INHALT
Dr. Michael Konrad machte eingangs deutlich, dass mit dem BTHG für Leistungsberechtigte ein Rechtsanspruch auf Assistenzleistungen besteht. Um Assistenzleistungen in Anspruch nehmen zu können, müssten die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe erfüllt sein. Die Leistungen sind dabei nach der Besonderheit des EInzelfalles gemäß § 104 SGB IX zu erbringen. Insbesondere hob Herr Dr. Konrad die Bedeutung des Sozialraums und die Wünsche der leistungsberechtigten Person hervor, nach denen sich die Leistungserbringung richte. Maßgeblich dafür sei der Prozess der Bedarfsermittlung und Leistungsfeststellung im Rahmen der Gesamtplanung.
Die Assistenzleistungen sind ein Kernstück der Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Gemäß § 78 SGB IX dienen diese der selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung. Die Assistenzleistungen werden erstmals im Gesetz erwähnt und umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags (z.B. Haushaltsführung, Gestaltung sozialer Beziehungen, persönliche Lebensplanung, Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, Freizeitgestaltung) sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen.
Umfasst sind sowohl kompensatorische (§ 78 Abs. 2 Punkt 1 SGB IX) als auch qualifizierte Assistenzleistungen (§ 78 Abs. 2 Punkt 2 SGB IX). Erstmals enthalten sind ebenfalls Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder (§ 78 Abs. 3 SGB IX) sowie Leistungen zur Erreichbarkeit einer Ansprechperson (Rufbereitschaft, Nachtwache) unabhängig von einer konkreten Inanspruchnahme (§ 78 Abs. 6 SGB IX).
Herr Dr. Konrad machte deutlich, dass es bei den Assistenzleistung nicht darum gehe, die Leistungsberechtigten zu versorgen, sondern sie zu unterstützen. Assistenzleistungen seien zudem nicht an einen Wohnsitz gebunden. Die Trennung in Wohnen und Tagesstrukturierung wurde mit dem BTHG aufgehoben, sodass die Assistenzelistungen an 7 Tagen in der Woche über je 24 Stunden erbracht werden könnten.
Insbesondere die qualifizierten, von Fachkräften zu erbringenden Assistenzleistungen sollen die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen stärken. In der Praxis wirft die Differenzierung zwischen „kompensatorischer“ und „qualifizierter“ Assistenz jedoch Fragen auf. Oft ist unklar, welche Anforderungen an den oder die Assistenzgeber/in gerichtet werden (Ausbildung, Qualifikation, Berufsbild). Teilweise ergeben sich aus den Landesrahmenverträgen und Übergangsvereinbarungen Präzisierungen.
Zudem existieren insbesondere im Bereich der kompensatorischen Assistenz, aber auch in anderen Bereichen der sozialen Teilhabe, Überschneidungen zu Leistungen der Pflege, die es im Einzelfall zu klären gilt. Für die Eingliederungshilfeträger führt dies zum Teil zu Schwierigkeiten bei der Bedarfsermittlung und Maßnahmenplanung.
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DISKUSSION
In der Diskussion nahm die Abgrenzung der Leistungen zur begleiteten Elternschaft von den Hilfen zur Erziehung einen großen Raum ein. Einige Teilnehmende berichteten von Abgrenzungsschwierigkeiten und äußerten den Wunsch nach einem Zusammenwirken beider Leistungsträger (Eingliederungs bzw. Kinder- und Jugendhilfe) in der fachlichen Begleitung und der Finanzierung der Maßnahmen. Eine Teilnehmende aus dem Bereich der Leistungserbringer berichtete von der Erbringung beider Leistungsarten als sogenannten Kombileistungen.
Rechtlich betrachtet umfasst die ‚begleitete Elternschaft‘ pädagogische Anleitung, Beratung und Begleitung zur Wahrnehmung der Elternrolle, d. h. um qualifizierte Assistenz. Auf der anderen Seite stehen Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII, die die Gewährung pädagogischer Leistungen umfasst. Ein Anspruch besteht, sofern eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Die Frage, ob im Einzelfall Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu den Leistungen der Eingliederungshilfe hinzutreten oder diese ersetzen, hat der Gesetzgeber im Teilhabeplanverfahren verankert und strebt damit eine möglichst frühzeitige Zusammenarbeit zwischen beiden Rehabilitationsträgern an.
Unter anderem wurde anschließend die Aufhebung der Trennung von Wohnen und Tagesstruktur thematisiert. Herr Dr. Konrad unterstrich deren Bedeutung im Hinblick auf die qualifizierten Assistenzleistungen. Die Leistungsplanung erfolge nun nicht mehr anhand zweier verschiedener (Lebens-)Bereiche, sondern anhand der erforderlichen Assistenzleistungen.
Ein weiteres Thema des Austauschs war die Höhe des Stundenlohns von qualifizierten Assistenzfachkräften. Herr Dr. Konrad machte deutlich, dass der Stundenlohn abhängig von der Konzeption des Leistungserbringers für die qualifizierten Assistenzleistungen sei. Es gelte die Tarifbindung und es sei zu berücksichtigen, dass die Leistung unabhängig von der leistungserbringenden Person erbracht werden muss. Es müssen daher Ausfallzeiten einberechnet werden. Letztlich werden die Verhandlungen der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung entscheidend sein, so Herr Dr. Konrad.
Zudem hob Herr Dr. Konrad die Assistenz für Persönliche Lebensplanung als die aus seiner Sicht wichtigste Assistenzleistung hervor. Diese sei bei allen Personen mit einer wesentlichen Behinderung erforderlich, allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Der Gesetzgeber habe hier an seinem Prinzip festgehalten, als Assistenzleistung zu definieren, was bereits zuvor in stationären Einrichtungen geleistet wurde.
Aus technischen Gründen musste die Fallbearbeitung in Arbeitsgruppen leider entfallen. Folgende, teilweise im Vorfeld von Teilnehmenden der Veranstaltung einbrachten Fälle konnten daher im Ansatz diskutiert werden:
Fall 1 (PDF-Dokument, 80.9 KB)
Fall 2 (PDF-Dokument, 79.4 KB)
Fall 3 (PDF-Dokument, 26 KB)