Gesetz
Auf dem Weg zum neuen Teilhaberecht
Das BTHG soll mit seinen umfangreichen Rechtsänderungen dazu beitragen, Menschen mit Behinderungen eine möglichst volle und wirksame Teilhabe in allen Bereichen für eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Mit dem Gesetz soll das deutsche Recht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) weiterentwickelt werden. Ziel ist die gleichberechtigte, volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben sowie eine selbstbestimmte Lebensführung. Hierfür wurde die Eingliederungshilfe aus dem in Deutschland historisch gewachsenen Fürsorgesystem herausgeführt und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt. Darüber hinaus zielt das Gesetz darauf ab, keine neue Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe entstehen zu lassen und die bestehende durch Verbesserungen in der Steuerungsfähigkeit der Eingliederungshilfe zu bremsen.
Die mit dem BTHG einhergehenden Rechtsänderungen lassen sich kurz zusammenfassen:
- Mit dem BTHG soll das SGB IX, Teil 1 gestärkt und verbindlicher ausgestaltet werden, ohne dabei das gegliederte System in Frage zu stellen. Im SGB IX, Teil 1 werden die allgemeinen, für alle Rehabilitationsträger geltenden Grundsätze normiert, während die jeweiligen Leistungsgesetze ergänzende Verfahrensspezifika regeln. Die entsprechenden Änderungen traten zum 1. Januar 2018 in Kraft.
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Im SGB IX, Teil 2, wird die aus dem SGB XII herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe unter dem Titel „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit Behinderungen“ geregelt. Die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe erfolgt konsequent personenzentriert. Dieser Teil des BTHG trat zum 1. Januar 2020 in Kraft.
- Das SGB IX, Teil 3, umfasst künftig das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht. Ein Teil dieser Änderungen gilt bereits seit dem 30. Dezember 2016. Mitwirkung und Mitbestimmung der Beschäftigten von Werkstätten für behinderte Menschen (WfMB) wurde bereits zum 30. Dezember 2016 gestärkt. Die übrigen Änderungen im Schwerbehindertenrecht traten zum 1. Januar 2018 in Kraft.
Änderungsgesetze zum BTHG
Das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 beinhaltet für § 241 Abs. 8 SGB IX als Klarstellung die Übergangsregelung, dass die Träger der Sozialhilfe, soweit sie Aufgaben der Eingliederungshilfe wahrnehmen, bis zum 31. Dezember 2019 als Rehabilitationsträger an die Stelle der Träger der Eingliederungshilfe treten.
Im April 2019 sind mit dem „Gesetz zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Union zur Bereitstellung von Produkten auf dem Markt und zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ weitere Änderungen zum BTHG im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl I S. 473ff).
- Rückwirkend zum 1. Januar 2019 trat die Anschlussregelung für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in einer Pflegefamilie als Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII für das Jahr 2019 in Kraft. Seit dem 1. Januar 2020 ist die Leistung in § 113 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX geregelt.
- Einführung eines anlassbezogenen gesetzlichen Prüfrechts für die Sozialhilfeträger bei Pflegeeinrichtungen, § 76a Abs. 2 SGB XII. Diese Regelung ist zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
- Klarstellung, dass Leistungserbringer zur Mitwirkung bei der Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung verpflichtet sind, sowie Einführung einer Rechtsgrundlage zum Datenaustausch der Sozialhilfeträger und der Träger der Eingliederungshilfe mit der Heimaufsicht, §§ 128 Abs. 1 SGB IX, 78 Abs. 1 SGB XII. Auch diese Regelungen sind zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
- Erweiterung der Straftatenkataloge in § 75 Abs. 2 SGB XII und § 124 Abs. 2 SGB IX um die neuen Straftatbestände der Sexuellen Belästigung und der Straftaten aus Gruppen. Diese Regelung ist am 26. April, dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes, in Kraft getreten.
Durch das Starke-Familien-Gesetz vom 3. Mai 2019 wurde der im BTHG (Art. 13 Nr. 16 BTHG) vorgesehene Eigenbetrag zur gemeinsamen Mittagsverpflegung, den Beschäftigte der WfbM ab dem 1. Januar 2020 hätten zahlen sollen, gestrichen (Art. 4 und 7 Starke-Familien-Gesetz).
Das Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften wurde am 5. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Mit dem Änderungsgesetz wurden gesetzliche Unklarheiten in Vorbereitung auf die Umsetzung der dritten Reformstufe des BTHG zum 1. Januar 2020 beseitigt. Die wesentlichen Inhalte finden Sie hier zusammengefasst.
Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe
Das Angehörigen-Entlastungsgesetz wurde am 12. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es enthält verschiedene Änderungen zum BTHG, u. a. die Verbesserung der Personalschlüssel für andere Leistungsanbieter, die Sicherstellung der Finanzierung der EUTB nach 2022, die Einführung des Budgets für Ausbildung und eine Ausnahmeregelung zur Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen bei volljährigen Leistungsberechtigten in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die wesentlichen Inhalte des Gesetzes haben wir hier zusammengefasst.
Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe
Das Teilhabestärkungsgesetz wurde am 2. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Mit dem Teilhabestärkungsgesetz sollen weitere Verbesserungen und mehr Teilhabechancen für Menschen mit Behinderungen erreicht werden. So wurde der Kreis der leistungsberechtigten Personen für das Budget für Ausbildung erweitert. Auch Menschen, die schon in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, können nun über das Budget für Ausbildung gefördert werden. Zudem werden die Möglichkeiten der aktiven Arbeitsförderung in den Jobcentern und Arbeitsagenturen ausgebaut. Das Gesetz hat darüber hinaus den Integrationsämtern ab dem 01.01.2022 als neue Aufgabe der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben die flächendeckende Errichtung von Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber gemäß § 185a SGB IX übertragen.