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BTHG-Kompass 4.1

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.1

Welche Menschen mit Behinderungen erhalten Eingliederungshilfe?

Welche Menschen mit Behinderungen erhalten Eingliederungshilfe? Ist es richtig, dass nicht jeder Mensch mit Behinderungen Eingliederungshilfe bezieht?



Antwort:

Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach derzeitiger Rechtslage Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind (§ 53 Abs. 1 SGB XII). Davon zu unterscheiden ist die Schwerbehinderung. Für schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 SGB IX) gelten die Regelungen des Teils 3 SGB IX (Schwerbehindertenrecht). Die Personenkreise sind nicht deckungsgleich: Nicht alle Menschen mit wesentlicher Behinderung sind schwerbehindert und nicht alle Menschen mit Schwerbehinderung sind wesentlich behindert. Insofern beziehen auch nicht alle Menschen mit Behinderungen Eingliederungshilfe.

Im Gesetzgebungsprozess zielte das BTHG darauf ab, das neue Behinderungsverständnis in die Regelung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe einfließen zu lassen und zugleich das Zugangsmerkmal der „Wesentlichkeit“ durch das Kriterium „in erheblichem Maße“ weiterzuentwickeln (BT-Drs. 18/9522: 276). In der Begründung des Gesetzentwurfs wurde hierzu erläutert:

„Das leistungsauslösende Moment wird nun nicht mehr an der Person selbst bzw. an Persönlichkeitsmerkmalen festgemacht (‚er/sie ist wesentlich behindert‘), sondern an der Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt, d. h. wenn die Fähigkeit zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft in erheblichem Maße eingeschränkt ist und deshalb personelle oder technische Unterstützung in an der ICF-orientierten Lebensbereichen notwendig ist“ (ebd.: 198f.).

Die Neuregelung des Zugangs zum leistungsberechtigten Personenkreis wurde im BTHG durch die unbestimmten Rechtsbegriffe „in einer größeren Anzahl der Lebensbereiche“ und „in einer geringeren Anzahl der Lebensbereiche“ offengelassen. So liegt gemäß BTHG eine Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft in erheblichem Maße vor, „wenn die Ausführung von Aktivitäten in einer größeren Anzahl der Lebensbereiche nach Absatz 4 [Lebensbereiche der ICF-Komponenten Aktivitäten und Teilhabe, Anm. d. Red.] nicht ohne personelle oder technische Unterstützung möglich oder in einer geringeren Anzahl der Lebensbereiche auch mit personeller oder technischer Unterstützung nicht möglich ist“ (Art. 25a § 99 Abs. 1 BTHG). Das Nähere soll durch ein Bundesgesetz bestimmt werden (Art. 25a § 99 Abs. 7 BTHG).

Als Grundlage für dieses Bundesgesetz wurde im Rahmen der Umsetzungsunterstützung des BTHG festgelegt, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in den Jahren 2017 und 2018 die rechtlichen Wirkungen von Art. 25a § 99 auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe untersucht und mit dem Ziel konkretisiert, den leistungsberechtigten Personenkreis beizubehalten (Art. 25 Abs. 5 BTHG).

Mit dieser Untersuchung hat das BMAS die Arbeitsgemeinschaft ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH, transfer – Unternehmen für soziale Innovation, Universität Kassel (Prof. Dr. Felix Welti) und Dr. med. Matthias Schmidt-Ohlemann als Forschungsvorhaben „Rechtliche Wirkungen von Artikel 25a § 99 BTHG auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe“ beauftragt. Im September 2018 erfolgte die Veröffentlichung des Abschlussberichts als Bundestagsdrucksache 19/4500.

Das Ergebnis des Abschlussberichts ist, dass auch bei Anwendung verschiedener Berechnungsvarianten anhand der ICF eine Restgruppe bleibt, die unterschiedlich groß ausfällt, aber nicht gänzlich aufgelöst werden kann und wahrscheinlich aus dem leistungsberechtigten Personenkreis herausfallen würde (BT-Drs. 19/4500: 89). Zugleich hat die Auswertung der ergänzenden Interviews aber auch zu der wesentlichen Erkenntnis geführt, dass ein erheblicher Teil von Personen, der heute keine Leistungen der Eingliederungshilfe bezieht, zum leistungsberechtigten Personenkreis neu hinzukommen würde (ebd.: 90). Das Kriterium, dass der leistungsberechtigte Personenkreis durch das neue Verfahren unverändert bleiben soll, wird mit einer quantifizierenden Neudefinition somit nicht erfüllt (ebd.: 90) (Weitere Informationen unter: https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/beteiligen/fd-leistungsberechtigter-personenkreis/).

Nachdem im Rahmen des Forschungsvorhabens eine quantifizierende Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises in der Eingliederungshilfe ausgeschlossen wurde, stellt sich nun die Frage, ob eine qualitative Ausgestaltung anhand der ICF möglich ist. Das BMAS plant, im Rahmen eines partizipativen Beteiligungsprozesses Kriterien zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises zu erarbeiten (BT-Drs. 19/3592: 48; Rombach 2018: 12). Bis zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises in der Eingliederungshilfe durch ein Bundesgesetz bleibt die bisherige Definition bestehen.

 

Leistungen der EingliederungshilfeMaterialien

Änderung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe

Ist es richtig, dass sich der leistungsberechtigte Personenkreis für Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber den §§ 53, 54 SGB XII i. V. m. §§ 1-3 EGVH nicht ändert?



Antwort:

Nein. Dieses vom Gesetzgeber postulierte Ziel ist mit der gegenwärtigen Formulierung von § 99 SGB IX nicht erreichbar.

Diese Folgerung ergibt sich eindeutig aus der Untersuchung nach Art. 25a BTHG zum Personenkreis nach § 99 SGB IX, deren Abschlussbericht als BT-Drucksache 19/4500 vorliegt. Bei Verwendung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Kriterien ergibt sich, dass zum einen ein Teil nicht erfasst wird, zum anderen auch ein, allerdings quantitativ nicht exakt bestimmbarer Anteil an Menschen mit Beeinträchtigungen hinzukommt.

Änderung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe

Änderung der Definition des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe

Meine Frage ist: Weshalb soll die Definition des leistungsberechtigten Personenkreises überhaupt verändert werden? Mit einer Beibehaltung der bisherigen Definition würden sich auch keine Probleme mit einer Ausweitung oder Einschränkung des Personenkreises geben. Vielen Dank.



Antwort:

Diese Frage könnte an den Gesetzgeber gestellt werden. Dieser hat dazu geschrieben (BT-Drucks. 18/9522: 275): „Der geltende Behinderungsbegriff für die Eingliederungshilfe mit dem Merkmal der Wesentlichkeit ist veraltet und weitgehend defizitorientiert; er definiert sich u. a. über die Abweichung der individuellen Funktion, Fähigkeit oder Gesundheit vom für das Lebensalter eines Menschen typischen, als normal angesehenen Zustand. Er bezieht nur unzulänglich gesellschaftliche Veränderungen sowie das gewandelte Rollenverständnis von Menschen mit Behinderungen ein. Auch ist die Anwendung in der Praxis nicht immer einheitlich.“

Merkmal der Wesentlichkeit ist veraltet und weitgehend defizitorientiert

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