Ziel der Arbeitsgruppe war es, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen, der kommunalen Leistungsträger, der Leistungserbringer und der Länder sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis auf die Grundzüge eines Modells zur Ausgestaltung des leistungsberechtigten Personenkreises verständigen. Das Ergebnis ist ein Arbeitspapier, das den Entwurf des § 99 SGB IX sowie den Entwurf der Verordnung über die Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe enthält.
Das Arbeitspapier erläutert die bisherige Rechtslage und den Handlungsbedarf, der sich durch das BTHG ergeben hat. Die konkreten Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Regelungen des Leistungszugangs stehen vor dem Hintergrund, dass sich der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändern soll.
Zentrale Ergebnisse
- Die Kriterien für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe werden so angepasst, dass sie sich an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF orientieren.
- Neben der gesetzlichen Regelung im künftigen § 99 SGB IX wird es eine konkretisierende Rechtsverordnung geben.
- Für einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ist auch künftig das Vorliegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht ausreichend. Zusätzlich muss ein weiteres Kriterium erfüllt sein.
- Der Begriff der „wesentlichen“ Behinderung, der für einen Zugang zu Eingliederungshilfeleistungen erforderlich ist, wird künftig legal in § 99 Abs. 1 SGB IX definiert.
- Liegt keine „wesentliche“ Behinderung vor, können Personen mit einer anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbehinderung auch künftig Leistungen der Eingliederungshilfe im Ermessensweg erhalten.
- Entscheidend für das vorliegen einer "wesentlichen" Behinderung ist, dass die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu einer wesentlichen Einschränkung der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft führt, statt, wie in den bisherigen Regelungen formuliert zur Einschränkung der Teilhabefähigkeit.
Eine vollständige Einigung des Verordnungstextes konnte im Rahmen der Arbeitsgruppe nicht mehr erreicht werden. Zur Klärung der verbliebenen offenen Fragen soll ein Folgeprozess stattfinden. Dabei sollen in erster Linie die strittigen Textpassagen evaluiert werden. Hierbei soll untersucht werden, ob sich durch die unterschiedlichen innerhalb der Arbeitsgruppe vertretenen Formulierungen in der Praxis Veränderungen mit Blick auf den leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe ergeben würden.
Hintergrund
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde zum 1. Januar 2018 ein neuer Behinderungsbegriff eingeführt. Dieser definiert Behinderung als Wechselwirkung zwischen der Teilhabeeinschränkung einer Person und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren (§ 2 Abs. 1 SGB IX).
Das BTHG zielt darauf ab, das neue Behinderungsverständnis in die Regelung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe einfließen zu lassen. Das Nähere soll durch ein weiteres Bundesgesetz bestimmt werden und zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Bis dahin gilt das geltende Recht (§ 53 SGB XII in der Fassung vom 31.12.2019) fort.
Zu den rechtlichen Wirkungen von Artikel 25a § 99 BTHG auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe wurde in den Jahren 2017 und 2018 eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt. Diese hat ein quantifizierendes Zuordnungsverfahren unter Nutzung der ICF ausgeschlossen. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
Um Kriterien zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises zu erarbeiten, startete das BMAS daraufhin einen Beteiligungsprozess, aus dem die Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis“ hervorgegangen ist. Diese hat ihre Arbeiten im September 2019 abgeschlossen.