Vertiefungsveranstaltung Vertragsrecht

Vertiefungsveranstaltung

Änderungen im Vertragsrecht zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern durch das BTHG

Während in den Bundesländern derzeit die Verhandlungen zu den Landesrahmenverträgen geführt werden, haben sich am 28. Februar und 1. März 2019 im Bildungszentrum Erkner insgesamt 50 Vertreterinnen und Vertreter von Leistungsträgern, Leistungserbringern und Selbstvertretungsorganisationen der Menschen mit Behinderungen aus verschiedenen Bundesländern zusammengefunden, um ihre Kenntnisse zum durch das BTHG geänderten Vertragsrecht zu vertiefen. Sie hatten Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen und Referenten zu befragen, die selbst Verhandlungen entweder zu Landesrahmenverträgen oder zu Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen führen und die Teilnehmer/innen an ihren Erfahrnungen teilhaben ließen.

Hintergrund, Inhalte und Umsetzungsstand des BTHG

Zu Beginn der Veranstaltung wurden der Hintergrund des BTHG, die wesentlichen Änderungen im Rahmen des BTHG, die Reformstufen, landesrechtliche Regelungen sowie derzeitige Aktivitäten des Projekts Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz durch Annett Löwe, wissenschaftliche Referentin im Projekt Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz, vorgestellt. Sie gab einen Überblick über den Umsetzungsstand in den Ländern und ging dabei auf Ausführungsgesetze, die Neubestimmung der Träger der Eingliederungshilfe, Bedarfsermittlungsinstrumente sowie die Vorbereitung der Landesrahmenverträge und die insbesondere mit der Leistungstrennung einhergehenden Herausforderungen ein.

Marco Winzer, Kommunalverband Sachsen

Marco Winzer ist beim Kommunalen Sozialverband Sachsen (KSV Sachsen) Fachdienstleiter des Fachdienstes 220 - Vereinbarungen und Sozialplanung SGB XII/SGB IX. Zugleich vertritt er den KSV Sachsen in den Gremien der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS) und leitet dort die Ad-Hoc AG Vertragsrecht.

Herr Winzer warb mit seinem Vortrag "Die neuen Regelungen zu Rahmenverträgen sowie Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen aus Sicht des Leistungsträgers" für Vernunft und Pragmatismus. Da sämtliche Leistungs-und Vergütungsvereinbarungen, die die Vergütung von Leistungen unmittelbar zwischen Leistungsträgern und -erbringern regeln, bis spätestens zum Jahresende neu abgeschlossen werden müssen und die Anrufung der Schiedsstelle keine wünschenswerte Option sei, müssten die Vertragsparteien möglichst schnell zu gegenseitigem Vertrauen und einem gemeinsamen Verständnis über die Grundfragen aus § 131 Abs. 1 SGB IX  finden.

Es ginge, da seien sich alle Beteiligten einig, im Augenblick vorrangig darum, die Leistungserbingung über den 31. Dezember 2019 hinaus sicherzustellen, so dass es weder zu Leistungseinbußen bei den Leistungsberechtigten noch zu Vergütungsverlusten bei den Leistungserbringern komme.

Herr Winzer stellte dann das Trennungsszenario für das Land Sachsen zum 1. Januar 2020 vor.

Zunächst müsse man einvernehmlich Klarheit zum umzustellenden Gesamtpaket (Leistung + Preis) herstellen, danach werde rechnerisch eine fiktive Vergütung für 2020 ermittelt, diese in Fachleistungskosten und Kosten der Unterkunft getrennt, wobei eine Unterscheidung in flächenabhängige und flächenunabhängige Kostenpositionen vorgenommen werde. Der wirkliche Paradigmenwechsel hin zu mehr Flexibilität bei den Anbietern im Interesse wirklich individueller Leistungen brauche Zeit und eine gute Vorbereitung, die von der individuellen Bedarfsermittlung über die Leistungsbemessung bis zur tatsächlichen Leistungserbringung für alle Beteiligten Neuland sei. Herr Winzer plädierte deshablb dafür, Landesrahmenverträge möglichst flexibel zu gestalten um daran künftig auch weiter arbeiten zu können.

 

Gudrun Braun, Diakonisches Werk Sachsen

Frau Braun ist Rechtsreferentin des Diakonischen Werkes Sachsen und ist in dieser Funktion an den Verhandlungen zum Landesrahmenvertrag in Sachsen beteiligt.

Sie erläuterte zunächst eingehend die neue Rechtslage und ging dabei insbesondere auf die Rgelungen des § 42 a Abs. 5 und 6 SGB XII ein, hob hervor, dass die Leistungstrennung in stationären Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und für die Unterbringung in Internaten nicht gelte, in den WfbM und bei anderen Leistungsanbietern wegen der Regelungen zum Mehrbedarf für gemeinschaftliche Mitagsverpflegung (§ 113 Abs. 4 SGB IX und § 42 b SGB XII aber sehr wohl durchzuführen sei. In Sachsen stütze man sich zur Klärung der zahlreichen Einzelfragen auf die Empfehlung der AG Personenzentrierung beim BMAS zur Flächenaufteilung und zur Ermittlung der KdU.

Frau Braun ging darauf ein, was in den Rahmenverträgen konkret zu regeln ist und dass diese Regelungen im Grunde eine Neudefinition, wenigstens aber eine Überarbeitung des gesamten Leistungsspektrums, einschließlich der Methoden der Personalbemessung und der Kriterien der Wirtschalftlichkeit und Qualität voraussetzen. Auch das Ergebnis der individuellen Bedarfsermittlung müsse verpreislicht werden. Zur Bewältigung dieser umfangreichen Aufgaben gilt es dauerhafte Arbeitsgremien (z.B. dauernde Vertragskommission) zu schaffen. Auch hierüber muss der Landesrahmenvertrag Bestimmungen treffen.

Frau Braun stellte den aktuellen Stand der Rahmenvertragsverhandlungen in Sachsen und die Planung für Überleitungsregelungen zum 1. Januar 2020 vor. Sie hob hervor, dass es die Möglichkeit gebe, Leistungsbeschreibungen der Fachleistungen für neue Angebote im Wege der Einzelfallprüfung in Leistungs-und Vergütungsvereinbarungen abzubilden. Sie  ging dann noch auf die neuen Inhalte Leistungs-und Vergütungsvereinabrungen ein und komplettierte Ihren Vortrag mit einem Ausflug ins Recht des Wohn-und Betreuungsvertrages (WBVG). Sie erinnerte die Teilnehmer/innen daran, etwaige zivilrechtlichen Folgen der im Zuge der Leistungstrennung zu kalkulierenden Mieten nicht aus dem Blick zu verlieren.

Trotz unterschiedlicher Ansichten in Einzelfragen fiel es den beiden Referenten aus dem Freistaat leicht, ihre Zuhörer davon zu überzeugen, das die Entwicklung moderner Leistungsstrukturen im Interesse individueller Teilhabemöglichkeiten eine Aufgabe ist, die, man nur gemeinsam angehen kann, indem man einander das notwendige Vertrauen erweist und für größtmögliche Transparenz im eigenen Vorgehen sorgt.

Johannes Schweizer, LAG Selbsthilfe Behinderter Rheinland-Pfalz e.V.

Johannes Schweizer ist Geschäftsführer der LAG Selbsthilfe Behinderter Rheinland-Pfalz e.V. und war bzw. ist in dieser Eigenschaft an den Verhandlungen zum Landesrahmenvertrag in Rheinland-Pfalz beteiligt. Er skizzierte die besonderen Voraussetzungen für den ersten Landesrahmenvertrag in Rheinland-Pfalz. Bislang seien die Leistungen dort ganz ohne Rahmenvertrag gewährt worden. Herr Schweizer erläuterte in seinem Vortrag die Verhandlungsarchitektur und schilderte seine Eindrücke aus einer Vielzahl von Sitzungen verschiedener Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen. Dabei habe er durchaus den Eindruck gehabt, als Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen Gehör zu finden und auf Augenhöhe verhandeln zu können. Die Interessenvertretung werde gem. § auch an der „Gemeinsamen Kommission“ zur Weiterentwicklung des Landesrahmenvertrages sowie an den Schiedsstellen nach § 133 SGB IX und an der Arbeitsgemeinschaft nach § 94 Abs. 4 SGB IX mitwirken.

Herr Schweizer erläuterte, welche Punkte in den Verhandlungen für die Interessenvertreter/innen von besonderer Bedeutung seien

• Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts
• Berücksichtigung der Mitbestimmung von Menschen mit Behinderung
• Berücksichtigung der Vertreter_innen der Menschen mit Behinderung bei Überprüfungen von Qualität der Leistungserbringung
• An der Realität ausgerichtete Leistungen und ausreichende finanzielle Mittel von Angeboten vor Ort
• Ausreichende Ausstattung von Fachkräften unter Berücksichtigung von  § 124 Abs. 2
• Sicherstellung von Qualitätsstandards und landeseinheitlichen Lebensverhältnissen
 
Er merkte abschließend an, dass es noch viel zu tun gebe. Der Landesrahmenvertrag in Rheinland-Pflaz enthalte mit seinem Artikel 59 eine Vereinbarung darüber, innerhalb welcher Fristen bislang noch nicht verabschiedete Punkte verhandelt werden sollen.

Ferner gelte er nur für über volljährige Leistungsberechtigte. Für die Leistungen an Kinder und Jugendliche seien in Rheinland-Pfalz die Kommunen zuständig. Bis wann dieser weitere Landesrahmenvertrag verabschiedet werden könne, sei bislang völlig ungeklärt.

Beispiel einer Leistungsbeschreibung

Anke Schultka und Juliane Höpfner, Oberlinhaus Lebenswelten gGmbH

Frau Schultka ist Referentin für Vertrags-und Leistungsrecht und Juliane Höpfner arbeitet beim Komptenzzentrum für Autismus bei Oberlin Lebenswelten in Potsdam. Lebenswelten hält Angebote für ganz unterschiedliche Personengruppen im ambulanten und (bislang) stationären Bereich bereit. Das Angebot reicht von Frühförderung, Schulbegleitung und Freizeitgestaltung für Kinder bzw. Jugendliche mit Behinderung über ambulant betreutes Wohnen bis zur umfangreichen Betreuung von Menschen, die aufgrund einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung schwer beeinträchtigt sind.

Oberlin Lebenswelten ist ein Leistungserbringer, der bereits über Erfahrungen mit der Modularisierung von Leistungen verfügt.

Die Referentinnen berichteten über die Herausforderungen, vor die sie sich ihnen bei der Umsetzung des BTHG in den verschiedenen Bereichen der Lebenswelten gestellt sehen. Sie gingen insbesondere darauf ein, dass die aktuelle Notwendigkeit, Leistungen möglichst genau zu beschreiben und sie den unterschiedlichen Leistungsgruppen oder Formen der Leistungserbringung („Poolen“) zuzuordnen, nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für eine Weiterentwicklung índividueller Teilhabeleistungen bietet.

 

 

Ort
Bildungszentrum Erkner
Seestraße 39
15537 Erkner
Zeit
28.02.2019 14:00 Uhr –
01.03.2019 13:00 Uhr

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