalb richtet sich die örtliche Zuständigkeit vorliegend nach § 98 Abs. 1 SGB IX. Danach ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Abs. 1 SGB IX hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie dürfte nach allgemeinem Verständnis eine Betreuung über Tag und Nacht darstellen und insoweit als vorrangige Alternative maßgebend sein. D.h. die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe liegt dort, wo die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt hatte.

Abgrenzung Assistenzleitungen nach SGB IX und Leistungen nach SGB VIII

Eine Frage zur Abgrenzung der Assistenzleistungen: In §20 SGB VIII sind Notsituationen genannt ohne nähere Zuschreibung, im §74 SGB IX sind medizini­sche und Rehabilitationsleistungen genannt. Wie sollen dann in Zukunft Hilfen für Familien in Ausnahmesituationen möglich sein? Z. 8. nach Mehrlingsgeburten oder bei schwerer Erkrankung eines Kindes?



Antwort:

Abgrenzung der Leistungen nach dem SGB IX von den Leistungen nach dem SGB VIII

Leistungen nach § 74 SGB IX zählen zur Leistungsgruppe unterhaltssicherende und andere ergänzende Leistungen. Leistungen aus dieser Leistungsgruppe werden lediglich ergänzend zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zu Leistungen zur medizinischen Rehabili­tation gewährt (v. Boetticher/Kuhn-Zuber, Rehabilitationsrecht, Rn. 189 f.). Eine alleinige Gewährung ist ausgeschlossen. Außerdem sind sowohl die Träger der öffentlichen Jugend­hilfe als auch die Träger der Eingliederungshilfe keine Rehabilitationsträger für diese Leis­tungsgruppe (§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 7 SGB IX).

Für die Abgrenzung der Leistungen des SGB VIII zu Leistungen anderer Teile des Sozialge­setzbuchs enthält§ 10 SGB VIII die Kollisionsregeln. Zum Eingreifen des§ 10 SGB VIII muss bei beiden infrage stehenden Leistungen ein Leistungsanspruch bestehen (d.h. die Leistungsvoraussetzungen aus unterschiedlichen Teilen des SGB müssen erfüllt sein) und beide Leistungen müssen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (vgl. beispielhaft: BVerwG 19.10.2011 - 5 C

6/11). Im Einzelfall ist demnach zu prüfen, ob die Leistungsvoraussetzungen des§ 20 SGB VIII und des§ 74 SGB IX als Annex zu anderen Leistungen zur Teilhabe tatsächlich erfüllt sind. Im nächsten Schritt bedarf es eines abstrakten Vergleichs zwischen den konkreten Leistungen (z.B. Betreuung im Haushalt oder Einrichtung). Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach§ 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII das SGB VIII vorrangig vor dem SGB IX.

Wobei es sich auf Grundlage der aufgezeigten Grundsätze nicht um eine Abgrenzungsprob­lematik zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Trägern der öffentlichen Ju­gendhilfe sondern den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (nicht als Rehabilitationsträger) und anderen Rehabilitationsträgern (außer dem Träger der Eingliederungshilfe) handeln dürfte.

Bisher gibt es lediglich für Kinder im SGB Vill die Möglichkeit der Refinanzierung einer Lern­therapie. Wird dies dann ggf. auch für Kinder aus dem Bereich SGB IX möglich sein? Lerntherapie dürfte über den Leistungskatalog der Leistungen zur Teilhabe an Bildung dar­stellbar sein. Für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe über§ 35a Abs. 3 SGB VIII,§ 112 SGB IX. Für die Träger der Eingliederungshilfe über§ 112 SGB IX. Im allgemeinen Leis­tungskatalog des SGB IX über § 75 Abs. 2 SGB IX. Voraussetzung dafür ist stets, dass ein entsprechender, behinderungsbedingter Bedarf festgestellt wird und die jeweiligen Leis­tungsvoraussetzungen erfüllt sind. Durch die bisherigen Regelungsgegenstände des KJSG tritt daran keine Änderung ein. Die tatsächliche Ausgestaltung der inklusiven Lösung bleibt jedoch abzuwarten.

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