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Leistungen der Eingliederungshilfe für einen ukrainischen Jungen mit Behinderungen

23. März 2023

Leistungen der Eingliederungshilfe für einen ukrainischen Jungen mit Behinderungen rechtspflichtig

Der Bezirk Mittelfranken hatte mit Verweis auf die Regelung in § 100 SGB IX einem neunjährigen Jungen mit Behinderung, der gemeinsam mit seiner Familie im März 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet war, Leistungen der Eingliederungshilfe verweigert. Das Sozialgericht Nürnberg verpflichtet nun den Bezirk, die Leistungen zu erbringen.

In dem Eilverfahren geht es um einen Jungen, der im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz ist. Er besucht die zweite Klasse eines Förderzentrums. Seine Eltern beantragten im Juni 2022 beim zuständigen Leistungsträger die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Heilpädagogischen Tagesstätte. Der lehnte mit folgender Begründung ab: Die Entscheidung liege nach § 100 Abs 1 Satz 1 SGB IX in seinem Ermessen, die beantragte Maßnahme sei zwar geeignet, den Jungen zu fördern und zu integrieren, sie sei aber nicht erforderlich und auch nicht angemessen.

§ 100 SGB IX Eingliederungshilfe für Ausländer

Gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 SGB IX können Ausländer, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Leistungen nach dem Kapitel 2 des SGB IX erhalten, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Nach § 100 Abs. 1 S. 2 SGB IX gilt die Einschränkung auf Ermessensleistungen nach § 100 Abs. 1 S. 1 SGB IX nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitel sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten.

Folgt man dem genauen Wortlaut des § 100 Abs. 1 S. 2 SGB IX müssen die Vorschriften zur Eingliederungshilfe bei Ausländerinnen und Ausländern angewandt werden, wenn diese einen der in der Vorschrift genannten aufenthaltsrechtlichen Titel haben und sich voraussichtlich dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, NPGWJ/Winkler, 14. Auflage 2020, SGB IX, § 100 Rn. 8.

Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg

Das Sozialgericht Nürnberg führt in seiner Entscheidung auf, dass in diesem Fall die Ermessensregelung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB IX keine Anwendung findet. Der Umstand, dass der Junge vorerst nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis habe, spreche nicht gegen die Prognose eines dauerhaften Aufenthalts. Ebenso wenig spricht die Begrenzung der Aufenthaltserlaubnis auf 2 Jahre gegen einen dauerhaften Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland. Die Befristung resultiert vielmehr aus den der konkret erteilten Aufenthaltserlaubnis zugrundeliegenden allgemeinen europarechtlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001, die eine individuelle Prüfung der voraussichtlichen Dauer im Einzelfall nicht obsolet machen.

Für die Beurteilung, ob es sich um einen dauerhaften Aufenthalt handele, müsse jeweils im Einzelfall ermittelt werden. Das Gericht könne nicht erkennen, dass der Eingliederungshilfeträger diesbezüglich eine Sachverhaltsaufklärung vorgenommen hätte. Die vorliegenden Unterlagen enthielten ausschließlich Hinweise für einen dauerhaften Aufenthalt.

Das Sozialgericht Nürnberg ordnete somit an, dass der Antragsgegner ab dem 13. März 2023 an den Antragsteller vorläufig Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Heilpädagogischen Tagesstätte unter Zugrunde­legung der Hilfebedarfsgruppe 2 bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum Ende des Schuljahres 2022/2023 zu erbringen hat.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt werden.

Die beglaubigte Abschrift des Beschlusses finden Sie hier.

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