Teilhabeplanverfahren - Auszüge aus dem BTHG und der Gesetzesbegründung
Gesetzesbegründung Allgemeiner Teil zum Teilhabeplanverfahren
„Um ‚Leistungen wie aus einer Hand‘ gewähren zu können und Nachteile des gegliederten Systems der Rehabilitation für die Menschen mit Behinderungen abzubauen, wird künftig für alle Rehabilitationsträger ein verbindliches, partizipatives Teilhabeplanverfahren vorgeschrieben.
Ausgangspunkt des neuen Teilhabeplanverfahrens ist die Zuständigkeitsnorm des § 14 SGB IX – alt als Kern des heutigen Teilhaberechts. Aufgrund von § 14 SGB IX – alt kann für einen Antrag auf träger- oder leistungsgruppenübergreifendeTeilhabeleistungen nur ein Träger zuständig sein. Dieser Träger ist auch zuständig für die Einleitung und Durchführung des Teilhabeplanverfahrens und die Begutachtung. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass über den Antrag auf Teilhabeleistungen rechtzeitig und umfassend entschieden wird, auch wenn Einzelfragen der Zuständigkeit noch offen sind. Hierdurch kann das Prinzip der „Leistungen wie aus einer Hand“ bei trägerübergreifenden Fallkonstellationen verwirklicht werden.
Als Ausgleich zu der strengen Zuständigkeitszuweisung werden stringente Möglichkeiten der Kostenerstattung im Innenverhältnis zwischen den Rehabilitationsträgern geschaffen. Die Kostenerstattung umfasst die Aufwendungen für die Leistungen, die für die anderen beteiligten Rehabilitationsträger erbracht wurden und eine Verwaltungskostenpauschale.
Zur Verhinderung von „Verschiebebahnhöfen“ zu Lasten der Eingliederungshilfe erhalten die Träger der Eingliederungshilfe gegenüber den anderen Rehabilitationsträgern einen zusätzlichen Zinsanspruch.
Das neue Teilhabeplanverfahren stellt die Verwaltungen der Rehabilitationsträger und die Leistungsberechtigten vor große fachliche Herausforderungen. In den Verwaltungen werden zur Umsetzung des Verfahrens Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen des Personals erforderlich sein. Damit korrespondiert die Einführung einer flächendeckenden unabhängigen Teilhabeberatung. Menschen mit Behinderungen erhalten dadurch die Möglichkeit, sich ergänzend zur Beratung durch die Rehabilitationsträger bereits im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen unabhängig von Leistungsträgern und Leistungserbringern beraten zu lassen (s. II.1.3.).
Andere öffentliche Stellen wie z. B. die Pflegeversicherung, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (mit Ausnahme der Leistungen nach § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII)), die nicht Rehabilitationsträger sind, deren Einbindung zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfes aber erforderlich ist, werden einbezogen. Das neue Verfahren bildet hinsichtlich der Zuständigkeitsklärung die langjährige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum § 14 SGB IX in der bisherigen Fassung ab.“ (BT-Drs. 18/9522, S. 193)
Gesetzesbegründung Besonderer Teil zum Teilhabeplanverfahren
„Trotz der Bemühungen der Rehabilitationsträger, mithilfe von gemeinsamen Empfehlungen für den Rehabilitationsprozess eine effektive Koordinierung der Leistungen in den Fällen der Trägermehrheit zu erreichen, wird weiterhin von Fachexperten, von der Rechtslehre und von der Rechtsprechung die Notwendigkeit zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger in trägerübergreifenden Fallkonstellationen gesehen. Im Rahmen der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages vom 10. November 2014 zu behindertenpolitischen Anträgen mehrerer Bundestagsfraktionen wurde insbesondere in den schriftlichen Stellungnahmen der eingeladenen Experten nachdrücklich eine Schärfung der gesetzlichen Regelungen zur Kooperation der Rehabilitationsträger, insbesondere bei der trägerübergreifenden Erbringung von Leistungen gefordert, ohne jedoch die strengen Vorgaben der Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB IX aufzugeben (Bundestags-Ausschussdrucksache 18(11)244, Seiten 7, 44, 51). Diese Forderung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welches mit einem Grundsatzurteil im Jahr 2011 und seit dem mit mehreren Folgeentscheidungen wiederholt die Rehabilitationsträger verpflichtet hat, Leistungsanträge schnell und hinsichtlich aller beantragten Leistungen zu bearbeiten, und zwar auch dann, wenn einzelne Leistungsbestandteile in die Zuständigkeit anderer Rehabilitationsträger fallen (BSG v. 11.05.2011, B 5 R 54/10 R; BSG v. 03.02.2015, B 13 R 261/14 B). Aufbauend auf der klaren und strengen Rechtsprechung zur Zuständigkeits-klärung haben Wissenschaft und Praxis verschiedene Modelle für eine Bedarfsermittlung in einem trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahren vorgeschlagen (Luik, Der Teilhabeplan – die Roadmap zum Reha-Erfolg, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2014, 11-17; Welti, Teilhabebedarfe im Sozialrecht, RP-Reha 2015, Nr 1, 40-42; Nebe, Koordinierung und Abgrenzung von Gesundheitsversorgung, Pflegeleistungen und Rehabilitationsleistungen für behinderte Menschen – zehn Thesen, ArchsozArb 2014, Nr. 3, 52-55, Drucksache 18/9522 – 234 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode.)
Auch auf die Notwendigkeit der zwingenden gegenseitigen Verzahnung und Bindung der Rehabilitationsträger unter Wahrung eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung wurde hingewiesen (Bieback, Der Weg zur EM-Rente – Abgestimmte und funktionierende Zuständigkeiten?, VSSR 2/2015, 157,185). In der Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz wurde zudem deutlich hervorgehoben, dass jedwede gesetzliche Weiterentwicklung der trägerübergreifenden Koordinierung der Leistungen nur dann Wirkung entfalten kann, wenn diese Vorschriften gegenüber den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger und gegenüber abweichendem Landesrecht vorrangig anzuwenden sind (Protokoll der 5. Sitzung im Abschlussbericht AG BTHG, Teil B,Seiten 262 – 270).“
(BT-Drs. 18/9522, S. 233 f.)