Menschen mit Behinderungen, die in den bisherigen stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, erhalten derzeit eine Komplexleistung, in die existenzsichernde Leistungen wie Wohnen und Ernährung (in pauschalierter Form) ebenso einfließen, wie die eigentlichen Fachleistungen der Eingliederungshilfe.
Die ab dem 01. Januar 2020 erforderliche Trennung dieser Komplexleistung in ihre Einzelbestandteile stellt Leistungsträger wie -erbringer vor große Herausforderungen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat daher eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die in drei Sitzungen über die damit in Zusammenhang stehenden Fragen beraten hat.
Der sogenannten AG Personenzentrierung gehören das BMAS, die Bundesländer, vertreten durch sechs von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz benannte Länder, sowie für die Leistungsträger der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städtetag sowie die Bundesarbeitsgemneinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe an. Für die Leistungserbringer haben die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und die Fachverbände der Menschen mit Behinderung mitgewirkt.
Hintergrund
Langfristiges Ziel der gesetzlichen Änderungen ist die „Abschaffung von Sonderwelten“.
In Umsetzung der UN-BRK soll die Leistungserbringung künftig nicht mehr davon abhängig sein, welche Wohnform ein Mensch mit Behinderung wählt.
„Personenzentrierte Teilhabe“ bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass jeder Mensch wählen kann, wieviel des ihm zur Verfügung stehenden Geldes er wofür genau einsetzt. Er soll darüber entscheiden dürfen, was er für Miete ausgeben will bzw. kann und wie er das Geld einsetzt, das ihm zur Ernährung zur Verfügung steht.
Ein Mensch mit Behinderung, der in einer eigenen Wohnung lebt, muss für diesen Teil seiner Bedürfnisse bereits bislang entweder selbst aufkommen oder er erhält Grundsicherung nach dem SGB II bzw. dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII. Davon unahängig erhält er (soweit er darauf einen Anspruch hat) Fachleistungen der Eingliederungshilfe.
Dies gilt künftig auch in den bisherigen stationären Einrichtungen, die in § 42a Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 SGB XII (ab 01.01.2020) beschrieben sind und die wir im Folgenden „besondere Wohnformen“ nennen.
Inhalte der Empfehlung
Die Empfehlung der AG Personenzentrierung stellt zunächst den rechtlichen Rahmen der Leistungstrennung klar.
Danach sind künftig alle für die Gewährleistung des soziakulturellen Existenzminimums erforderlichen Aufwendungen durch die Regel- bzw. Mehrbedarfe nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII zu decken (Ernährung, Kleidung, Hausrat und Wohnungsausstattung, Haushaltsenergie, sowie in gewissem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft...).
§ 27 b Abs. 2 SGB XII ist ab 01.01.2020 nicht mehr anzuwenden, da „Kleidung“ und der bisherige „Barbetrag“ ihrer Natur nach Grundsicherungsleistungen waren und bleiben.
Der Betrag bis zu dessen Höhe der Leistungsberechtigte eigene Mittel (oder eben Leistungen der Grundsicherung) für den Lebensunterhalt in der besonderen Wohnform einsetzen muss, ist künftig Gegenstand des Gesamtplanverfahrens, § 121 Abs. 4 Nr. 6 SGB IX (ab 01.01.2020).
Da die bisherigen stationären Einrichtungen neben individuell genutztem Wohnraum auch Räume vorhalten, die der gemeinschaftlichen Nutzung dienen und dies voraussichtlich Auswirkungen auf die Höhe des Mietpreises hat, wird § 42a Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 SGB XII eingeführt.
Die Anwendbarkeit von § 42a Abs. 5 und 6 SGB XII für Leistungsberechtigte nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erfordert eine entsprechende Rechtsänderung, die durch das BMAS geprüft wird.
Existenzsichernde Leistungen sind damit künftig nicht mehr Gegenstand der Vereinbarungen zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer.
Gem § 42a Abs. 5 und 6 SGB XII (ab 01.01.2020) werden künftig bis zu 125 % der angemessenen Kosten der Unterkunft vom Träger der Grundsicherung übernommen. Wenn die Kosten der Unterkunft auch diese 125 % überschreiten, werden sie vom Träger der Eingliederungshilfe übernommen (wenn und soweit es entsprechende Leistungsvereinbarungen zwischen Eingliederungshilfeträger und Leistungserbringer gibt). Soweit die anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Abs. 5 SGB XII n.F. den Grenzbetrag von 125 % nicht überschreiten, gelten diese Aufwendungen als angemessen im Sinne vom § 42a Abs. 5 S. 3 SGB XII (ab 01.01.2020).
Aus Mitteln der Eingliederungshilfe werden also künftig die Aufwendungen für die eingesetzten Fachleistungsflächen und anteilige Mischflächen sowie die Aufwendungen für die überlassenen Wohnflächen finanziert, soweit sie die nach SGB XII normierte Angemessenheitsgrenze von 125 % überschreiten.
Dies alles vorausschickend, geht die Empfehlung dann auf im Einzelnen auf Abgrenzungsfragen zwischen Kosten der Unterkunft und Leistungen der Eingliederungshilfe ein. In der Anlage zur Empfehlung findet man ein Modell zur Flächenzuordnung und Finanzierung von ehemaligen stationären Einrichtungen
Die Empfehlung wurde am 28. Juni 2018 verabschiedet. Die Mitglieder der AG Personenzentrierung vertreten deren Inhalte gegenüber den zuständigen Trägern beziehungsweise ihren Mitgliedern als Anwendungsgrundlage.
Hier können Sie die Empfehlung der AG Personenzentrierung herunterladen.