2.1 Sicherstellungs- und Hinwirkungspflicht der Träger
Nach § 12 Abs. 1 SGB IX haben die Rehabilitationsträger durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ein Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt und auf eine Antragstellung der Leistungsberechtigten hingewirkt wird.
Bereits nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I sind die Rehabilitationsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. Die Erkennung und die Hinwirkung in § 12 Abs. 1 SGB IX betreffen den Bedarf eines behinderten Menschen an Leistungen zur Teilhabe in seiner Gesamtheit und nicht nur begrenzt auf die jeweiligen Leistungsgesetze. Damit werden die allgemeinen Pflichten der Sozialleistungsträger, die sich aus dem SGB I ergeben, wie z. B. die Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I, die Beratungspflicht nach § 14 SGB I, die Auskunftspflicht zu Sozialleistungen nach § 15 SGB I oder die Hinwirkungspflicht auf die Stellung sachdienlicher Anträge nach § 16 Absatz 3 SGB I, deutlich erweitert7.
Es bleibt der Organisationsverantwortung der Rehabilitationsträger und ihrer Selbstverwaltung überlassen festzulegen, welche Maßnahmen geeignet sind und wie diese inhaltlich ausgestaltet werden. Nach der Begründung zu § 12 Abs. 1 SGB IX sind organisatorische Vorkehrungen oder Qualifizierungsmaßnahmen, die die frühe Erkennung von Rehabilitationsbedarfen unterstützen, denkbar. Besonders wichtig seien – in Entsprechung zur einfachen Gestaltung und Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke in § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I – auch geeignete Antragsformulare, die sowohl den Fallbearbeitern als auch den potenziell Leistungsberechtigten die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen nahelegen und erleichtern. Implizit oder direkt leistungsverengende Verfahren, Abläufe und Auskünfte seien demgegenüber pflicht- und rechtswidrig. Die Leistungsberechtigten können sich demnach gegenüber den Rehabilitationsträgern auf die Hinwirkungspflicht nach § 12 SGB IX berufen, falls auf die Möglichkeit einer Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe pflichtwidrig nicht hingewiesen wurde oder wenn Antragsformulare den fehlerhaften Eindruck erwecken würden, die Nichtzuständigkeit eines Leistungsträgers für eine bestimmte Teilhabeleistung sei gleichbedeutend mit einem Leistungsausschluss8. Soweit dem Berechtigten daraus ein Nachteil entsteht, könnte dadurch auch ein öffentlich-rechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen.
Die Erweiterung der Hinwirkungspflichten im Zusammenhang mit der frühzeitigen Bedarfserkennung müsste für alle Träger von Teilhabeleistungen Anlass sein, ihre Antragsverfahren und Antragsvordrucke zu überprüfen und ggf. weiter zu entwickeln, da diese durchaus nicht immer den gesetzlichen Vorgaben gerecht werden und verschiedentlich durchaus Defizite enthalten.