Hinter dem Bundesteilhabegesetz steht das Ziel, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und „ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern“ (§ 1 SGB IX). Dabei ist es Sinn und Zweck der Leistungsansprüche von Menschen mit Behinderung, „ihre Selbstbestimmung und ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken“ (§ 1 BTHG). Die Leistungserbringer haben ihre Leistungen zu diesem Zweck so auszurichten, dass sie helfen, die Leistungsansprüche der Leistungsberechtigten bestmöglich zu befriedigen. Dabei sind die Leistungserbringer insbesondere gegenüber den Leistungs- und Rehabilitationsträgern verpflichtet, eine ‚gute Wirkung‘ der Leistungen sicherzustellen.
Ausgrenzungserfahrungen aus Betroffenenperspektive
Nachdem in einer ersten Podiumsdiskussion Einbeziehungs- und Ausgrenzungserfahrungen thematisiert und diskutiert wurden, erläuterte Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust (Bundesvereinigung Lebenshilfe), wie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gelingen kann.
In acht Workshops diskutierten die Teilnehmenden anschließend darüber, wie in unterschiedlichen Settings das Gelingen von Teilhabeleistungen überprüft werden kann.
Operationalisierung der Wirkungskontrolle
Messinstrumente und Indikatoren zur Messung von ‚sozialer Wirkung‘ stellte Dr. Volker Then (Centrum für soziale Investitionen und Innovationen, CSI, an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg) vor. Im Zentrum der Forschung des CSI steht die Frage, wie man soziale Wirkung misst, welches Interesse an der Messung überhaupt besteht und was die Ziele der Messung sein sollen. Vor allem gehe es für die Erbringer von Eingliederungshilfemaßnahmen darum, Wirkungen zu überprüfen und nachzuweisen, um andere – insbesondere die Leistungsträger – von dem Nutzen der erbrachten Leistungen zu überzeugen. Das CSI entwickelt dafür ein Instrument zur Monetarisierung immaterieller Effekte.
Einen anderen Ansatz stellte Gitta Bernshausen (Sozialwerk St. Georg) vor. Mit dem Befragungsmanual „Personal Outcomes Scale“ (POS) misst und überprüft der Leistungserbringer anhand von Interviews mit Leistungsempfängern die Wirkung seiner Leistungen. Die POS befasst sich mit den drei Faktoren Unabhängigkeit einer Person, Gesellschaftliche Teilhabe und Wohlbefinden und umfasst 48 Aspekte von Qualität des Lebens.
Ebenfalls aus der Praxis berichteten Dr. Hubert Soyer und Dr. Norbert Hödebeck-Stuntebeck (Prader-Willi-Syndrom-Institut Deutschland), die mit dem retrospektiven Ansatz der Verlaufsdokumentation die Wirkung bedarfsgerechter Assistenzleistungen prüfen. Dafür werden bei den Leistungsempfängern täglich zwölf Items erhoben und analysiert. Auf der Grundlage der Ergebnisse werde einerseits die Erbringung von Assistenzleistungen geplant bzw. angepasst, andererseits stärke die Quantifizierung der Wirkungsmessung die Argumentation gegenüber den Trägern der Kosten.
Politische Einordnung der Wirkungskontrolle
Dass die Bundesregierung mit den nach Art. 25 BTHG eingesetzten Maßnahmen zur Umsetzungsunterstützung des Bundesteilhabegesetzes eigene Mechanismen zur Kontrolle der Wirkung der Gesetzgebung entwickelt hat, machte am zweiten Veranstaltungstag Vanessa Ahuja (Leiterin der Abteilung V „Belange behinderter Menschen, Prävention und Rehabilitation“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales) deutlich. Frau Ahuja unterstrich die Fortschritte, die sich seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verzeichnen lassen. Nichtsdestotrotz seien bei der Schaffung einer inklusiven Gesellschaft noch nicht alle Barrieren beiseitegeschafft worden. Die Bundesregierung werde daher Inklusion weiter vorantreiben.
Dr. Leander Palleit (Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention) blickte auf 10 Jahre UN-BRK zurück. Seinen Fokus legte Herr Dr. Palleit auf politisch-gesetzgeberisches Handeln. Er zog ein ambivalentes Zwischenfazit. Dass die UN-BRK politische Entscheidungen beeinflusst habe, lasse sich zweifelsfrei beobachten. Dass die UN-BRK eine angemessene Wirkung entfaltet habe, stellte Dr. Palleit dagegen infrage. Finanzielle und andere Erwägungen stünden der angemessenen Wirkung oftmals im Wege.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden noch einmal kritische Aspekte in Bezug auf die Wirkungskontrolle aufgegriffen. Kritisiert wurden u.a. die technokratischen Ansätze der Wirkungskontrolle und die Messkonzepte. Einigkeit herrschte bei der Auffassung, dass bei der Kontrolle von Wirkung nicht die einzelnen Maßnahmen, sondern Teilhabe als Ganzes gemessen werden solle.