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BTHG-Kompass 4.0

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.0

Ungepoolte Leistungen auf Wunsch?

Ergibt sich für Anbieter besonderer Wohnformen die Verpflichtung, auf Wunsch von Leistungsberechtigten ungepoolte Leistungen anzubieten. Z.B. individuelle Freizeitgestaltung?



Antwort:

Eine Verpflichtung ergibt sich nur dann, wenn diese in der entsprechenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarung zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer – auf Grundlage des Teilhabe- oder Gesamtplanes – verankert worden ist. Auch spontane Wünsche nach individueller Freizeitgestaltung müssen in den jeweiligen Vereinbarungen verankert werden, nur so kann die Bereitstellung des Personals gewährleistet werden.

Entscheidend ist die Leistungs- und VergütungsvereinbarungDownloads und Links

Inhalt und Rechtscharakter der Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX

Es wird in vielen Landesrahmenverträgen nicht darauf hingewiesen, dass es sich bei den Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen gemäß § 125 SGB IX um sog. öffentlich-rechtliche Verträge gemäß den §§ 53ff SGB X handelt. So bleibt konsequent unerwähnt, dass gemäß § 61 S. 2 SGB X ergänzend die Regelungen z. B. des Vertragsrechts nach dem BGB Anwendung finden. Besonders deutlich wird dieser Mangel im Falle von Leistungsstörungen. Es geht um die Frage, inwieweit das Leistungsstörungsrecht des BGB zumindest ergänzend angewendet werden kann oder muss.
Die auf der Basis der Landesrahmenverträge neu geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen enthalten deshalb auch keine spezielle Regelung über das Kürzungsrecht gemäß § 129 SGB IX. Es wird schlicht dessen Wortlaut wiederholt. Aber wie und in welchem Umfang gekürzt werden kann, bleibt offen. Viele Praktiker vermuten deshalb, dass das Kürzungsrecht ähnlich wie nach den Grundsätzen des § 79 SGB XII vorgenommen werden könnte. Dafür hat nicht zuletzt das Bundessozialgericht (BSG) einige Vorgaben judiziert. Es ergeben sich aber erhebliche Zweifel ob das BSG die bisher zu § 79 SGB XII entwickelten Grundsätze auch auf § 129 SGB IX anwenden wird, weil es immerhin in der Eingliederungshilfe nicht primär um Pflegeleistungen geht.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Leistungsstörungsrecht, das bei jeder Vertragsbeziehung in die Überlegungen einbezogen werden sollte, bewußt ausgeblendet wird. Stattdessen wird ein ziemlich konturenloses Kürzungsrecht mantraartig wiederholt. Die Landesrahmenverträge müssen in diesem Punkt konkreter werden.
 



Antwort:

Inhalt und Rechtscharakter der Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX

Die Inhalte der Landesrahmenverträge sind durch § 131 Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB IX vorgegeben. Hierbei handelt es sich um eine abschließende Regelung (BT-Drs. 18/9522: 300).

Ein Hinweis im Landesrahmenvertrag, dass es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt, ist nicht vorgesehen, wäre aber grundsätzlich möglich. Ob dies auch notwendig ist, darf allerdings bezweifelt werden. § 131 SGB IX geht auf § 79 SGB XII zurück, der seinerseits auf § 93d BSHG zurückgeht. Rahmenverträge und Vereinbarungen gem. § 125 SGB IX zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern sind öffentlich-rechtliche Verträge gem. § 53 Abs. 1 SGB X.

Auslegung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages

Der Vorbehalt fehlender entgegenstehender Rechtsvorschriften in § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X bedeutet, dass in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag neben den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns (z.B. Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbotes), die stets zu beachten sind, auch zwingende Rechtsnormen i.S.d. § 134 BGB, die durch Vertrag weder ausgeschlossen noch umgangen werden dürfen, beachten werden müssen (KassKomm/Wehrhahn,116. EL September 2021, SGB X § 53 Rn. 12).

Neben dem vorgenannten Inhaltsverbot aus § 53 SGB X gelten gem. § 61 Satz 2 SGB X ergänzend die zivilrechtlichen Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Die Auslegung des Vertrages erfolgt daher wie im Privatrecht nach § 157 BGB. Danach sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist gemäß § 133 BGB ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung hatte und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (KassKomm/Wehrhahn, 116. EL September 2021, SGB X §53 Rn. 8 mwN)

Höhe der Vergütungskürzung nach § 129 SGB IX

Der Bundesgesetzgeber verpflichtet den Träger der Eingliederungshilfe mit § 129 Abs. 1 Satz 1 SGB IX die vereinbarte Vergütung zu kürzen, wenn der Leistungserbringer gegen gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen verstößt.

Kriterien für die Bestimmung des Kürzungsbetrages enthält das SGB IX nicht. Bei unzureichendem Personaleinsatz hält der Gesetzgeber eine Kürzung entsprechend der eingesparten Personalkosten für naheliegend (BT-Drs. 18/9522: 299).

Die Höhe der Kürzung soll gem. § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB IX einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien erfolgen. Dadurch sollen rechtliche Auseinandersetzungen vermieden werden (BT-Drs. 18/9522: 299).

Soweit keine Einigung über die Kürzungshöhe erfolgt, kann gem. § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB IX jede Vertragspartei die Schiedsstelle anrufen, deren Entscheidung nach § 126 Abs. 2 Satz 3 SGB IX dann wiederum sozialgerichtlich überprüft werden kann.  

Ob eine - rechtlich mögliche - konkrete Vorgabe zur Kürzungshöhe in den Landesrahmenverträgen oder den Vereinbarungen nach § 125 SGB IX sinnvoll ist, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Im Zivilrecht sind Vertragsstrafenregelungen zwar üblich, aber oft nicht flexibel und decken häufig nicht alle Leistungsstörungen ab.  

Das vom Gesetzgeber für Kürzungshöhen nach § 129 SGB IX gewählte Verfahren

  1. Herstellung von Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien,
  2. Schiedsstellenverfahren,
  3. Klage vor dem Sozialgericht ohne vorangehendes Widerspruchsverfahren

erscheint - auch vor dem Hintergrund der Dauer sozialgerichtlicher Verfahren - als eine zielführende und keine Vertragspartei benachteiligende Vorgehensweise.

Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen

Leistungsträger und Leistungserbringer stehen vor der Herausforderung, die bisher in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Komplexleistungen nach ihren Bestandteilen aufzuschlüsseln. Denn künftig wird der Träger der Eingliederungshilfe nur noch Fachleistungen der Eingliederungshilfe finanzieren.

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