Zwangspoolen im ambulanten Bereich
Mit dem BTHG wurde das Poolen von Leistungen (vgl. § 116 SGB IX) erstmals gesetzlich geregelt, wobei das Poolen nur bei Zumutbarkeit gestattet ist. Durch die Zumutbarkeitsprüfung entsteht jedoch für die leistungsberechtigte Person ein Rechtfertigungsdruck, weswegen wir auch von Zwangspoolen sprechen.
Gemäß Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll das Poolen von Leistungen lediglich die Praxis vor Inkrafttreten der 3. Reformstufe des BTHG in 2020 fortführen (vgl. Plenarprotokoll 18/175 vom 08.09.2016):
„[..] Das gemeinsame Erbringen von Leistungen an mehrere Leistungsberechtigte, also das sogenannte Pooling von Leistungen, ist nur möglich, soweit dies für den Leistungsberechtigten zumutbar ist. Dabei sind selbstverständlich die persönlichen, die familiären und auch die örtlichen Umstände zu berücksichtigen. Da aber auch heute schon Leistungen an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden können, wird davon ausgegangen, dass mit dieser Regelung die heutige Praxis grundsätzlich fortgeführt wird. Dementsprechend sind im Entwurf des Bundesteilhabegesetzes keine finanziellen Auswirkungen ausgewiesen.“
Bis Ende 2019 können Leistungen nur in stationären bzw. teilstationären Einrichtungen zwangsweise gepoolt werden (Heimprinzip) sowie im Bereich der Fahrdienste. Im ambulanten Bereich des selbstbestimmten Lebens und Wohnens existiert diese Praxis nicht.
Frage 1:
Wie wird durch die BTHG-Umsetzungsbegleitung und durch das BMAS sichergestellt, dass die Praxis des Poolens von Leistungen nicht auf den ambulanten Bereich ohne Zustimmung des Leistungsberechtigten ausgedehnt wird? Bitte beachten Sie bei der Beantwortung der Frage, dass die Unterscheidung zwischen stationär, teilstationär und ambulant mit dem BTHG abgeschafft wird.
Gemäß der Antwort in der BMAS-BTHG-FAQ zur Frage „Wie können umfangreiche Teilhabeleistungen und das Bremsen der Ausgabendynamik gleichzeitig erreicht werden?“ soll die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe durch eine effizientere Leistungserbringung verringert werden. Als ein Instrument der Effizienzsteigerung wird die „gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen“ genannt.
Frage 2:
Wie soll das Poolen von Leistungen die Ausgabendynamik bremsen, wenn gleichzeitig keine finanziellen Auswirkungen durch das Poolen erwartet werden (vgl. Plenarprotokoll 18/175 vom 08.09.2016)?
Antwort:
Zumutbarkeitsprüfung bei der gemeinsamen Inanspruchnahme als mühsam errungener Kompromiss
Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:
Die Frage, ob die gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt werden soll, wurde im Gesetzgebungsverfahren des BTHG ausführlich diskutiert. Letztlich hat man sich gegen einen Zustimmungsvorbehalt und einen anderen „Schutzmechanismus“ (Zumutbarkeitsprüfung) entschieden.
Um dem Anliegen der Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber aber ein deutliches Signal zum Schutz der Intimsphäre des Wohnens gesetzt. Nach § 104 Abs. 3. Satz 4 SGB IX n.F. dürfen „im Zusammenhang mit dem Wohnen stehende Assistenzleistungen im Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung“ außerhalb von besonderen Wohnformen nicht gegen den ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen gemeinsam erbracht werden.
Ob die Regelungen zur gemeinsamen Inanspruchnahme von Leistungen tatsächlich zu den befürchteten Verschlechterungen für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen führt, soll im Rahmen der modellhaften Erprobung nach Artikel 25 Abs. 3 BTHG ermittelt werden. Die Ergebnisse der modellhaften Erprobung sollen den Gesetzgeber in die Lage versetzen, hier ggf. noch gesetzgeberisch nachsteuern zu können.
Die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe soll durch eine Vielzahl von Maßnahmen zur Erhöhung der Steuerungsfähigkeit, darunter auch die gemeinsame Inanspruchnahme von Maßnahmen, gebremst werden. Ob und ggf. in welchem Umfang dies geschieht, soll durch die Finanzuntersuchung nach Artikel 25 Abs. 4 BTHG ermittelt werden.