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FD Andere Leistungsanbieter

21. Oktober bis 13. Dezember 2019

Andere Leistungsanbieter

Seit 2018 gibt es mit dem BTHG für Menschen mit Behinderungen eine Alternative zur beruflichen Bildung und Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM): die sogenannten anderen Leistungsanbieter (§ 60 SGB IX).

Anbieter können sowohl im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich (§ 57 SGB IX) als auch im Arbeitsbereich von Werkstätten (§ 58 SGB IX) Leistungen erbringen, ohne alle Anforderungen einer WfbM erfüllen zu müssen. Allerdings lassen sich knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Teils des BTHG bundesweit nur wenige Anbieter ausfindig machen. Zudem bietet ein Großteil von ihnen ausschließlich Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich an (REHADAT 2019).

Schwerpunkte der Diskussion

Zulassungsvoraussetzungen:

  • Welche Voraussetzungen müssen interessierte Anbieter erfüllen?
  • Welche Unterschiede gibt es zwischen den Bundesländern?
  • Was könnte sich mit den aktuellen Gesetzentwürfen „Gesetz zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ sowie „Angehörigen-Entlastungsgesetz“ zur Hinzunahme zweier weiterer Ausnahmen (§ 60 Abs. 2 Nr. 7 und 8) verändern?

Zulassungsverfahren:

  • Wie läuft das Zulassungsverfahren ab?
  • Welche Aspekte haben sich als Hindernisse für interessierte Anbieter erwiesen, die das Zulassungsverfahren abgebrochen haben oder denen die Zulassung verweigert wurde?

Zusammenarbeit:

  • Welche positiven wie negativen Erfahrungen haben Leistungsträger und andere Leistungsanbieter bisher in der Zusammenarbeit gemacht?
  • Gibt es Best-Practice-Beispiele, wie Leistungsberechtigte und Träger auf dem Weg zur Anerkennung als anderer Leistungsanbieter zusammengearbeitet haben?

Ausrichtung und Kommunikation:

  • Ist die Leistung bei den Menschen mit Behinderungen angekommen?
  • Für welche Zielgruppen können andere Leistungsanbieter besonders attraktiv sein? Welche Rahmenbedingungen müssten Angebote für diese speziellen Zielgruppen erfüllen?
  • Wie werden vorhandene Arbeitsplätze bisher kommuniziert?

Zuverdienstprojekte:

  • Welche Überlegungen bzw. konkreten Schritte haben Sie als Anbieter hinsichtlich der Problematik des Wegfalls der Anspruchsgrundlage für Zuverdienstmöglichkeiten §§ 53 Abs. 3 und 54 Abs. 1 SGB XII vorgenommen?
  • Reichen für die Umwandlung zu einem anderen Leistungsanbieter die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen zur WfbM aus?
Hintergrundinformationen

Andere Leistungsanbieter im BTHG

Andere Leistungsanbieter sind „Anbieter beruflicher Bildung oder Beschäftigung wie die WfbM“ (BAGüS 2017: 5). Sie erbringen ihre Leistungen vollständig oder teilweise in Form von Leistungsmodulen und bieten Menschen mit Behinderungen mehr Wahlfreiheit (dazu § 62 SGB IX) bzgl. der Art sowie des Ortes ihrer Beschäftigung. Zudem können Werkstattbeschäftigte, die sich für Leistungen bei einem anderen Leistungsanbieter entschieden haben, jederzeit wieder in die WfbM zurückkehren (§ 220 Abs. 3 SGB IX).

Um Leistungen als anderer Leistungsanbieter zu erbringen, müssen sie Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen mit dem jeweils zuständigen Leistungsträger (entweder mit dem Träger der Eingliederungshilfe oder der Bundesagentur für Arbeit) abschließen (§§ 123ff. SGB IX). Zur Sicherung der Qualität und Mitbestimmung der Leistungsträger gelten für den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung die Vorschriften der WfbM – bis auf sechs Ausnahmen (§ 60 Abs. 2 SBG IX):

  • Andere Leistungsanbieter benötigen keine förmliche Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 225 SGB IX. Sie sind dennoch dazu verpflichtet, Vereinbarungen mit den Reha-Trägern abzuschließen.
  • Sie bedürfen weder einer Mindestplatzzahl von 120 Plätzen noch einer sächlichen und räumlichen Mindestausstattung (s. §§ 7 und 8 WVO) (§ 60 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX). Somit wird auch kleineren Leistungsanbietern mit weniger Plätzen und/oder mit örtlich flexibleren Leistungsformaten eine Chance eingeräumt. Hierunter fallen andere Leistungsanbieter, die Maßnahmen nicht in eigenen Räumlichkeiten anbieten, sondern auf Plätze in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Form von „ausgelagerten Bildungs- und Arbeitsplätze“ ausweichen.
  • Im Gegensatz zur WfbM können andere Leistungsanbieter ihr Leistungsangebot auf einzelne Leistungen nach §§ 57 oder 58 SGB IX oder auf Teile solcher Leistungen beschränken.
  • Es ist keine Aufnahmeverpflichtung vorgesehen. Sie können daher, im Gegensatz zur WfbM, frei entscheiden, ob sie leistungsberechtigte Personen aufnehmen möchten. Anderen Leistungsanbietern wird dadurch auch die Möglichkeit der Spezialisierung geboten.
  • In § 60 Abs. 2 Nr. 5 und 6 SGB IX sind angesichts fehlender Vorgaben für die Mindestgröße des Anbieters spezielle Regelungen hinsichtlich der Mitbestimmung durch Werkstatträte und Frauenbeauftrage in Anlehnung an § 9 BetrVG vorgesehen.

Zudem sind in den Gesetzentwürfen des nun abgestimmten „Gesetz zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ sowie im „Angehörigen-Entlastungsgesetz“ zwei weitere Ausnahmen angelegt (Deutscher Bundestag 2019a: 7; Deutscher Bundestag 2019b: 12f.).

Laut Entwürfe sehen die Änderungen wie folgt aus:

  • § 60 Abs. 2 Nr. 7 besagt danach, dass Regelungen zur Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe und zur bevorzugten Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand nicht anzuwenden sind.
  • In § 60 Abs. 2 Nr. 8 wiederum soll bei anderen Leistungsanbietern, die ausschließlich Leistungen nach den §§ 57 oder 58 in betrieblicher Form erbringen, ein besserer Personalschlüssel als der in § 9 Absatz 3 der WVO für den Berufsbildungsbereich oder für den Arbeitsbereich in einer WfbM festgelegte Schlüssel angewendet werden.

Zielsetzung der Leistung

Ein wesentliches Ziel des BTHG ist es, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen personenzentriert weiterzuentwickeln. Anreize auf persönlicher und institutioneller Ebene sollen Menschen mit Behinderungen unterstützen, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen (BT-Drs. 18/9522: 191). Dabei „sollen vor allem den Menschen mit Behinderungen, die heute einen Anspruch auf Leistungen in einer WfbM haben, Chancen außerhalb der Werkstatt eröffnet werden“ (ebd.:194).

Zudem können andere Leistungsanbieter, im Gegensatz zur WfbM, Spezialisierungen auf bestimmte Leistungen vornehmen und somit auch arbeitsmarktnähere Angebote für Leistungsberechtigte schaffen. Dadurch wird für Leistungsberechtigte eine weitere Möglichkeit geschaffen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Denn die jährliche Übergangsquote der Menschen, die von einer WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln, liegt bisher nur bei einem geringen einstelligen Prozentsatz (bspw. LAG WfbM 2018, BAG WfbM 2012, Detmar et al. 2008: 11).

Zuverdienstprojekte als andere Leistungsanbieter

Sogenannte Zuverdienstmöglichkeiten haben sich in der Vergangenheit insbesondere für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen als bedarfsgerechtes Angebot erwiesen. Mit dem BTHG entfällt jedoch die bisherige Anspruchsgrundlage für Zuverdienstmöglichkeiten (§§ 53 ff. SGB XII) zum 1. Januar 2020 (Art. 13 BTHG). Zugleich besteht die Möglichkeit für bisherige Zuverdienstprojekte, als anderer Leistungsanbieter für die werkstattfähigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Zuverdienstprojekts tätig zu werden. Darüber hinaus geht der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. davon aus, „dass Zuverdienstmöglichkeiten zumindest vom offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe zur Sozialen Teilhabe auch zukünftig umfasst sind“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. 2019: 4).

Quellen im Text

  • Deutscher Bundestag (2019a): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften  Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften. In: dip21.bundestag.de (PDF-Dokument) (25.10.2019)
  • Deutscher Bundestag (2019b): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz). In: dip21.bundestag.de (PDF-Dokument) (09.10.2019).
  • Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2019): Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Förderung von „Zuverdienstmöglichkeiten“ im Bereich des SGB IX vom 26.02.2019. In: www.deutscher-verein.de (08.10.2019).
  • REHADAT (2019): Andere Leistungsanbieter nach dem BTHG. Adressen. In: www.rehadat-adressen.de (08.10.2019).
  • LAG WfbM (2018): Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Niedersachsen. Integrationsbericht 2018 der Bundesagentur für Arbeit  Hannover. In: www.lag-wfbm-niedersachsen.de (08.10.2019).
  • BAGüS (2017): Orientierungshilfe zu den (neuen) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab 01.01.2018. Stand Dezember 2017. In: www.lwl.org (PDF-Dokument) (08.10.2019).
  • BAG WfbM (2012): Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. Studie zur Übergangsförderung in bayerischen Werkstätten vorgestellt. In: www.bagwfbm.de (08.10.2019).
  • Detmar, Winfried/Gehrmann, Manfred/König, Ferdinand/Momper, Dirk/Pieda, Bernd/Radatz, Joachim (2008): Entwicklung  der Zugangszahlen zu Werkstätten für behinderte Menschen. In: www.bmas.de (PDF-Dokument) (08.10.2019).

BTHG-Kompass

Antworten auf Ihre Beiträge

Ihre Beiträge zu den Fachdiskussionen haben wir unter anderem mit der Hilfe von Expertinnen und Experten beantwortet. Sie finden die von uns beantworteten Beiträge in unserem BTHG-Kompass unter folgendem Link.

Unsere Experten

Das Bild zeigt Portraifotos von Carsten Mertins und Matthias Krömer, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS))

© BAGüS

Carsten Mertins und Matthias Krömer

Carsten Mertins und Matthias Krömer sind Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS)

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