Gutachten der Gesundheitsämter
Bisher haben die Ärzte der Gesundheitsämter die Krankheiten anhand des ICD ermittelt. Auf dieser Grundlage prüfte der Sozialdienst die Teilhabeeinschränkung und somit die Zugehörigkeit zum anspruchsberechtigten Personenkreis. In den Gutachten der Gesundheitsämter nach ICF werden jedoch seit dem 01.01.2018 detailliert die Teilhabeeinschränkungen beschrieben, sodass die Prüfung des Sozialdienstes entfallen könnte. Ist der Träger der Eingliederungshilfe an das Gutachten gebunden? Entfällt dieser Prüfschritt durch den Sozialdienst in Zukunft?
Antwort:
Aufgabenverteilung zwischen Gesundheitsämtern und Sozialdienst
Der Träger der Eingliederungshilfe bleibt weiterhin für die Feststellung der Teilhabeeinschränkungen zuständig.
Der Frage liegt ein terminologisches Missverständnis zugrunde.
Unter der Geltung des BTHG tragen die ärztlichen Dienste nicht nur Diagnosen nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) zum Verfahren bei, sondern darüber hinaus die damit einhergehende individuelle Einschränkung der Körperfunktionen und -strukturen nach der ICF. Bei identischer Diagnose unterscheiden sich diese funktionellen Einschränkungen von Mensch zu Mensch. Diese Feststellung fällt in die ärztliche Zuständigkeit, nicht in die des Trägers der Eingleiderungshilfe. Die Funktionseinschränkung ist nicht identisch mit der Teilhabeeinschränkung.
In diesem Zusammenhang formuliert die BAGüS in ihrer Orientierungshilfe zur Gesamtplanung den Hinweis, am Gesamtplanverfahren „die fachlichen Disziplinen zu beteiligen, die die für die Ermittlung und Feststellung des Bedarfs notwendige Fachkompetenz mitbringen“ (BAGüS 2018: 8).
Der Träger der Eingliederungshilfe ist an das Gutachten des Gesundheitsamtes nicht gebunden, müsste aber, um es zu entkräften, wiederum ärztliche Expertise heranziehen.
Erst nach der ärztlichen Feststellung der funktionellen Einschränkungen kann die Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis festgestellt und die individuellen Teilhabeeinschränkungen durch den Träger der Eingliederungshilfe geprüft werden.
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