Bedarfsermittlung und Leistungsplanung auf Grundlage der ICF

Vertiefungsveranstaltung

Gesamtplanung nach § 117 SGB IX n.F. - Aus der Praxis für die Praxis

Mit der zweiten Reformstufe des BTHG sind die Neuregelungen zum Gesamtplanverfahren zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Wie ist das reformierte Gesamtplanverfahren in der Praxis umzusetzen? Welche Akteure sind in welchen Verfahrensschritten einzubinden? Und wie ist das Verhältnis zwischen Gesamt- und Teilhabeplanverfahren geregelt?

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich 49 Teilnehmende auf der achten Vertiefungsveranstaltung des Projekts Umsetzungsbegleitung BTHG vom 19. bis 21. September 2018 in Weimar.

Hintergrund, Inhalte und Umsetzungsstand des BTHG

Zu Beginn der Veranstaltung wurden der Hintergrund des BTHG, die wesentlichen Änderungen im Rahmen des BTHG, die Reformstufen, landesrechtliche Regelungen sowie derzeitige Aktivitäten des Projekts Umsetzungsbegleitung BTHG  durch Dr. Florian Steinmüller, wissenschaftlicher Referent im Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG, ausgeführt. Darüber hinaus wurde ein kurzer Überblick über den Umsetzungsstand der Ausführungsgesetze, die Neubestimmung der Träger der Eingliederungshilfe und die Neueinführung der Bedarfsermittlungsinstrumente gegeben. 

Bisherige Erfahrungen der Teilnehmer/innen mit dem Gesamt- und Teilhabeplanverfahren

Im Anschluss stellte Eva Maria Keßler, Referentin von transfer – Unternehmen für soziale Innovation, die Ergebnisse einer im Vorfeld der Veranstaltung unter den Teilnehmende durchgeführten Online-Umfrage vor. Als besonders gelungen in den bisherigen Erfahrungen mit dem Gesamtplanverfahren wurden die Einbeziehung der Vertrauensperson und der leistungsberechtigten Person in das Verfahren, die Durchführung der Bedarfsermittlung sowie das einvernehmliche Ergebnis genannt. Als weniger gelungen benannten die Teilnehmende vor allem die Einbeziehung anderer Leistungsträger. Hinsichtlich der Erfahrungen mit dem Teilhabeplanverfahren äußerten sich die Teilnehmende sehr zufrieden mit dem Erzielen eines einvernehmlichen Ergebnisses, jedoch weniger zufrieden mit der Einhaltung der maßgeblichen Fristen.

Klärung grundlegender Begriffe des Gesamt- und Teilhabeplanverfahrens

Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstags erfolgte eine Klärung grundlegender Begriffe des Gesamt- und Teilhabeplanverfahrens sowie die Vorstellung diesbezüglicher Inhalte aus der Orientierungshilfe zur Gesamtplanung der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) und der Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). Die Rückfragen der Teilnehmer/innen betrafen dabei vor allem: 

  • die Differenzierung von Gesamt- und Teilhabeplanverfahren, 
  • inwiefern die Pflegekassen und die Krankenkassen beim Teilhabe- und/oder beim Gesamtplanverfahren einzubeziehen sind, 
  • ob auch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Gesamtplan zu erstellen haben und 
  • welche Aspekte des Datenschutzes bei der Weitergabe von Informationen zwischen den Rehabilitationsträgern zu beachten sind. 

Insgesamt wurde deutlich, dass weiterhin große Unsicherheiten bei der Frage bestehen, welche Rehabilitationsträger das Teilhabe- und/oder Gesamtplanverfahren anzuwenden haben und wie die Pflegekasse, die kein Rehabilitationsträger ist, einzubinden ist.

Bedarfserkennung, Zuständigkeitsklärung und Bedarfsermittlung/-feststellung

Zu Beginn des zweiten Veranstaltungstags wurden die Bedarfserkennung, Zuständigkeitsklärung und Bedarfsermittlung/-feststellung als erste Schritte des Rehabilitationsprozesses durch Frau Keßler erläutert. In diesem Zusammenhang erfolgte ein kurzer Exkurs zu den Anforderungen des BTHG an die Instrumente der Bedarfsermittlung und zum bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF).
Die Teilnehmer/innen interessierten sich insbesondere dafür, 

  • wann ein fristauslösender Antrag vorliegt, 
  • ab wann die Einbindung weiterer Rehabilitationsträger und damit ein Teilhabeplanverfahren beginnt, 
  • in welchen Fällen die Zuständigkeit als leistender Rehabilitationsträger wechseln kann (u. a. Wechsel zwischen örtlichen und überörtlichen Träger der Eingliederungshilfe bei einer sachlichen Zuständigkeitsverteilung nach Alter),
  • ob die ICF auch für die Bedarfsermittlung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe anzuwenden ist, 
  • ob ein Teilhabeplanverfahren auch noch eingeleitet werden kann, wenn der Rehabilitationsbedarf in weiteren Leistungsgruppen erst im Rahmen eines bereits begonnenen Gesamtplanverfahrens festgestellt wird sowie 
  • ob und weshalb ein Teilhabeplanverfahren anstelle eines Gesamtplanverfahrens durchzuführen ist, wenn verschiedene Leistungsgruppen vorliegen, diese aber allein durch den Träger der Eingliederungshilfe erbracht werden. 

Darüber hinaus wurde gefragt, ob der Träger der Eingliederungshilfe auch die Bedarfsermittlungsinstrumente und -verfahren der anderen Rehabilitationsträger kennen und anwenden muss. Zudem wurde diskutiert, welche Vorgaben im BTHG hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen der Fachkräfte enthalten sind und welche Fachdisziplinen vorliegen müssen.

Fallbearbeitung

Im weiteren Verlauf des zweiten Veranstaltungstags wurden die verschiedenen Schritte des Rehabilitationsprozesses anhand von vier Fällen in Gruppen bearbeitet. Der Arbeitsauftrag beinhaltete in einem ersten Arbeitsschritt die Feststellung, ob alle notwendigen Informationen für die Bedarfsermittlung vorliegen bzw. welche Informationen fehlen sowie die Feststellung, welche Lebensbereiche der Person wichtig sind und ob Teilhabe in den Bereichen gegeben ist. Zudem sollten konkrete und messbare Teilhabeziele für die leistungsberechtigte Person ermittelt werden. Nachdem sich die Teilnehmende für ihren Fall entschieden hatten, ob ein Gesamt- oder ein Teilhabeplanverfahren durchzuführen ist, wurde in einem zweiten Arbeitsschritt eine Gesamt- bzw. Teilhabeplankonferenz geplant und am Ende des zweiten Veranstaltungstags in einem Rollenspiel vorgestellt.

Leistungsgruppen und Feststellung der Leistungen

Am dritten Veranstaltungstag wurden zunächst durch Thomas Schmitt-Schäfer, Referent von transfer – Unternehmen für soziale Innovation, die Leistungsgruppen vorgestellt, wobei der Schwerpunkt auf den Leistungen zur sozialen Teilhabe sowie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation lag. Bei den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ging es vor allem um die Abgrenzung zur Krankenbehandlung nach dem SGB V. Mit den Teilnehmende wurden dabei der Unterschied zwischen dem persönlichen Budget und pauschalen Geldleistungen sowie die Abgrenzung von Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen diskutiert. Zudem wurde gefragt, ob die Assistenzleistungen nach § 113 Abs. 2 SGB IX n.F. einkommens- und vermögensabhängig sind. Ein weiterer Diskussionspunkt war, ob die Teilhabezielvereinbarung nach § 122 SGB IX n.F. auch zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer abgeschlossen werden kann.

In einer letzten Arbeitsgruppenphase beschäftigten sich die Teilnehmende mit der Aufgabe, die Leistungen der beteiligten Leistungsträger festzulegen und sich darauf zu verständigen, ob dieses Ergebnis im Konsens getroffen und inwiefern das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Person berücksichtigt wurden.

Insgesamt hat die Veranstaltung verdeutlicht, dass weiterhin ein großer Informationsbedarf bezüglich der grundlegenden Abgrenzung und Anwendung des Gesamt- und Teilhabeplanverfahrens sowie der Zuordnung von Leistungsgruppen besteht. Zudem liegen Unsicherheiten und Skepsis hinsichtlich der Möglichkeit und der konkreten Vorgehensweise bei der Einbeziehung weiterer Rehabilitations- und Leistungsträger vor.

Weitere Informationen zum Thema:

  • Fragen und Antworten zum Gesamt- und Teilhabeplanverfahren sowie zur Bedarfsermittlung im BTHG-Kompass 
  • Vortrag von Marc Nellen, Leiter des Referats V b 3 Eingliederungshilfe, Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz, Hilfe in besonderen Lebenslagen, zur Gesamt- und Teilhabeplanung auf der Auftaktveranstaltung des Projekt„Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz“ 
  • Links und Materialien zum Gesamt- und Teilhabeplanverfahren sowie zur Bedarfsermittlung
  • Artikel zur Orientierungshilfe zur Gesamtplanung der BAGüS und zur Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess der BAR

Materialien

Präsentationen der Referenten

Hier können Sie alle Präsentationen der Referentinnen und Referenten als ZIP-Datei herunterladen.

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