Werden die gesetzgeberischen Ziele mit dem BTHG erreicht? Und welche Veränderungsbedarfe entstehen eventuell? Diese Fragen soll eine Untersuchung beantworten, die von 2017 bis Dezember 2024 die Implementation der reformierten Eingliederungshilfe wissenschaftlich aufarbeitet. Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden Vorschriften, die in der Fachöffentlichkeit und bei den Verbänden kontrovers diskutiert wurden, u. a. die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Leistungserbringung.
Zur Vorbereitung dieser Untersuchung wurde eine Machbarkeitsstudie durch das BMAS in Auftrag gegeben, die vom Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) durchgeführt wurde und deren Endbericht im September 2018 vorgelegt wurde.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wurde die Hauptuntersuchung zur Wirkungsprognose im April 2019 an eine Bietergemeinschaft bestehend aus infas und dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) vergeben. Das Forschungsprojekt besteht einerseits aus einer Implementationsanalyse, die die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen auf den beteiligten Steuerungsebenen mittels Interviews mit Verantwortlichen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene untersucht. Andererseits besteht es aus einer Wirkungsbetrachtung, die die Teilhabesituation der Menschen mit Behinderungen in den Blick nimmt und hierfür Befragungen mit Betroffenen durchführt.
Da in vielen Bundesländern noch Übergangsvereinbarungen zu rahmenvertraglichen Inhalten nach § 131 SGB IX bis Ende 2022 oder darüber hinaus bestehen, konnten im ursprünglichen Projektzeitraum wichtige Fragestellungen nicht hinreichend untersucht werden. Der Untersuchungszeitraum wurde somit für zwei weitere Jahre bis Ende 2024 verlängert.
Ein Zwischenbericht zur Wirkungsprognose wurde im Rahmen des Berichts des BMAS zum Stand und zu den Ergebnissen der Maßnahmen nach Art. 25 Abs. 2 bis 4 BTHG Ende 2022 veröffentlicht.
In den Jahren 2017 bis 2021 wurden wesentliche Vorschriften des künftigen Rechts durch 30 teilnehmende Träger der Eingliederungshilfe modellhaft erprobt. Geltende und künftige Vorschriften wurden für einen repräsentativen Fallbestand parallel angewendet. So wurden Erkenntnisse generiert, inwieweit der durch das BTHG eingeleitete Systemwechsel gelang, und wo Verbesserungsbedarf besteht. Die modellhafte Erprobung wurde durch die Firma Kienbaum Consultants International GmbH wissenschaftlich begleitet.
Am 13. und 14. September 2018 kamen in Berlin Vertreterinnen und Vertreter von Leistungsträgern zu einem Vernetzungstreffen zusammen, die sieben verschiedene Regelungsbereiche des BTHG erproben. Im Zentrum stand der Austausch über den Stand der Modellprojekte, bestehende Herausforderungen und Lösungsansätze sowie der Wissenstransfer.
Am 5. November 2018 legte die Firma Kienbaum den ersten Zwischenbericht (PDF-Dokument, 1.2 MB) vor. Anfang 2019 konnten bereits erste Themen für die Nachsteuerung im Änderungsgesetz identifiziert werden.
Der zweite Zwischenbericht (PDF-Dokument, 4.6 MB)(August 2019) enthält erste punktuelle Ergebnisse und Tendenzen zu den untersuchten Reglungsbereichen, die auf einem zweiten Vernetzungstreffen im September 2019 vorgestellt wurden.
Die wissenschaftliche Untersuchung soll bis zum 30. Juni 2022 abgeschlossen sein.
Weitere Informationen zur Modellhaften Erprobung finden Sie hier.
Informationen zu den einzelnen Modellprojekten finden Sie auf den Seiten zum Umsetzungsstand des jeweiligen Bundeslandes.
Wie sich die Änderungen des BTHG finanziell auswirken, wurde von 2017 bis 2021 untersucht. Die jährlichen Einnahmen und Ausgaben der Eingliederungshilfe wurden hinsichtlich der finanziellen Folgen von u. a. veränderter Einkommens- und Vermögensanrechnung, Einführung des Budgets für Arbeit und anderer Leistungsanbieter betrachtet.
Der Auftrag zur Untersuchung der finanziellen Auswirkungen erfolgte im ersten Halbjahr 2018. Das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) wurde vom BMAS mit der Erstellung einer Vorstudie zur „Schaffung einer Datengrundlage für die Finanzuntersuchung nach Art. 25 Absatz 4 BTHG“ beauftragt. Auf Grundlage der Projektergebnisse hat das BMAS im Juli 2018 das ISG mit der Durchführung der bis zum Jahr 2022 laufenden Hauptstudie beauftragt.
In vielen Bundesländern bestanden bzw. bestehen bis Ende 2022 oder darüber hinaus Übergangsvereinbarungen zur Umsetzung des BTHG. Dadurch konnten Teilbereiche der Evaluation im ursprünglichen Projektzeitraum nicht hinreichend untersucht werden. Der Untersuchungszeitraum wurde somit für zwei weitere Jahre bis Ende 2024 verlängert.
Einen Zwischenbericht veröffentlichte das ISG Ende 2022 im Rahmen des Berichts des BMAS zum Stand und zu den Ergebnissen der Maßnahmen nach Art. 25 Abs. 2 bis 4 BTHG (PDF-Dokument).
Wie wirkt sich die Orientierung an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe aus? Und inwieweit verändern die Neuregelungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) den bisher leistungsberechtigten Personenkreis? Die im BTHG vorgebrachte Neukonzipierung zum leistungsberechtigten Personenkreis in § 99 SGB IX nach Art. 25 a BTHG bedarf weiterer Regelungen. Sie wurde zunächst im Rahmen des Abschlussberichts (PDF-Dokument) zur Wirkungsprognose von Artikel 25a § 99 BTHG seitens des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (ISG), transfer - Unternehmen für soziale Innovation, Prof. Dr. Felix Welti und Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann als nicht tragfähig eingestuft (ISG, 2018a).
Einerseits bleibt bei der Anwendung verschiedener Berechnungsvarianten anhand der ICF eine Restgruppe, die unterschiedlich groß ausfällt, aber nicht gänzlich aufgelöst werden kann und aus dem leistungsberechtigten Personenkreis herausfallen könnte (BT-Drs. 19/4500: 89). Zugleich könnte eine Personengruppe hinzukommen, die aktuell keine Leistungen der Eingliederungshilfe bezieht (ebd.: 90).
Partizipativer Beteiligungsprozess des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)
Das BMAS startete im vierten Quartal 2018 einen partizipativen Beteiligungsprozess (PDF-Dokument), um Kriterien zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises zu erarbeiten (BT-Drs. 19/3592: 48). Die daraufhin einberufende Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis in der Eingliederungshilfe“ (AG LPE) erarbeitete neben Kriterien eine neue Verordnung zur Konkretisierung des Zugangs zu Leistungen (VOLE). § 99 SGB IX wurde daraufhin im Juli 2021 nach den Hinweisen der AG LPE vom Gesetzgeber angepasst. Der Verordnungsentwurf (VOLE) orientiert sich in seiner Struktur an der aktuell geltenden EinglHV und lehnt sich in seinem Wortlaut an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sowie die ICF an. Zur Klärung der verbliebenen offenen Fragen wurde ein Folgeprozess aufgesetzt, dessen Kern eine Vorabevaluation des Verordnungsentwurfs bilden soll, die darauf abzielt, die Auswirkung der VOLE auf den leistungsberechtigten Personenkreis zu analysieren.
Vorabevaluation des Verordnungsentwurfs zum leistungsberechtigten Personenkreis
Im Januar 2024 wurde die Vorabevaluation des Entwurfs der „Verordnung über den Leistungszugang in der Eingliederungshilfe“ (VOLE) vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht.
Das Ergebnis der Studie besagt, dass sich durch die Anpassung des Behinderungsbegriffs an UN-BRK und die ICF der leistungsberechtigte Personenkreis rechtlich nicht verändert. Allerdings weist die Untersuchung darauf hin, dass die Anwendung der Eingliederungshilfe-Verordnung (EnglHV) in der Praxis durch eine heterogene Arbeitsweise der Verwaltungen einschließlich der damit verbundenen Arbeitsanweisungen, durchaus unterschiedlich sein kann. Darüber hinaus kann die Einführung neuer medizinischer Rechtsbegriffe mit der VOLE eine Rechtsklarheit sowie eine einheitliche Rechtsanwendung bewirken, sofern die Anwendung der neuen medizinischen Rechtsbegriffe in der Umsetzung verändert wird. Das BMAS wird weiter daran arbeiten und Formulierungen schärfen, damit eine heterogene Arbeitsweise möglichst ausgeschlossen werden kann.