Mit Inkrafttreten der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zum 1. Januar 2020 wurde der Systemwechsel in der Eingliederungshilfe vollzogen. Alle an der Umsetzung des Gesetzes beteiligten Akteure blicken auf vier Jahre intensiver Vorbereitung und tiefgreifende Veränderungen zurück. Nun gilt es, die neue Rechtslage anzuwenden, Unsicherheiten auszuräumen und neue Formen der Zusammenarbeit zu etablieren.
Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg und das Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG luden Beteiligte aus allen Bereichen des sozialrechtlichen Dreiecks ein, in diesem herausfordernden Umsetzungsprozess einen Moment inne zu halten. Im Rahmen dieser Regionalkonferenz zogen Vertreterinnen und Vertreter der Träger der Eingliederungs- und Sozialhilfe, der Leistungserbringer, der Organisationen der Menschen mit Behinderungen und der Akteure des Betreuungswesens Bilanz zur Umsetzung des BTHG in Baden-Württemberg. Im Fokus standen Umsetzungserfahrungen sowie aktuelle Herausforderungen.
Themen der Fachforen
Forum 1 Bedarfsermittlung: Der Mensch steht im Mittelpunkt
Zu Beginn des Forums erläuterte Prof. Dr. Torsten Schaumberg, Hochschule Nordhausen, in einem Impulsvortrag, wie die Intention des BTHG den Prozess der Gesamtplanung im Allgemeinen und die Bedarfsermittlung im Besonderen prägt und welche Änderung für die Praxis daraus resultieren. Anschließend berichteten Ekaterina Gusakova und Harald Goldbach vom Rems-Murr-Kreis von den Erfahrungen eines Leistungsträgers mit der individuellen, dialogorientierten Bedarfsermittlung und Gesamtplanung sowie über die dafür notwendigen strukturellen Voraussetzungen im Landratsamt, der Qualifikation der Beschäftigten und von weiteren Erfolgsfaktoren.
In den vorab aufgezeichneten Vorträgen haben Vertreterinnen und Vertreter der Leistungserbringer und der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen von Ihren Erfahrungen mit der Anwendung des BEI_BW und der Umsetzung des Gesamtplanverfahrens berichtet. Die Teilnehmenden diskutierten in digitalen Arbeitsgruppen, wie Bedarfsermittlung im Dialog gelingt und die Personenzentrierung im Gesamtplanverfahren sichergestellt werden kann.
Forum 2.1 Sozialplanung und Sozialraumorientierung: Qualifizierte Angebote vor Ort
In einem einführenden Vortrag erläuterte Prof. Dr. Herbert Schubert, Inhaber von Sozial – Raum – Management – Büro für Forschung und Beratung, die Eckpunkte einer sozialraumorientierten Eingliederungshilfe und ihre Verankerung im SGB IX. Er vertiefte, welche Aufgaben die Länder, die Kommunen und die Leistungserbringer für die Entwicklung des sozialräumlichen Angebots haben und geht auf Chancen der Zusammenarbeit ein.
In den vorab aufgezeichneten Vorträgen haben Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsträger, der Leistungserbringer und des Landes ihr Verständnis von und ihre Ansätze für den Ausbau sozialraumorientierter Angebote vermittelt. Die Teilnehmenden diskutierten über ihre Erwartungen bzgl. der Entwicklung einer sozialraumorientierten Eingliederungshilfe und ihre Erfahrungen mit der Realisierung von Angeboten im Spannungsfeld zwischen Wohnortnähe und spezialisierter Versorgung.
Forum 2.2 Vom Bedarf zur Leistung: Neue Angebote im Sozialraum entwickeln
Das Forum baute auf dem Forum 2.1 auf. Zu Beginn berichten drei Kommunen anhand von Beispielen aus der Praxis, wie man vom Bedarf zur Leistung kommt. Sie erläuterten ihre Ansätze für sozialraumorientierte Eingliederungshilfe. Die Vertreterinnen und Vertreter gingen auf Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Angebote im Sozialraum ein sowie über deren Finanzierungsmodelle.
Im Anschluss diskutierten die Teilnehmenden in Arbeitsgruppen wie Prozesse aussehen können, um ausgehend von einem bestehenden Bedarf im Sozialraum ggf. durch die Entwicklung neuer Leistungen Lösungen zu finden.
Forum 3 Qualität, Wirksamkeit, Evaluation, Monitoring: Auf der Suche nach Indikatoren für Teilhabe
Das Forum bot eine Grundlage, ein gemeinsames Verständnis angebotsbezogener Wirksamkeit in Abgrenzung zu individueller Wirkung und Ergebnisqualität zu entwickeln. Sebastian Ottmann, Evangelische Hochschule Nürnberg, grenzte die Begrifflichkeiten Wirkung, Qualität und Wirksamkeit zunächst aus der sozialwissenschaftlichen Sicht ab und erläuterte den Nutzen von wirkungsorientiertem Arbeiten. Anschließend stellte Johannes Blaurock, Stiftung Haus Lindenhof, das dort genutzte Modell für ein wirksamkeitsorientiertes Monitoring vor.
In den vorab aufgezeichneten Vorträgen haben Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsträger, -erbringer und der Menschen mit Behinderungen Anforderungen und Erwartungen an qualitätsvolle und wirksame Leistungen und die Ermittlung von deren Wirksamkeit skizziert. In digitalen Teilgruppen diskutierten die Teilnehmenden anschließend, wie Indikatoren ermittelt und Wirkannahmen dafür formuliert werden können, welche Messmethoden möglich sind und wie ein Monitoring zur Ermittlung der Wirksamkeit von Leistungsangeboten begonnen werden kann.
Forum 4.1 Wege aus der Werkstatt: Budget für Arbeit und andere Ansätze
Das Forum beleuchtete die Leistungen des SGB IX, die Menschen mit Behinderungen beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen sollen, und das landeseigene Förderprogramm „Arbeit inklusiv“. Das Forum wurde von Martina Hempel von den Ostalb Werkstätten eröffnet. In einem Kurzvortrag erläuterte sie die bisherigen Erfahrungen mit den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und dem landeseigenen Programm sowie die Erfolgsfaktoren für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
In den vorab aufgezeichneten Vorträgen haben Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsträger, LAG Werkstatträte und ein/e Budgetnehmer/in ihre Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen mit dem Budget für Ausbildung und für Arbeit erläutert. Die Teilnehmenden diskutierten anschließend welche Strukturen und Maßnahmen vorhanden sein oder verbessert werden müssen, damit die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt möglich machen.
Forum 4.2 Frauenbeauftragte in Werkstätten
Das Forum wurde mit einem Vortrag von Barbara Götz, Fetz – Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart, eröffnet. Sie berichtete zum baden-württembergischen Projekt, das die Anbindung der Frauenbeauftragten in den WfbM an bestehende Anlaufstellen für Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, fördert.
In den vorab aufgezeichneten Vorträgen haben eine Frauenbeauftragte und Vertreterinnen und Vertreter der LAG WfbM zu ihren bisherigen Erfahrungen berichtet. Die Teilnehmenden diskutierten im Anschluss, wie die Vernetzung der Frauenbeauftragten untereinander und mit anderen Netzwerken gefördert werden kann, welche Qualifizierungsangebote sinnvoll sind und welche Maßnahmen Werkstätten ergreifen müssen, um insbesondere Frauen vor Übergriffen zu schützen.
PROGRAMM
Stand: 15. November 2021