Der Sozialraum im Teilhaberecht. Die vertragliche Konkretisierung auf Landesebene
Michael Beyerlein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kassel, Fachgebiet Sozial und Gesundheitsrecht, Recht der Rehabilitation und Behinderung, gab einen Überblick über die in unterschiedlichen Normen des BTHG aufgegriffene Sozialraumorientierung im Kontext der Landesrahmenverträge.
Hierbei sei es wichtig, dass die Leistungserbringung bzw. Leistungsbewilligung unter Einbeziehung der Sozialräume erfolgen soll. Vor diesem Hintergrund seien die Sozialräume aus zwei Blickwinkeln zu betrachten: zum einen aus Sicht des Leistungsberechtigten (individueller Sozialraum) und zum anderen aus Sicht der Leistungserbringer und der Träger der Eingliederungshilfe (öffentlicher Sozialraum).
Herr Beyerlein gab zu dem einen Einblick, wie die Sozialraumorientierung neben den gesetzlichen Regelungen in den jeweiligen Landesrahmenverträgen ausgestaltet ist bzw. eingebracht wurde.
Vertiefende Informationen dazu finden Sie in dem Kurzgutachten zur Umsetzung des BTHG in den Bundesländern.
Untertitel folgen.
Die Präsentation ist nicht barrierefrei. Eine barrierefreie Version wird in Kürze zur Verfügung gestellt.
Erhebung sozialräumlicher Bedarfe aus Sicht eines Leistungserbringers im Kontext einer sozialraumorientierten Leistungserbringung
Woraus leiten sich die Bedarfe im Sozialraum ab? Wie werden Bedarfe ermittelt und die Erkenntnisse genutzt, um eine passgenaue und personenzentrierte Leistungserbringung zu gewährleisten? Diese Fragen beantwortete Dr. Martin Holler sehr anschaulich im Rahmen der Veranstaltung, indem er seine wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen in der sozialräumliche Bedarfsermittlung teilte.
„Der Sozialraum eines Menschen ist höchst dynamisch.“
Zunächst gab er einen kurzen Überblick zu den verschiedenen Definitionen des Begriffs „Sozialraum“. Demnach sei es wichtig, zwischen dem Sozialraum als subjektive oder administrative Einheit (Stadtviertel oder Quartier) zu unterscheiden. Die sozialraumorientierte Bedarfsermittlung müsse auf Basis des subjektiven Sozialraumbegriffs geschehen, der sich stetig weiterentwickelt und verändert. Demzufolge müssten Bedarfe auch immer wieder neu ermittelt und gegebenenfalls angepasst werden.
„Wir wollten Bedarfe für die Personen ermitteln, um die es eigentlich geht.“
Konkrete Vorschläge für die Praxis gab Dr. Martin Holler anhand eines Forschungsprojekts zur Mitgestaltung von Inklusion im Sozialraum Obere Riedstraße. Das Projekt wurde 2019 von der Johannes-Diakonie Mosbach im Mannheimer Stadtteil Käfertal durchgeführt und wissenschaftlich begleitet. Neben der Begehung der Sozialräume wurden u. a. auch die Wünsche der Menschen mit Behinderung erfragt. Daher fand die Sozialraumbegehung zusammen mit leistungsberechtigten Personen statt und wurde durch Gespräche mit Leistungsträgern, Mitarbeitenden des Wohnhauses und Akteur*innen aus der Nachbarschaft ergänzt. Die aus der Begehung entstandene Sozialraumanalyse ergab ein umfassendes Bild darüber, welche Teilhabemöglichkeiten es im untersuchten Sozialraum bereits gibt und inwiefern Inklusion dort bereits gelebt wird. Die aus den Ergebnissen entwickelte Umsetzungsstrategie zur Bedarfsermittlung ermöglicht es, passgenaue Leistungen für genau die Personen im Sozialraum anzubieten, um die es eigentlich geht.
Die anschließende Diskussionsrunde, in der Dr. Martin Holler auf die Fragen und Beiträge der Teilnehmenden einging, finden Sie im Mitschnitt der Veranstaltung.
Ein untertitelte Version des Mitschnitts stellen wir demnächst zur Verfügung.
Prozess der Sozialraumorientierung am Beispiel der Stadt Ulm
Andreas Krämer, Leiter Abteilung Soziales in Ulm, stellte das Konzept und die Umsetzung eines inklusiven Sozialraums in Ulm vor. Er skizzierte die komplexen Entwicklungsschritte sehr anschaulich und stellte heraus, worauf es für ein gutes Gelingen in Ulm ankommt. Herr Krämer betonte zudem, dass jeder Sozialraum aufgrund von Örtlichkeit oder finanzieller Mittel seine Besonderheiten aufweist. Er verdeutlichte, dass Sozialräume allen dort lebenden Menschen, ob mit oder ohne Beeinträchtigung, als Lebensgrundlage dienen.
Aufteilung in mehrere Sozialräume
Die richtigen Rückschlüsse auf allgemeine und individuelle Bedarfe zu ziehen, setzt eine gute Kenntnis der Sozialraumstrukturen voraus. Daher hat wurde die Stadt Ulm in mehrere Sozialräume aufgeteilt, um Bedarfe bestmöglich zu ermitteln und am ehesten den Örtlichkeiten gerecht zu werden. Die Aufteilung erleichtert die Ausgestaltung der Sozialräume und die Bürgernähe.
Auf diese Weise kann sich die jeweilige Organisationseinheit einen guten Überblick des öffentlichen Sozialraums für potentiell Leistungsberechtigte verschaffen und eine angepasste Ausrichtung und Organisation für Leistungserbringer anbieten. Nicht nur, dass es damit gelingt, verschiedene Hilfsangebote und Dienstleistungen räumlich zu bündeln, auch können Bürgerinnen und Bürger auf kurzen Wegen zur Erstanlaufstelle im Sozialraum ihre Anliegen im Zusammenhang mit Jugend- und Sozialhilfefragen vorbringen.
Darüber hinaus arbeiten in der Stadt Ulm alle Akteure des sozialrechtlichen Dreiecks und der Öffentlichkeit im Allgemeinen fachübergreifend zusammen. Ziel ist es, die Sozialräume für Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen nutzbar auszugestalten und möglich verbleibende Barrieren mit Leistungen der Eingliederungshilfe zu beseitigen oder zu kompensieren.
Die Untertitelung des Mitschnitts erfolgt demnächst.
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Fachdiskussion
Sozialraumorientierte Eingliederungshilfe
Der Sozialraum spielt eine besondere Rolle, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und zu erleichtern. Mit Inkrafttreten der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) steht die im SGB IX neu geregelte Eingliederungshilfe vor der Herausforderung, ihre Leistungen stärker als bisher sozialraumorientiert auszurichten. Wie kann hier die Umsetzung in der Praxis gelingen? Diskutieren Sie mit uns. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!
BTHG-Kompass
Soziale Teilhabe
Fragen-Antwort-Paare zum Themenfeld Soziale Teilhabe und Sozialraum finden Sie in unserem BTHG-Kompass.
Links und Materialien
Sie möchten mehr erfahren?
Hier finden Sie weiterführende Literatur und Links zum Thema Sozialraum und Soziale Teilhabe.