Angehörigen-Entlastungsgesetz

11. November 2019

Angehörigen-Entlastungsgesetz vom Bundestag beschlossen

Am 7. November 2019 wurde das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom Bundestag beschlossen. Darin enthalten sind auch Änderungen zum Bundesteilhabegesetz (BTHG). Der Bundesrat hat dem Gesetz am 29. November 2019 im zweiten Durchgang zugestimmt.

Insbesondere folgende Änderungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes betreffen das BTHG:

 

Finanzierung der EUTB auch nach 2022

  • Die in § 32 Absatz 5 SGB IX vorgesehenen Befristung der Förderung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) bis Ende 2022 wird aufgehoben. Damit wird die Finanzierung der EUTB verstetigt. Die Bundesmittel werden ab 2023 auch für die Aufwendungen genutzt, die für die Administration, die Qualitätssicherung, die Öffentlichkeitsarbeit und die Vernetzung der Beratungsangebote untereinander sowie mit sonstigen Beratungsangeboten (z.B. Ansprechstellen der Rehabilitationsträger) notwendig sind.

Verbesserung der Personalschlüssel für andere Leistungsanbieter

  • Für andere Leistungsanbieter wird eine weitere Ausnahme gegenüber den WfbM als § 60 Abs. 2 Nr. 8 eingefügt. Demnach soll ein besserer als der in § 9 Abs. 3 der Werkstättenverordnung festgelegte Personalschlüssel (1:6 im Berufsbildungsbereich und 1:12 im Arbeitsbereich) angewendet werden, wenn andere Leistungsanbieter Leistungen ausschließlich in betrieblicher Form erbringen. Dadurch kann zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern ein besserer Personalschlüssel (z.B. 1:4 anstatt 1:6) vereinbart werden. Damit soll die notwendige individuelle Betreuung der Menschen mit Behinderungen auch bei anderen Leistungsanbietern, die Leistungen zur beruflichen Bildung oder Beschäftigung ausschließlich auf betriebsintegrierten Plätzen und nicht stationär in Gruppen durchführen, gewährleistet werden.

Budget für Ausbildung

  • Mit § 61a SGB IX wird das Budget für Ausbildung als neue Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben eingeführt. Damit soll werkstattberechtigten Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit eröffnet werden, bei einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber außerhalb der WfbM ein sozialversicherungspflichtiges Ausbildungsverhältnis anzutreten. Äquivalent zum Budget für Arbeit umfasst das Budget für Ausbildung die Erstattung der Ausbildungsvergütung und die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Ausbildungsplatz und in der Berufsschule. Das Budget für Ausbildung wird von den Leistungsträgern nach § 63 Abs. 1 SGB IX erbracht, d.h. in der Regel durch die Bundesagentur für Arbeit. Der zuständige Leistungsträger soll den Menschen mit Behinderungen bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz unterstützen. Damit ist jedoch nicht eine Verpflichtung des Leistungsträgers verbunden, ein Budget für Ausbildung in jedem Fall zu ermöglichen (BT-Drs. 19/13399: 38).

Ausnahmeregelung zur Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen bei volljährigen Leistungsberechtigten in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche

  • Minderjährige Leistungsberechtigte waren bereits im BTHG gem. § 134 SGB IX von der Notwendigkeit der Leistungstrennung ausgenommen. Das gilt gem. Abs. 4 auch für Volljährige, die zu ihrer schulischen oder beruflichen Bildung in Einrichtungen über Tag und Nacht betreut werden. Das bedeutet, dass für diesen Personenkreis keine Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen stattfindet, sondern zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer neben der Erbringung der Fachleistung auch weiterhin die Erbringung der existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt zu regeln ist. Diese Ausnahmen haben die Frage aufgeworfen, ob für Angebote, die Leistungen an Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht erbringen, die nicht der beruflichen oder schulischen Bildung dienen (reine Wohn- und Betreuungsangebote) die Leistungstrennung dann jedoch für die kleine Gruppe der Leistungsberechtigten durchgeführt werden muss, die volljährig werden, aber aufgrund ihrer speziellen Bedarfe dieses Angebot weiterhin (zeitlich begrenzt) wahrnehmen. Auf Grundlage des Angehörigen-Entlastungsgesetzes wird die Ausnahmeregelung nun auf volljährige Leistungsberechtigte ausgedehnt, die Leistungen über Tag und Nacht zusammen mit einer überwiegenden Anzahl von Minderjährigen oder Leistungen in Einrichtungen der Jugendhilfe erhalten, wenn
    • das Konzept des Leistungserbringers auf Minderjährige als zu betreuenden Personenkreis ausgerichtet ist (z.B. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe),
    • der Leistungsberechtigte von diesem Leistungserbringer bereits Leistungen über Tag und Nacht auf Grundlage von Vereinbarungen nach § 134 Abs. 1-3 SGB IX, § 78b des Achten Buches, § 75 Absatz 3 des Zwölften Buches in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung oder nach Maßgabe des § 75 Absatz 4 des Zwölften Buches in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung erhalten hat und
    • der Leistungsberechtigte nach Erreichen der Volljährigkeit für eine kurze Zeit, in der Regel nicht länger als bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, Leistungen von diesem Leistungserbringer weitererhält, mit denen insbesondere vor dem Erreichen der Volljährigkeit definierte Teilhabeziele erreicht werden sollen. 
  • Diese Ausnahmeregelung zielt somit auf Leistungsberechtigte ab, die aus unterschiedlichen Gründen (z.B. verlängerte Schulzeit, pädagogische Gründe) nach Vollendung des 18. Lebensjahres für eine kurze Zeit bei dem Leistungserbringer verbleiben, von dem sie bereits als Minderjährige Leistungen bezogen haben. Damit sollen zugleich arbeits- und bürokratieaufwändige parallele Vergütungs- und Abrechnungsstrukturen für Minderjährige einerseits und Volljährige andererseits bei den betroffenen Leistungserbringern vermieden werden (BT-Drs. 19/14868: 23).

Unterhaltsrückgriff und Elternbeiträge im SGB IX

  • Künftig sollen nur noch Unterhaltsverpflichtete mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro pro Jahr im Wege des Unterhaltsrückgriffs zu Sozialhilfeleistungen herangezogen werden. Bislang galt diese Grenze nur für Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Diese Grenze soll künftig für alle Leistungen des SGB XII (also insbesondere auch für die „Hilfe zur Pflege“ nach dem Siebten Kapitel) gelten. Auch in der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) soll durch einen Verzicht auf Elternbeiträge bei volljährigen Leistungsbeziehern eine Entlastung vollzogen werden. Beziehen volljährige, wesentlich behinderte Menschen Eingliederungshilfe nach dem Teil 2 SGB IX, müssen deren Eltern zu diesen Leistungen unabhängig vom Einkommen gar keinen Beitrag mehr leisten (Streichung § 138 Abs. 4 SGB IX und § 142 Abs. 3 SGB IX).

Kein Ermessen bei der Arbeitsassistenz für Integrationsämter

  • Die Integrationsämter sollen bei der Arbeitsassistenz künftig kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Leistung haben, wenn die Notwendigkeit der Assistenz festgestellt ist (§ 185 Abs. 5 SGB IX).

Redaktionelle Berichtigung: Darlehen zur Erlangung der Zuzahlungsbefreiung

  • Bislang übernahm der zuständige Träger der Sozialhilfe für volljährige Leistungsberechtigte, die in stationären Einrichtungen lebten und gesetzlich krankenversichert waren, zum Jahresbeginn den Zuzahlungsbetrag in Höhe der Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 SGB V gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen in Form eines ergänzenden Darlehens. Die Krankenkasse übersandte dann die entsprechende Bescheinigung jeweils zum 1. Januar eines jeden Jahres bzw. bei Aufnahme in eine Einrichtung, § 37 Abs. 2 und 3 SGB XII. Die dortige Verweisung auf den berechtigten Personenkreis (§ 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII) ist seit der Einführung des BTHG ins Leere gelaufen und musste erneuert werden. § 37 Abs. 2 SGB XII verweist nunmehr zutreffend auf § 27 b Abs.3 Satz 2. SGB XII. Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt durch die Einbehaltung eines Teils des Regelsatzes, § 37 Abs. 4 SGB XII. 

Leistungsberechtigung für Grundsicherung bei Erwerbsminderung im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich

  • Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer WfbM, bei einem anderen Leistungsanbieter oder im Budget für Ausbildung werden in den Kreis der Leistungsberechtigten Personen für die Grundsicherung bei Erwerbsminderung einbezogen (§ 41 Abs. 3a SGB XII), obwohl sie nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Mit dieser Regelung reagiert der Gesetzgeber auf eine Reihe von sozialgerichtlichen Entscheidungen (s. auch hier), die diesem Personenkreis aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) einen Anspruch auf Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gewährt haben.

Ergänzung zur örtlichen Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe

  • In der bisherigen Formulierung der Vorschrift waren Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit des Eingliederungshilfeträgers, der sich aus einer etwaigen Neubestimmung der Träger der Eingliederungshilfe ergeben kann, unberücksichtigt geblieben. Für Bestandsfälle wäre dadurch die ungünstige Situation eines Zuständigkeitswechsels mit (neuem) Antragserfordernis entstanden. Mit der Formulierung eines § 98 Abs. 5 SGB IX wurde nun eine eigene Regelung für diese Bestandsfälle geschaffen, die auch inhaltlich kohärent zu § 98 SGB XII ist. „Damit wird sichergestellt, dass die örtliche Zuständigkeit sich für Bestandsfälle nicht verändert und eventuelle Zuständigkeitskonflikte bei der Überführung der bestehenden Leistungsfälle in das neue Recht vermieden werden“ (BT-Drs. 19/14868: 23).

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