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BTHG-Kompass 4.3

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.3

Unterschied zwischen Netto- und Bruttoprinzip

Können Sie bitte den Unterschied zwischen Netto- und Bruttoprinzip bei der Heranziehung von Einkommen und Vermögen erklären?



Antwort:

Bruttoprinzip wird nur noch in Ausnahmefällen angewendet

Im Rahmen der 3. Reformstufe des BTHG zum 1. Januar 2020 wurde in der Eingliederungshilfe ein Eigenbeitrag aus dem Einkommen der leistungsberechtigten Person zu den Aufwendungen eingeführt (§ 136 SGB IX). Dieser monatliche Eigenbeitrag ist festgelegt auf 2 Prozent des die individuelle Einkommensgrenze übersteigenden Einkommens (§ 137 Abs. 2 SGB IX). Gem. § 137 Abs. 3 SGB IX wird dieser monatliche Eigenbeitrag von der zu erbringenden Leistung abgezogen. Der Träger der Eingliederungshilfe leistet somit nur den Anteil der Leistungsvergütung, der nicht durch den Eigenbeitrag abgedeckt ist (Nettoprinzip). Im Bewilligungsbescheid des Eingliederungshilfe-Trägers wird somit die Kostenübernahme für die zu erbringende Leistung im Umfang des von der leistungsberechtigten Person aufzubringenden Beitrags beschränkt. Der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe reduziert sich somit im Umfang des von der leistungsberechtigen Person aufzubringenden Betrags. Den Differenzbetrag vom nominellen Vergütungsanspruch und der Zahlung des Eingliederungshilfe-Trägers kann der Leistungserbringer der leistungsberechtigten Person in Rechnung stellen.

Gem. § 137 Abs. 4 SGB IX ist eine Vorleistungspflicht des Eingliederungshilfe-Trägers bezüglich der gesamten Leistung mit Kostenerstattungsanspruch (Bruttoprinzip) nur in Ausnahmefall möglich. Dies ist der Fall, wenn der Eigenbeitrag nicht von der leistungsberechtigten Person, sondern von einer dritten Person zu zahlen ist und die Durchführung der Leistung ohne Entrichtung des Beitrags „gefährdet“ ist. Die Ausnahme zielt vor allem auf Minderjährige, deren Eltern den Betrag nicht oder nicht vollständig zahlen. In diesem Fall ist eine Leistungsgewährung im vollen Umfang möglich. Der Eingliederungshilfe-Träger hat folglich einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem zum Beitrag Verpflichteten.

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Behindertentestament und Einkünfte aus Vermietung

Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe ist gemäß § 92 SGB IX ein Beitrag aufzubringen. Für die Ermittlung dieses Beitrags sind nach § 135 SGB IX die Summe der Einkünfte des Vorvorjahres nach § 2 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes maßgeblich.

Einkünfte nach EStG können u. a. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sein. Wie ist damit umzugehen, wenn diese Einnahmen aus Verpachtung durch ein Behindertentestament geschützt sind. Gemeint ist damit, dass im Testament Grundvermögen vererbt wurde, die Pachteinnahmen aus diesem Grundstück als Früchte zweckbestimmt für den Menschen mit Behinderung einzusetzen sind und vom Zugriff durch den Träger der Eingliederungshilfe ausgenommen sind.

Zeitgleich werden die Pachteinnahmen jedoch versteuert.

Sind die Einkünfte in die Beitragsermittlung einzubeziehen oder wiegt die Regelung des Testaments höher?



Antwort:

Heranziehung der Einkünfte hängt vom Einzelfall ab

Zur „Summe der Einkünfte“ nach dem Einkommensteuergesetz gehören auch „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“. Die Einkünfte sind dabei der Saldo aus den Einnahmen (Mieteinnahmen für Wohnungen etc.) nach Abzug der Werbungskosten (bspw. Absetzung für Abnutzung, Schuldzinsen, Erhaltungsaufwendungen). Lediglich dieser Saldo wird versteuert und ist im Rahmen von § 135 Abs. 1 SGB IX relevant.

Steuerrechtlich können auch Einkünfte aus Vermietung erzielt werden, wenn man nicht Eigentümer einer vermieteten Immobilie ist, sondern durch ein Testament ein Nießbrauchvermächtnis erlangt hat. Falls für die leistungsberechtigte Person ein Nießbrauch auf eine vermietete Immobilie bestellt ist, fallen auch diese Einkünfte unter § 135 Abs. 1 SGB IX. Da die leistungsberechtigte Person nicht Eigentümer ist, gehört die Immobilie nicht zum Vermögen nach § 139 SGB IX.

Das Wort „Behindertentestament“ findet sich nicht im Erbrecht des BGB. Der Begriff hat sich vielmehr in der juristischen Fachliteratur und in der Rechtsprechung entwickelt (bspw. BGH, Beschluss vom 24.07.2019, XII ZB 560/18). Allgemein wird als Behindertentestament eine Verfügung von Todes wegen bezeichnet, die insbesondere von Eltern eines Kindes mit Behinderungen verfasst wird und Sonderregeln für das Kind mit Behinderungen enthält. In der Praxis kann es um ziemlich komplizierte erbrechtliche Konstruktionen gehen. Häufig ist das Ziel, das Kind mit Behinderungen zu begünstigen und gleichzeitig das Vermögen zu erhalten (bspw. kombinierte Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft sowie einer Dauertestamentsvollstreckung oder bspw. ein Nießbrauchvermächtnis). Ob dabei nicht nur das Vermögen, sondern auch noch das Einkommen geschützt ist, wird von den konkreten Sonderregelungen im Einzelfall abhängen. Grundsätzlich sind nach § 135 Abs. 1 SGB IX alle dort genannten Einkünfte maßgeblich, die der leistungsberechtigten Person zuzurechnen sind. Durch die Einkommensgrenzen nach § 136 SGB IX ist bereits ein höherer Teil des Einkommens geschützt. Die Einkommensgrenzen unterliegen automatisch einer Dynamisierung und erhöhen sich jedes Jahr.

Steuererleichterungen bei Arbeitnehmer/innen

Es sind Steuererleichterungen (Home Office Pauschale, Erhöhung der Pauschale für Menschen mit Behinderungen sowie der Wegfall des Solidaritätszuschlags) beschlossen worden. Werde ich als Steuerzahler mit einem Assistenzbedarf überhaupt in den Genuss kommen? Dadurch würde sich das Bruttogehalt erhöhen. Für mich wäre dies eine klare Benachteiligung und Diskriminierung aufgrund der Behinderung, wenn mir dies angerechnet würde.



Antwort:

Steuererleichterungen sind gesondert zu betrachten

Arbeitnehmer/innen erzielen steuerrechtlich „Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit“. Diese Einkünfte gehören zur „Summe der Einkünfte“ nach dem Einkommensteuergesetz. Die Einkünfte sind dabei der Saldo aus dem Bruttoarbeitslohn nach Abzug der Werbungskosten. Ausschließlich dieser Saldo ist im Rahmen von § 135 Abs. 1 SGB IX relevant.

Steuererleichterungen sind im Hinblick auf ihre Auswirkungen bei der Ermittlung des Einkommens in der Eingliederungshilfe jeweils gesondert zu betrachten:

a)     Home-Office-Pauschale: Für Tätigkeiten im Home-Office kann steuerlich unter bestimmten Voraussetzungen eine Pauschale als Werbungskosten geltend gemacht werden. Die Pauschale gilt für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2021 und beläuft sich auf 5 € pro Kalendertag, max. 600 € pro Jahr. Für alle Werbungskosten wird steuerlich ohnehin ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € jährlich berücksichtigt. Falls die Home-Office-Pauschale zusammen mit weiteren Werbungskosten diesen Arbeitnehmer-Pauschbetrag überschreitet, ergeben sich materielle Auswirkungen auf die „Summe der Einkünfte“. In der Praxis wird man höhere Werbungskosten nur dann exakt prüfen, wenn die Einkommensgrenzen nach § 136 SGB IX (voraussichtlich) überschritten werden.

b)     Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen: Durch das „Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen“ hat sich ab Veranlagungszeitraum 2021 unter anderem der Pauschbetrag für Menschen mit Behinderungen verdoppelt. Steuerlich geht es hier um sog. „außergewöhnliche Belastungen“, nicht um Werbungskosten. Die Pauschbeträge mindern also nicht die „Summe der Einkünfte“. Vorteile, die mit diesen Pauschbeträgen bei der Lohn- und Einkommensteuer erzielt werden, verbleiben bei den Steuerpflichtigen mit Behinderungen, denn die (verminderten) Steuerbelastungen sind nicht maßgeblich für den Begriff des Einkommens in § 135 Abs. 1 SGB IX.

c)     Solidaritätszuschlag: Durch das „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags“ entfällt für etwa 90 % der Steuerpflichtigen der Solidaritätszuschlag ab 2021. Hierdurch erhöht sich das Nettoeinkommen. Die „Summe der Einkünfte“ (Bruttoarbeitslohn abzüglich Werbungskosten) bleibt hingegen unverändert. Die Vorteile aus dem Wegfall des Solidaritätszuschlags verbleiben damit bei der leistungsberechtigten Person.

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