Bedarfsermittlung und Leistungsplanung auf Grundlage der ICF

Veranstaltungsrückblick

Bedarfsermittlung und Leistungsplanung auf Grundlage der ICF

Vom 29. bis 31. Januar 2018 haben sich 48 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema „Bedarfsermittlung und Leistungsplanung auf Grundlage der ICF“ informiert und ausgetauscht. Die erste Vertiefungsveranstaltung des Projekts Umsetzungsbegleitung BTHG fand in Hannover statt.

Die Vertiefungsveranstaltung wurde in Kooperation mit „transfer – Unternehmen für soziale Innovation“ durchgeführt. Zentrale Inhalte der Vertiefungsveranstaltung waren die Grundlagen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) sowie der Bedarfsermittlung im Kontext der reformierten Teilhabe- und Gesamtplanung.

Zu den Teilnehmenden gehörten Sozialarbeiter/innen, Fallmanager/innen, Teilhabe- und Hilfeplaner/innen sowie Abteilungs- und Bereichsleiter/innen der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe aus dem gesamten Bundesgebiet. Darüber hinaus waren Mitarbeiter/innen der Leistungserbringer auf Sach- und Leitungsebene vertreten.

Gesamtplanverfahren als Herausforderung für die Träger der Eingliederungshilfe

Begrifflichkeiten klären, sicher im praktischen Umgang mit ICF-orientierten Bedarfsermittlungsinstrumenten werden, Bedarfsermittlung im Verhältnis zur veränderten Leistungsplanung verstehen und erfassen, welche Akteure an welchen Stellen einzubinden sind – in diesem Spektrum bewegten sich die Erwartungen der Teilnehmenden. Darüber hinaus kamen Fragen zu den Bedarfsermittlungsinstrumenten in den Bundesländern und zum Umsetzungsstand des BTHG auf.

In Letzteren gab Florian Steinmüller, wissenschaftlicher Referent im Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG, zu Beginn der Veranstaltung Einblick. Er führte zunächst die wesentlichen Änderungen im Rahmen des BTHG aus, die Reformstufen sowie landesrechtliche Regelungen. Dann erläuterte er den Teilnehmenden, welche wesentlichen Neuerungen zum 1. Januar 2018 im Bereich der Bedarfsermittlung und Leistungsplanung in Kraft getreten sind. Diese umfassen die Erweiterung und Präzisierung der Anforderungen und Kriterien des Gesamtplanverfahrens.

Das Gesamtplanverfahren ergänzt das für alle Rehabilitationsträger verbindlich geltende Teilhabeplanverfahren und beinhaltet u. a. die Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs anhand eines Instruments, das sich an der ICF orientiert. Zur einheitlichen und überprüfbaren Ermittlung des individuellen Rehabilitationsbedarfs müssen alle Rehabilitationsträger systematische Arbeitsprozesse und standardisierte Arbeitsmittel verwenden, die eine individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung gewährleisten und weitere gesetzlich definierte Mindeststandards erfüllen.

Bedarfsermittlung und Leistungsplanung nach dem BTHG

Im Anschluss legte Thomas Schmitt-Schäfer von transfer die rechtlichen Grundlagen und Neuregelungen der Bedarfsermittlung und Leistungsplanung nach dem BTHG dar und klärte die entsprechenden Begriffe.

Die Einführung umfasste zum einen die Bestimmungen im Teil 1 SGB IX-neu, in dem die frühzeitige Bedarfserkennung (§ 12 Abs. 1 SGB IX-neu), die allgemeinen Grundsätze für die Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs (§ 13 Abs. 1 SGB IX-neu), der neue Behinderungsbegriff (§ 2 Abs. 1 SGB IX-neu) sowie der Teilhabeplan (§ 19 Abs. 1 SGB IX-neu) enthalten sind. Zum anderen wurden die Neuregelungen des Teils 2 SGB IX-neu vorgestellt. Diese umfassen insbesondere das Gesamtplanverfahren (§ 117 Abs. 1 SGB IX-neu) und die damit zusammenhängende ICF-Orientierung der neu zu bestimmenden Bedarfsermittlungsinstrumente (§ 118 Abs. 1 SGB IX-neu).

Herr Schmitt-Schäfer legte einen besonderen Fokus auf die neue Leistungsgruppe der sozialen Teilhabe und die darin enthaltenen Assistenzleistungen und die Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Darüber hinaus präsentierte Schmitt-Schäfer die mit dem BTHG einhergehende Weiterentwicklung des Vertragsrechts, da diese für die Leistungsplanung wichtig ist.

Arbeit mit Bedarfsermittlungsinstrumenten

Am zweiten Veranstaltungstag stand die Arbeit mit der ICF und die Bearbeitung konkreter Fälle von Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen im Mittelpunkt. Für die Fallbearbeitung konnten die Teilnehmenden auf die Bedarfsermittlungsinstrumente der Individuellen Hilfeplanung (IHP 3) des Landschaftsverbands Rheinland sowie der Individuellen Teilhabeplanung (THP) Rheinland-Pfalz zurückgreifen. Annica Mörtz von transfer stellte die verschiedenen ICF-Komponenten vor und erläuterte die rechtlichen Grundlagen gemäß den Regelungen des BTHG. Sie stellte außerdem dar, wo sich die ICF-Komponenten in der Integrierten Teilhabeplanung (ITP) Thüringen und im Bedarfsermittlungsinstrument Nordrhein-Westfalen (BEI-NRW) wiederfinden, die sich hinsichtlich ihrer Herangehensweise an die ICF-Orientierung deutlich voneinander unterscheiden. Aufgrund der überwiegend aus Niedersachsen stammenden Teilnehmerschaft ging sie zudem an geeigneter Stelle auf das neue Bedarfsermittlungsinstrument Niedersachsens (BENi) ein.

ICF-Komponenten kennenlernen und anwenden

Im weiteren Verlauf des zweiten und am dritten Veranstaltungstag stand schließlich die Bearbeitung der ICF-Komponenten der Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten, Kontextfaktoren und Partizipation (Teilhabe) im Mittelpunkt. Annica Mörtz und Thomas Schmitt-Schäfer erläuterten diese zunächst jeweils in einem Vortrag. Anschließend wendeten die Teilnehmenden sie in Arbeitsgruppen auf die konkrete Fälle an. Darüber hinaus wurden auch Leitziele und Teilhabeziele vorgestellt und in den Arbeitsgruppen bearbeitet.

Leitziele formulieren

Am Beispiel der angestrebten Wohn- und Lebensform vermittelten die Referenten, wie mit Hilfe der ICF (Leit-)Ziele bestimmt werden können. Die Teilnehmenden verglichen die ermittelten Leitziele mit der Ist-Situation der leistungsberechtigten Person. In der anschließenden Vorstellung der Ergebnisse diskutierten die Arbeitsgruppen auch die Art der Formulierung – in der Ich-Form oder objektiv. Das BTHG gebe zwar keine grundlegende Empfehlung vor. Die Referenten rieten aber dazu, durch die Art der Formulierung den Absender deutlich zu machen, also die Beschreibung der Lebensbereiche der ICF und die Zielebenen aus Sicht des Betroffenen und somit in der Ich-Form zu formulieren.

Körperfunktionen und -strukturen

Im Anschluss an die Bearbeitung der Leitziele beschäftigten sich die Teilnehmenden mit der konkreten Analyse mit Hilfe der ICF. Die Referenten stellten zunächst die Differenzen zwischen der ICF und ICD, die Entwicklung der ICF-Orientierung im deutschen Rehabilitations- und Teilhaberecht, die Bedeutung funktionaler Gesundheit, das bio-psycho-soziale Modell sowie den Aufbau und die Struktur der ICF vor.

In Arbeitsgruppen erarbeitetn die Teilnehmenden zwei Kapitel der Körperfunktionen aus der ICF und identifizierten die konkreten Items, die für die Beeinträchtigungen der Körperfunktionen für den entsprechenden Fall relevant sind. Als zentrale Frage kam dabei auf, wer für die Betrachtung der ICF-Komponente der Körperfunktionen zuständig ist, wenn bei der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter des Leistungsträgers nicht das notwendige medizinische Wissen vorhanden ist? Je nach Region und Bedarfsermittlungsinstrument zeichneten sich unterschiedliche Herangehensweisen ab. Für die fachlich adäquate Einschätzung aller ICF-Komponenten sei letztlich ein multiprofessionelles Zusammenwirken verschiedener Fachleute notwendig. In diesem Zusammenhang formuliert die BAGüS in ihrer Orientierungshilfe zur Gesamtplanung (PDF-Dokument) den Hinweis, am Gesamtplanverfahren „die fachlichen Disziplinen zu beteiligen, die die für die Ermittlung und Feststellung des Bedarfs notwendige Fachkompetenz mitbringen“ (BAGüS 2018: 8).

Aktivitäten und Kontextfaktoren

Im Anschluss lernten die Teilnehmenden die Komponente der Aktivität und die darin enthaltenen neun Lebensbereiche kennen. Die Differenzierung zwischen Leistung und Leistungsfähigkeit sowie die Möglichkeiten und Grenzen von sogenannten Core sets und deren Anwendung im ITP Thüringen und im BEI_NRW wurde zunächst durch die Referenten ausgeführt. Die Teilnehmenden analysierten daraufhin die für ihren Fall relevanten Kapitel und Items der Aktivitäten, um zu beschreiben, was die Person tun kann und was die Person nicht tun kann.

Die vierte Arbeitsgruppenphase drehte sich um die Kontextfaktoren. Da die personbezogenen Faktoren aufgrund der international stark unterschiedlichen kulturellen Hintergründe nicht in der ICF klassifiziert sind, beschäftigten sich die Teilnehmenden hauptsächlich mit den Umweltfaktoren. Zwei für den Fall als relevant erscheinende Kapitel der Umweltfaktoren wurden von den Arbeitsgruppen ausgewählt und eingeschätzt, welche Items Förderfaktoren oder Barrieren der Person beschreiben.

Partizipation und Teilhabeziele

Mit der Komponente Partizipation bzw. Teilhabe starteten die Teilnehmenden in den dritten Veranstaltungstag. Diese umfasst dieselben neun Lebensbereiche, die auch in der Komponente der Aktivität enthalten sind. In der folgenden Arbeitsgruppenphase betrachteten die Teilnehmenden unter Berücksichtigung aller bis dahin erarbeiteten Ergebnisse, wie sich der Zugang der Person zu den ihr wichtigen Lebensbereichen gestaltet. Sie sollten zudem begründen, ob Teilhabe gegeben ist oder nicht.

Im Anschluss gingen die Referenten auf Teilhabeziele ein, die z.B. mit Hilfe des SMART-Konzepts formuliert werden können: wie werden sie erfasst, was soll konkret erreicht werden und wie erfolgt die Zielüberprüfung bei der Bedarfsermittlung. Im Anschluss benannten die Teilnehmenden, in Bezug auf welche Komponenten der ICF sie überprüfbare Teilhabeziele für ihre Fälle formulieren würden.

Die Präsentationen der Referenten können Sie hier herunterladen.

Zum Nachlesen

Materialien zum Download

Die Präsentation der Referenten können Sie hier herunterladen.

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