Landesspezifische Regelungen
Am 23. Oktober 2019 wurde das „Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes“ (Nds. AG SGB IX/SGB XII) vom Niedersächsischen Landtag beschlossen. Das Gesetz ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Im August 2019 wurde eine Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes geschlossen. Die Vereinbarung gilt bis zum 31. Dezember 2021. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 wurde ein bis zum 31.12.2024 befristeter Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Niedersachsen für Erwachsene geschlossen. Eine Besonderheit Niedersachsens: Aufgrund der bei den örtlichen Trägern liegenden sachlichen Zuständigkeit lag die Federführung für die Übergangsvereinbarung für Kinder- und Jugendliche beim niedersächsischen Landkreistag sowie beim niedersächsischen Städtetag. Auch diese Übergangsvereinbarung wurde für die Zeit bis zum 31. Dezember 2021 abgeschlossen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 wurde ein weiterer Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Niedersachsen für Kinder und Jugendliche geschlossen, der ebenfalls bis zum 31.12.2024 befristet ist.
Träger der Eingliederungshilfe (§ 94 Abs. 1 SGB IX)
Gemäß § 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB IX in Niedersachsen sind die Landkreise und die kreisfreien Städte sowie die Region Hannover in ihrem gesamten Gebiet örtliche Träger der Eingliederungshilfe; überörtlicher Träger der Eingliederungshilfe ist das Land.
Die örtlichen Träger sind gemäß § 3 des Gesetzes sachlich zuständig für die Eingliederungshilfe an Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr bzw. bis zum Ende der Schulausbildung, falls diese erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgt. Im Anschluss daran ist der überörtliche Träger der Eingliederungshilfe sachlich zuständig.
Zur Durchführung der Aufgaben des überörtlichen Trägers der Eingliederungshilfe werden u.a. die örtlichen Träger der Eingliederungshilfe herangezogen.
Arbeitsgemeinschaften (§ 94 Abs. 4 SGB IX)
Nach § 94 Abs. 4 SGB IX wird bei dem für Eingliederungshilfe und Sozialhilfe zuständigen Ministerium eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. Die AG wirkt auf flächendeckende, bedarfsdeckende, am Sozialraum orientierte und inklusiv ausgerichtete Angebote von Leistungsanbietern hin und unterstützt die Träger der Eingliederungshilfe bei der Umsetzung ihres Sicherstellungsauftrages. Die Arbeitsgemeinschaft soll über § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB IX hinaus den Informationsaustausch, die Abstimmung und die Zusammenarbeit zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und der Sozialhilfe sowie den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, den Verbänden der privaten Leistungserbringer und den Vereinigungen von Leistungsberechtigten fördern.
Das Bedarfsermittlungsinstrument BedarfsErmittlung Niedersachsen (B.E.Ni) ist vom örtlichen Träger der Eingliederungshilfe seit dem 1. Januar 2018 für Leistungen in der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe anzuwenden. Für die Leistungen im eigenen Wirkungskreis der örtlichen Träger ist die Anwendung empfohlen worden.
Mit der 2018 veröffentlichten Arbeitsversion 2.0 des B.E.Ni wurde das Bedarfsermittlungsinstrument in das Teilhabe- und Gesamtplanverfahren eingebettet. Das Teilhabe- und Gesamtplanverfahren Niedersachsen einschließlich der Bedarfsermittlung wird in den Formularen F1 (Deckblatt), F2 (B.E.Ni Bögen A-D) und F3 (Ergebnisbogen/Feststellung der Leistungen) abgebildet. Zudem wurde ein Handbuch zur Anwendung der Formulare erstellt. Im B.E.Ni 3.0 wurden ab Mitte 2021 die rechtlichen Grundlagen vom SGB XII auf das SGB IX umgestellt und für die Zielplanung ein dreistufiges System, bestehend aus Leitzielen, Rahmenzielen und Ergebniszielen, als verpflichtend eingeführt. Des Weiteren wurden ein Formular zur Maßnahmenplanung der Leistungserbringer sowie ein einheitlicher Verlaufsbericht erstellt. Im Juli 2021 wurden zudem das Handbuch sowie Erklärfilme zum B.E.Ni veröffentlicht. Seit dem 3. April 2023 findet die Version 3.1 Anwendung, in der gesetzliche Neuerungen sowie Hinweise aller beteiligten Akteure, einschließlich den Leistungserbringern und der Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen, aufgenommen wurden (Landesamt für Soziales Nds. 2024a).
Budget für Arbeit (§ 61 Abs. 2 SGB IX)
Die Weiterentwicklung des Budgets für Arbeit erfolgte in Niedersachsen bereits zum 1. Juli 2017.
Der Lohnkostenzuschuss beträgt in Niedersachsen bis zu 75 Prozent des Arbeitnehmer-Bruttolohnes. Mit dem Ausführungsgesetz wird dem zuständigen Ministerium eingeräumt, einen nach oben abweichenden Prozentsatz durch Verordnung zu bestimmen (§ 19 Ausführungsgesetz Niedersachsen). Der Bewilligungszeitraum umfasst in der Regel zwei Jahre. Nach Maßgabe des fortgeschriebenen Gesamtplans sind bei fortbestehendem Bedarf (weitere) Verlängerungen (i. d. Regel jeweils auch zwei Jahre) möglich. Die Finanzierung der Leistungen für das Budget für Arbeit erfolgt aus Mitteln der Eingliederungshilfe. Bei Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft wird ein pauschaler Anteil in Höhe von 20 Prozent aus Mitteln der Ausgleichsabgabe übernommen. Die Übernahme von Fahrtkosten zum Erreichen des Arbeitsplatzes ist in Härtefällen, nach Abzug eines Eigenanteils, möglich. Darüber hinaus können Arbeitgeber für die ersten zwei Jahre des Budgets für Arbeit aus Mitteln der Ausgleichsabgabe einen Zuschuss in Höhe von monatlich 250 € pro bewilligtem Budget für Arbeit erhalten, wenn sie die gesetzliche Schwerbehinderten-Beschäftigungsquote ohne den im Rahmen eines Budgets für Arbeit geförderten Arbeitsplatz bereits erfüllen. Das Land Niedersachsen hat seit Herbst 2018 das Budget für Arbeit in fünf Modellregionen mithilfe eines Netzwerkes unterstützt und die Umsetzung eng verfolgt. Im Ergebnis wurden die Netzwerkarbeit sowie die Öffentlichkeitsarbeit als Kernelemente für eine erfolgreiche Umsetzung des Budgets für Arbeit erkannt und im Jahr 2023 als Kernaufgaben bei den Integrationsfachdiensten etabliert und personell mitbedacht (MS Niedersachsen 2024).
Andere Leistungsanbieter (§ 60 SGB IX)
Für die Leistungsform andere Leistungsanbieter hat Niedersachsen eine Mustervereinbarung und ein Merkblatt mit Ausgestaltungskriterien für Leistungen im Arbeitsbereich sowie eine Übersicht der einzureichenden Unterlagen für eine Antragstellung veröffentlicht. Gemäß den Kriterien ist eine Zulassung als anderer Leistungsanbieter in Niedersachsen, neben den gesetzlichen Vorgaben durch das BTHG, möglich, wenn u. a. keine Umwandlung bestehender WfbM zu einem anderen Leistungsanbieter stattfindet, maximal 60 Plätze im Arbeitsbereich angeboten werden, die für WfbM gestellten Anforderungen an die Personalausstattung erfüllt werden und die Einrichtung eines Fachausschusses bei jedem anderen Leistungsanbieter entsprechend der für die WfbM geltenden Regelungen erfolgt.
Nach Prüfung der Anträge als anderer Leistungsanbieter können Vereinbarungen gemäß §§ 123 Abs. 1 und 125 SGB IX zur Teilhabe am Arbeitsleben durch andere Leistungsanbieter mit entsprechenden Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen geschlossen werden. Die Vereinbarungen werden als Einzelvereinbarungen außerhalb des Landesrahmenvertrags geschlossen (Landesamt für Soziales Nds 2024b).
Abgrenzung der Kostenarten und -bestandteile und Methoden zur Festlegung der personellen Ausstattung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 5 SGB IX)
Nach § 8 Abs. 1 LRV Nds. werden Leistungspauschalen sowie ggf. weitere Vergütungsbestandteile zugrunde gelegt, die sich nachvollziehbar aus den vereinbarten Leistungen ableiten lassen müssen und auf einer einheitlichen Basis (kalendertäglich, monatlich oder nach Leistungseinheiten) zu kalkulieren sind. Die Leistungsberechtigten werden nach § 8 Abs. 3 LRV Nds. Gruppen mit einem vergleichbaren Bedarf zugewiesen. Daneben gelten einheitliche Leistungspauschalen für zehn unterschiedlichen Leistungstypen, die in Anlage 1 aufgeführt und Anlage 4 ausführlich beschrieben sind. Die personelle Ausstattung erfolgt jeweils detailliert für die einzelnen Leistungstypen. Die Bestandteile der Leistungspauschalen sind in § 9 und 10 LRV Nds. aufgeführt.
Zusammensetzung der Leistungspauschalen (§ 131 Abs. 1 Nr. 2,3 SGB IX)
Die Zusammensetzung der Leistungspauschalen ist - gegliedert nach Leistungstypen - in Anlage 4 des Landesrahmenvertrages Niedersachsen enthalten, die durch Anlage 6 LRV Nds. ergänzt wird.
Kostenarten und -bestandteile für den Bereich WfbM (§ 131 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX)
Unterschieden wird beim Leistungstyp Anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zwischen personeller und sächlicher Ausstattung, deren Bestandteile in Anlage 1 des LRV Nds. weiter ausgeführt werden.
Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen (§ 131 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX)
Leistungen werden gemäß § 17 Abs. 2 LRV Nds. grundsätzlich als ausreichend betrachtet, wenn der Bedarf in einer vergleichbaren Bedarfsgruppe gedeckt wird. Ihren Zweck erfüllen Leistungen gemäß § 17 Abs. 3 LRV Nds., wenn sie die im Rahmen des Gesamt- oder Teilhabeplanverfahrens ermittelten Ziele in geeigneter Form umsetzen. Gemäß § 17 Abs. 4 LRV Nds. sind Leistungen als wirtschaftlich zu betrachten, wenn den vorgegebenen Qualitätskriterien sowie dem Umfang entsprechen. Die Notwendigkeit einer Leistung wird in § 17 Abs. 5 LRV Nds erörtert. Die Qualität einer Leistung wird in § 18 LRV Nds. definiert und in Struktur-, Prozess-, sowie Ergebnisqualität unterteilt. Darüber hinaus werden in § 18 LRV Nds. Fragen der Verantwortlichkeit für Leistungen und Prozesse zum Umgang mit Leistungen, die nicht den Qualitätskriterien entsprechen, erläutert.
Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen (§ 131 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX)
Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX unterliegen bestimmten Maßgaben, die in § 20 LRV Nds. erörtert werden. Hierbei sind einerseits die Umsetzungsmaßgaben für Leistungserbringer hinsichtlich ihrer Freiheit in der Umsetzung der Leistung sowie die Mitteilungsverpflichtung bei vorhersehbarer Notlage in der Leistungserbringung zu beachten sowie andererseits die Rahmenbedingungen und -Prozesse im Falle eines Prüfverfahrens.
Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen (§ 131 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX)
Im Rahmen des Verfahrens der individuellen Leistungsvereinbarung wird dem Leistungsträger vom Leistungserbringer ein Leistungs- und Vergütungsangebot unterbreitet. Hierbei können die Teilvereinbarungen hinsichtlich Laufzeit, Befristung und Kündigung unterschiedlich sein; die Laufzeit der Leistungsvereinbarung kann regelmäßig länger sein als die Vergütungsvereinbarung. Separate Verhandlungen über die Vergütung werden ermöglicht. Nach Prüfung des Leistungs- und Vergütungsangebotes durch den Leistungsträger erfolgt eine schriftliche Annahmebestätigung oder ein Hinweis mit Alternativen zur Änderung des Leistungs- und Vergütungsangebotes (§§ 4-6 LRV Nds.).
Gemäß § 17 Nds. AG SGB IX i. V. mit § 12 Abs. 2 ist der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen die maßgebliche Interessenvertretung.
Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen ist der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, der insoweit nur durch das vorsitzende Mitglied und die Mitglieder nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetzes handelt. Gemäß § 15 Nds. AG SGB IX ist die Interessenvertretung als stimmberechtigtes Mitglied in die Arbeitsgemeinschaft nach § 94 Abs. 4 AG SGB IX eingebunden. Im Rahmen der Schiedsstelle nach § 133 SGB IX ist der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen gemäß § 4 Schiedsstellenverordnung Nds. (SchVO-SGB IX) beratend eingebunden.
Die „Verordnung über die Schiedsstelle nach § 133 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs für das Land Niedersachsen“ (SchVO-SGB IX) ist am 26. September 2019 in Kraft getreten. Die Geschäftsstelle ist gemäß § 1 Abs. 1 SchVO beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie angesiedelt. Ihre Mitglieder setzen sich gemäß § 2 Abs. 1 SchVO-SGB IX im Bereich der Leistungserbringer aus drei Vertretungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und einer Vertretung der Verbände der privaten Leistungserbringer zusammen. Seitens der Leistungsträger setzen sie sich aus zwei Vertretungen der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens und zwei Vertretungen des für Soziales zuständigen Ministeriums zusammen. Jedes Mitglied kann bis zu zwei Stellvertretungen benennen. Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen kann gemäß § 4 SchVO-SGB IX mit bis zu zwei Vertretungen beratend an den Sitzungen teilnehmen.
Stadt Oldenburg
Von Januar 2018 bis Dezember 2021 führte die Stadt Oldenburg ein Modellprojekt zur Erprobung folgender Regelungsbereiche des BTHG durch:
- Einkommens- und Vermögensanrechnung
- Umsetzung des Rangverhältnisses zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflege
- gemeinschaftliche Leistungserbringung
- Abgrenzung der neuen Leistungen der Eingliederungshilfe
Landesamt für Soziales Nds. (2024a): Das Gesamt- und Teilhabeplanverfahren in Niedersachsen einschl. der BedarfsErmittlung Niedersachsen. In: Landesamt für Soziales Nds. (15.10.2024).
Landesamt für Soziales Nds. (2024b): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Andere Leistungsanbieter. In: Landesamt für Soziales Nds. (15.10.2024).
MS Niedersachsen (2024): Budget für Arbeit. In: MS Niedersachsen (15.10.2024).
Stand: November 2024
Materialien zum Download
Ausführungsgesetz
Das am 23. Oktober 2019 vom Niedersächsischen Landtag beschlossene „Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes“ können es hier herunterladen:
Materialien zum Download
Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX
Den Landesrahmenvertrag zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Niedersachsen für Erwachsene nebst Anlagen finden Sie hier:
Materialien zum Download
Landesrahmenvertrag nach § 131 SGBG IX (Kinder und Jugendliche)
Den Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Niedersachsen für Kinder und Jugendliche finden Sie hier: