Erfahrungsberichte anderer Leistungsanbieter

21. Juni 2019

Erfahrungsberichte anderer Leistungsanbieter

Seit dem 1. Januar 2018 können andere Leistungsanbieter nach § 60 SGB IX Werkstatt-Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich sowie im Arbeitsbereich erbringen. Mit der Einführung dieser Neuregelung will das BTHG das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben stärken. Wir haben einige andere Leistungsanbieter zu ihren Erfahrungen befragt.

Erfahrungsberichte anderer Leistungsanbieter

Die Einführung der anderen Leistungsanbieter zielte ebenso wie das zeitgleich eingeführte Budget für Arbeit darauf, Alternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu schaffen und das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben zu stärken. Knapp eineinhalb Jahre nach Einführung dieser neuen Leistungsart gibt es bundesweit bereits einige zugelassene andere Leistungsanbieter. Viele von ihnen sind im Eingangs- und Berufsbildungsbereich tätig.

Um Leistungen als anderer Leistungsanbieter anzubieten, muss eine schriftliche Vereinbarung mit dem zuständigen Leistungsträger abgeschlossen werden. Um eine Zulassung zu erlangen, müssen im Wesentlichen die Vorschriften für WfbM erfüllt werden. Um zahlreichen Einrichtungen die Zulassung zu ermöglichen, wurden jedoch unter § 60 Abs. 2 SGB IX Ausnahmen für andere Leistungsanbieter formuliert.

 

Bisherige Erfahrungen zugelassener anderer Leistungsanbieter

Wir haben mit den folgenden anderen Leistungsanbietern über ihre bisherigen Erfahrungen gesprochen:

  • Berufsförderungswerk Hamm, Eingangs- und Berufsbildungsbereich, Nordrhein-Westfalen;
  • Arkade Pauline 13, Eingangs- und Berufsbildungsbereich, Baden-Württemberg;
  • Soziale Lebenshilfe e.V., Arbeitsbereich, Thüringen (ehemaliges Zuverdienstprojekt);
  • Horizont e.V., Eingangs- und Berufsbildungsbereich, Thüringen;
  • Kolping Berufsbildungswerk Hettstedt, Eingangs- und Berufsbildungsbereich, Sachsen-Anhalt.

 

Motivation für die Bewerbung als anderer Leistungsanbieter

Die Motivation, sich als anderer Leistungsanbieter zu bewerben, entsprang bei den befragten Einrichtungen dem Wunsch, das Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen zu stärken und eine Alternative zur WfbM zu schaffen (Horizont e.V., BFW Hamm, KBBW Hettstedt, Arkade Pauline 13). Die soziale Lebenshilfe e.V. bietet auch ambulantes Wohnen an und erkannte in ihrer neuen Funktion die Chance, eine sinnstiftende Beschäftigung für ihre Klientinnen und Klienten zu schaffen.

 

Zulassungsverfahren

Die von uns angefragten anderen Leistungsanbieter haben das Zulassungsverfahren als überwiegend positiv wahrgenommen. Besonders hervorgehoben wurde von vielen Einrichtungen die gute Kooperation mit der jeweiligen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Auch bei der Erstellung des Qualitäts- und Leistungshandbuchs und des Fachkonzepts traten wenige Probleme auf. Die Einrichtungen nannten aber auch Hindernisse, die im Bewerbungsprozess auftauchten und die Zulassung erschwerten.

 

Anforderungen an andere Leistungsanbieter (§ 60 Abs. 2 SGB IX)

Aus Sicht der Sozialen Lebenshilfe e.V. ist es ein Problem, dass die Anforderungen an die anderen Leistungsanbieter trotz der formulierten Ausnahmen immer noch zu hoch liegen. Das sei insbesondere schwierig und kostenintensiv für Wirtschaftsunternehmen, die tendenziell bereit wären, Menschen mit Behinderungen einzustellen, aber bislang nicht über die erforderliche Infrastruktur verfügen. So berichtet Horizont e.V., dass aufgrund der im Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit vorgeschriebenen zielgruppenspezifischen Barrierefreiheit Umbauarbeiten stattfinden mussten, obwohl die Ausnahmen nach § 60 Abs. 2 SGB IX eine Befreiung von der sächlichen und räumlichen Ausstattung der WfbM vorsehen.

Zudem profitieren Einrichtungen, welche bereits vor der Bewerbung im sozialen Bereich verankert waren, von dem vorhandenen Fachpersonal. Unternehmen, die aus einem anderen Sektor kommen, müssten zunächst eine Fachkraft einstellen, welche das Fachkonzept schreiben kann (KBBW Hettstedt).

Arkade Pauline 13 ist der Ansicht, dass aus den WfbM-Anforderungen eine zu geringe Abweichung zu den Werkstätten resultiere, wodurch es gerade Innovativmodelle schwer hätten, zugelassen zu werden. Generell sei es aber wichtig, die Anforderungen weiterhin hoch zu halten, um die Qualität zu sichern (Horizont e.V., Arkade Pauline 13).

 

Finanzielle Anforderungen

Eine weitere Herausforderung stellen laut Horizont e.V. die erforderlichen finanziellen Investitionen dar, die für die Umbauarbeiten zur Gewährleistung der Barrierefreiheit vorgenommen werden müssen. Zudem müsse für den Zulassungsprozess Personal bereitgestellt werden. All diese Investitionen müssen getätigt werden, bevor überhaupt die Zulassung erfolgt. Aufgrund des hohen finanziellen Risikos für die Träger vermutet der Anbieter Soziale Lebenshilfe e.V., dass nur große Träger mit genügend Liquidität diese Angebote schaffen, kleine soziale Träger sich aber gegen das Bewerbungsverfahren entscheiden.

 

Fehlende Werbung für die neue Alternative bei Menschen mit Behinderungen

Zuletzt wurde festgestellt, dass die Möglichkeit, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei einem anderen Leistungsanbieter in Anspruch zu nehmen, bislang wenig publik gemacht wurde. Das spiegeln auch die geringen Nachfragezahlen nach den Beschäftigungsangeboten wider. So berichteten die Anbieter KBBW Hettstedt und Arkade Pauline 13, dass der Großteil der ihnen bewilligten Plätze noch unbesetzt sei. Hier müsse zukünftig gerade im schulischen Bereich mehr informiert werden.

 

Die Gespräche erfolgten größtenteils mit Einrichtungen, welche Leistungen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich anbieten und auch vorher in diesem Bereich tätig waren. Aus der Erfahrung dieser Einrichtungen resultiert die Annahme, dass es für derartige Bewerber aufgrund der bereits vorhandenen Infrastruktur und Vorerfahrungen einfacher ist, die Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen, als für andere.

Aufgrund der kleinen Befragungsgruppe können bislang keine Rückschlüsse auf grundlegende Hindernisse und Lösungsansätze getroffen werden. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang neben weiteren Erfahrungswerten aus dem Arbeitsbereich auch potenzielle Anbieter, die sich gegen eine Zulassung als anderer Leistungsanbieter entschieden haben oder am Zulassungsverfahren gescheitert sind.

Das Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG ist bestrebt, hierzu weitere Erfahrungswerte zusammenzutragen. Wenn auch Ihre Einrichtung Leistungen als anderer Leistungsanbieter erbringt, Sie sich als potenzieller Anbieter gegen die Antragstellung entschieden haben oder am Zulassungsverfahren gescheitert sind, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme!

 

E-Mail: steinmueller@umsetzungsbegleitung-bthg.de
Telefon: 030-62980-523

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