Seit der bundesweiten Einführung des Budgets gab es noch keine umfassende Evaluation, obwohl sie auf Länderebene zum Teil vorgeschrieben ist. Vor diesem Hintergrund der insgesamt noch schlechten Datenlage entstand das Forschungsprojekt „Partizipatives Monitoring der aktuellen Entwicklung des Reha- und Teilhaberechts bis 2021“. Beteiligt sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, die Universität Kassel, das Zentrum für Sozialforschung in Halle e.V. und die Deutscher Vereinigung für Rehabilitation e.V. Den Umsetzungstand des Budgets für Arbeit in Berlin untersuchten Lea Mattern, Dr. Tonia Rambausek-Haß und Prof. Dr. Gudrun Wansing von der Humboldt-Universität im Rahmen einer qualitativ-explorativen Studie.
Wissenschaftliche Methodik
Zur Ermittlung des Umsetzungsstands des Budgets für Arbeit wurden von September bis Dezember 2019 fünf Fokusgruppen und zwei Einzelinterviews mit insgesamt 44 Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedener Akterusgruppen durchgeführt. Ziel war es, alle Perspektiven der an der Umsetzung des Budgets für Arbeit beteiligten Akteure abzubilden.
Die Ergebnisse der Studie veröffentlich und diskutiert die Humboldt-Universität in drei Beiträgen. Der erste Beitrag nimmt zunächst die empirischen Befunde zu Budget-spezifischen Anspruchsvoraussetzungen und Zugängen in den Blick. Der zweite Beitrag thematisiert die konkrete Ausgestaltung des Budgets, wobei der Fokus auf sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen, der Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Anleitung und Begleitung sowie dem Lohnkostenzuschuss (LKZ) liegt. Der dritte Beitrag wird fördernde sowie hemmende Faktoren zusammenfassen und daraus Handlungsempfehlungen ableiten.
Veröffentlicht sind bereits die ersten beiden Teile der Studie. Diese können auf der Website des Diskussionsforums Rehabilitations- und Teilhaberecht eingesehen werden.
Die vollständigen Beiträge finden Sie hier:
Das Budget für Arbeit: Ausgewählte Ergebnisse einer explorativen Studie zu seiner Umsetzung – Teil I: Anspruchsvoraussetzungen und Zugang
Das Budget für Arbeit: Ausgewählte Ergebnisse einer explorativen Studie zu seiner Umsetzung – Teil II: Ausgestaltung und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen
Empirische Befunde Teil 1: Anspruchsvoraussetzungen und Zugang
Im ersten Teil wurden die Studienteilnehmenden nach ihrem Wissen und ihren Erfahrungen zu den Anspruchsvoraussetzungen sowie zum Zugang zum Budget für Arbeit befragt.
Anspruchsvoraussetzungen
Die Fokusgruppengespräche und Interviews im Rahmen der Berliner Studie offenbaren insgesamt Unsicherheiten der beteiligten Personen im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen für das Budget für Arbeit. Unter anderem gingen Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsträger fälschlicher Weise davon aus, dass für die Bewilligung eines Budgets zunächst der Eingangs- und Berufsbildungsbereich der WfbM durchlaufen werden müsse. Deutlich sei auch geworden, dass in der Praxis die volle und dauerhafte Erwerbsminderung als Anspruchsvoraussetzung gesehen wird. Liegt keine Erwerbsminderung vor, wird der Antrag gegebenenfalls abgelehnt.
Zugang zum Budget für Arbeit
Die Aussagen der Studienteilnehmenden zeigen, dass die Arbeitsvermittlung unzureichend funktioniert. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bemängelten, dass eine solche systematische Vermittlung fehle. Der Zugang zu Arbeitgebern werde vor allem über persönliche Kontakte hergestellt.
Der Zugang zum Budget über Praktika und Außenarbeitsplätze wurde von den Teilnehmenden unterschiedlich bewertet. Kritisch gesehen wurde auch die Rolle der WfbM. Diese habe nicht immer ein Interesse, den Außenarbeitsplatz in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis umzuwandeln.
Empirische Befunde Teil 2: Ausgestaltung und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen
Im zweiten Teil werden die Erkenntnisse zur konkreten Ausgestaltung (Lohnkostenzuschuss, Anleitung und Begleitung) sowie sozialversicherungsrechtlicher Aspekte des Budgets dargestellt.
Ausgestaltung des Budgets für Arbeit
Der Lohnkostenzuschuss wurde von Leistungsberechtigten als eine Art Entlastung angesehen, der helfen könne, potentielle Arbeitgeber zu überzeugen. Die Mehrheit der interviewten Arbeitgeber äußerte jedoch, dass der Zuschuss zum Ausgleich der Leistungsminderung allein nicht ausschlaggebend sei, wenn sie einen Menschen mit Behinderungen einstellen. Dennoch sei er ein willkommener Bonus. Einige Teilnehmende kritisierten die allgemein geringen Löhne für Budgetnehmende, woraus ein geringer Zuschuss resultiere.
Mit dem Ausgleich von Aufwendungen für Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz haben die Teilnehmenden unterschiedliche Erfahrungen gemacht, da gesetzlich nicht geregelt wurde, wer diese Leistung durchführt.
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Ein Großteil der Befragten sahen einen Ausschluss von Budgetnehmenden aus der Arbeitslosenversicherung kritisch. Mit dem Ausschluss würden Leistungen wie bspw. die Vermittlung oder auch die Finanzierung von Umschulungen wegfallen. Leistungsträger hingegen begründeten den Ausschluss durch die dauerhafte Erwerbsminderung.
Das Rückkehrrecht in die WfbM wurde von den meisten der Teilnehmenden positiv bewertet, da dadurch den Budgetnehmenden die Wahl gelassen werde.
Die rentenrechtlichen Regelungen wurden sehr unterschiedlich wahrgenommen. Einige Teilnehmenden berichteten von großen Bedenken und Unsicherheiten bei den Leistungsberechtigten und beklagten die unzureichende Informationsvermittlung. Helfen könnten Informationsmaterialien mit Modellrechnungen, aus denen die finanziellen Auswirkungen des Budgets für Arbeit hervorgehen. Andere Befragte schilderten dagegen, dass mögliche Abzüge bisher kein Hinderungsgrund für WfbM-Beschäftigte gewesen seien.