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BTHG-Kompass 4.2

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.2

Behindertentestament und Einkünfte aus Vermietung

Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe ist gemäß § 92 SGB IX ein Beitrag aufzubringen. Für die Ermittlung dieses Beitrags sind nach § 135 SGB IX die Summe der Einkünfte des Vorvorjahres nach § 2 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes maßgeblich.

Einkünfte nach EStG können u. a. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sein. Wie ist damit umzugehen, wenn diese Einnahmen aus Verpachtung durch ein Behindertentestament geschützt sind. Gemeint ist damit, dass im Testament Grundvermögen vererbt wurde, die Pachteinnahmen aus diesem Grundstück als Früchte zweckbestimmt für den Menschen mit Behinderung einzusetzen sind und vom Zugriff durch den Träger der Eingliederungshilfe ausgenommen sind.

Zeitgleich werden die Pachteinnahmen jedoch versteuert.

Sind die Einkünfte in die Beitragsermittlung einzubeziehen oder wiegt die Regelung des Testaments höher?



Antwort:

Heranziehung der Einkünfte hängt vom Einzelfall ab

Zur „Summe der Einkünfte“ nach dem Einkommensteuergesetz gehören auch „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“. Die Einkünfte sind dabei der Saldo aus den Einnahmen (Mieteinnahmen für Wohnungen etc.) nach Abzug der Werbungskosten (bspw. Absetzung für Abnutzung, Schuldzinsen, Erhaltungsaufwendungen). Lediglich dieser Saldo wird versteuert und ist im Rahmen von § 135 Abs. 1 SGB IX relevant.

Steuerrechtlich können auch Einkünfte aus Vermietung erzielt werden, wenn man nicht Eigentümer einer vermieteten Immobilie ist, sondern durch ein Testament ein Nießbrauchvermächtnis erlangt hat. Falls für die leistungsberechtigte Person ein Nießbrauch auf eine vermietete Immobilie bestellt ist, fallen auch diese Einkünfte unter § 135 Abs. 1 SGB IX. Da die leistungsberechtigte Person nicht Eigentümer ist, gehört die Immobilie nicht zum Vermögen nach § 139 SGB IX.

Das Wort „Behindertentestament“ findet sich nicht im Erbrecht des BGB. Der Begriff hat sich vielmehr in der juristischen Fachliteratur und in der Rechtsprechung entwickelt (bspw. BGH, Beschluss vom 24.07.2019, XII ZB 560/18). Allgemein wird als Behindertentestament eine Verfügung von Todes wegen bezeichnet, die insbesondere von Eltern eines Kindes mit Behinderungen verfasst wird und Sonderregeln für das Kind mit Behinderungen enthält. In der Praxis kann es um ziemlich komplizierte erbrechtliche Konstruktionen gehen. Häufig ist das Ziel, das Kind mit Behinderungen zu begünstigen und gleichzeitig das Vermögen zu erhalten (bspw. kombinierte Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft sowie einer Dauertestamentsvollstreckung oder bspw. ein Nießbrauchvermächtnis). Ob dabei nicht nur das Vermögen, sondern auch noch das Einkommen geschützt ist, wird von den konkreten Sonderregelungen im Einzelfall abhängen. Grundsätzlich sind nach § 135 Abs. 1 SGB IX alle dort genannten Einkünfte maßgeblich, die der leistungsberechtigten Person zuzurechnen sind. Durch die Einkommensgrenzen nach § 136 SGB IX ist bereits ein höherer Teil des Einkommens geschützt. Die Einkommensgrenzen unterliegen automatisch einer Dynamisierung und erhöhen sich jedes Jahr.

Steuererleichterungen bei Arbeitnehmer/innen

Es sind Steuererleichterungen (Home Office Pauschale, Erhöhung der Pauschale für Menschen mit Behinderungen sowie der Wegfall des Solidaritätszuschlags) beschlossen worden. Werde ich als Steuerzahler mit einem Assistenzbedarf überhaupt in den Genuss kommen? Dadurch würde sich das Bruttogehalt erhöhen. Für mich wäre dies eine klare Benachteiligung und Diskriminierung aufgrund der Behinderung, wenn mir dies angerechnet würde.



Antwort:

Steuererleichterungen sind gesondert zu betrachten

Arbeitnehmer/innen erzielen steuerrechtlich „Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit“. Diese Einkünfte gehören zur „Summe der Einkünfte“ nach dem Einkommensteuergesetz. Die Einkünfte sind dabei der Saldo aus dem Bruttoarbeitslohn nach Abzug der Werbungskosten. Ausschließlich dieser Saldo ist im Rahmen von § 135 Abs. 1 SGB IX relevant.

Steuererleichterungen sind im Hinblick auf ihre Auswirkungen bei der Ermittlung des Einkommens in der Eingliederungshilfe jeweils gesondert zu betrachten:

a)     Home-Office-Pauschale: Für Tätigkeiten im Home-Office kann steuerlich unter bestimmten Voraussetzungen eine Pauschale als Werbungskosten geltend gemacht werden. Die Pauschale gilt für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2021 und beläuft sich auf 5 € pro Kalendertag, max. 600 € pro Jahr. Für alle Werbungskosten wird steuerlich ohnehin ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € jährlich berücksichtigt. Falls die Home-Office-Pauschale zusammen mit weiteren Werbungskosten diesen Arbeitnehmer-Pauschbetrag überschreitet, ergeben sich materielle Auswirkungen auf die „Summe der Einkünfte“. In der Praxis wird man höhere Werbungskosten nur dann exakt prüfen, wenn die Einkommensgrenzen nach § 136 SGB IX (voraussichtlich) überschritten werden.

b)     Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen: Durch das „Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen“ hat sich ab Veranlagungszeitraum 2021 unter anderem der Pauschbetrag für Menschen mit Behinderungen verdoppelt. Steuerlich geht es hier um sog. „außergewöhnliche Belastungen“, nicht um Werbungskosten. Die Pauschbeträge mindern also nicht die „Summe der Einkünfte“. Vorteile, die mit diesen Pauschbeträgen bei der Lohn- und Einkommensteuer erzielt werden, verbleiben bei den Steuerpflichtigen mit Behinderungen, denn die (verminderten) Steuerbelastungen sind nicht maßgeblich für den Begriff des Einkommens in § 135 Abs. 1 SGB IX.

c)     Solidaritätszuschlag: Durch das „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags“ entfällt für etwa 90 % der Steuerpflichtigen der Solidaritätszuschlag ab 2021. Hierdurch erhöht sich das Nettoeinkommen. Die „Summe der Einkünfte“ (Bruttoarbeitslohn abzüglich Werbungskosten) bleibt hingegen unverändert. Die Vorteile aus dem Wegfall des Solidaritätszuschlags verbleiben damit bei der leistungsberechtigten Person.

Unterlagen für die Prüfung der Unterlagen

Was im Rahmen der aktuellen Regelung zur Einkommensprüfung zunächst allein angefordert werden sollte und dürfte, ist der letzte vorliegende Steuerbescheid. Denn allein die (zu versteuernden) Gesamteinkünfte des vorvergangenen Jahres (also Einkommen abzgl. Werbungskosten) bilden die Summe, die mit der Bezugsgröße (im Wesentlichen das durchschnittliche Jahreseinkommen als Steuerbrutto im betreffenden Jahr in Deutschland, laut statistischen Daten) verglichen werden. Nun haben die wenigsten der leistungsberechtigten Personen eine Steuererklärung gemacht, und daher können auch wohl nur wenige einen Steuerbescheid beibringen. Ist es rechtens, dass dann die Kontoauszüge eingereicht werden müssen. Und kann sogar beides verlangt werden, also Steuerbescheid und Kontoauszüge?



Antwort:

In begründeten Einzellfällen sind auch Kontoauszüge zulässig

Nach § 135 Abs. 1 SGB IX ist die „Summe der Einkünfte“ des Vorvorjahres nach dem Einkommensteuergesetz sowie bei Renteneinkünften die Bruttorente des Vorvorjahres maßgeblich. Bei der Prüfung ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob ein Einkommensteuer-Bescheid für das Vorvorjahr vorgelegt werden kann. In zahlreichen Fällen in der Praxis wird es keinen Einkommensteuer-Bescheid geben. Damit ist die Prüfung des Einkommens nicht generell beendet. Dazu nachfolgend einzelne Beispiele:

a)     Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: Arbeitnehmer/innen sind nur in bestimmten Fällen zur Abgabe einer Einkommensteuer-Erklärung verpflichtet. Diese Fälle sind in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG genannt (bspw. Nr. 1: wenn die positive Summe der Einkünfte, von denen keine Lohnsteuer einbehalten worden ist, mehr als 410 € beträgt). Es kann den Fall geben, dass auch bei höheren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für das Vorvorjahr keine Pflicht zur Veranlagung besteht und ferner (noch) kein (freiwilliger) Antrag auf eine Veranlagung gestellt wurde.

Bei Einkünften von Nichtselbständigen sind die Verdienstbescheinigungen für das Vorvorjahr als geeignete Unterlagen vorzulegen, soweit (noch) kein Einkommensteuer-Bescheid erteilt wurde. Häufig werden die Einkünfte unter den Einkommensgrenzen nach § 136 SGB IX liegen (bspw. das Arbeitsentgelt für eine Beschäftigung im Arbeitsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen). Soweit im Einzelfall die Einkommensgrenzen (voraussichtlich) überschritten werden könnten, ist zu prüfen, ob vom Bruttoarbeitslohn höhere Werbungskosten abzusetzen sind, die den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € jährlich übersteigen.

b)     Renteneinkünfte: Bei Renten ist nach § 135 Abs. 1 SGB IX die Bruttorente des Vorvorjahres maßgeblich und nicht nur der (geringere) steuerpflichtige Teil der Rente. Falls ein Einkommensteuer-Bescheid vorliegen sollte, ist hieraus in der Regel auch die volle Bruttorente (Jahresbetrag der Rente) ersichtlich. Soweit (noch) keine Einkommensteuer-Veranlagung für das Vorvorjahr durchgeführt wurde, sind die Rentenbezugsmitteilungen als geeignete Unterlagen zur Prüfung anzusehen.

c)     Einkünfte des laufenden Jahres: Nach § 135 Abs. 2 SGB IX sind die voraussichtlichen Jahreseinkünfte des laufenden Jahres im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB IX zu ermitteln und zugrunde zu legen, wenn zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung eine erhebliche Abweichung zu den Einkünften des Vorvorjahres besteht (bspw. Arbeitslosigkeit, erstmalige Aufnahme einer Beschäftigung oder Rentenbeginn im laufenden Jahr). Naturgemäß kann für das laufende Jahr kein Einkommensteuer-Bescheid erteilt sein. Hierzu sind andere geeignete Unterlagen für die Prüfung einer erheblichen Abweichung vorzulegen (bspw. Bescheinigung über den Bezug von Einkommensersatzleistungen, Verdienstbescheinigung oder Rentenbezugsmitteilung).

Der Begriff des Einkommens in § 135 SGB IX im Zusammenspiel mit den (höheren) Einkommensgrenzen nach § 136 SGB IX führt in der Praxis häufig dazu, dass Kontoauszüge keine Standard-Unterlagen für die Prüfung des Einkommens sind. In begründeten Einzelfällen sind auch Kontoauszüge als geeignete Unterlagen anzusehen (bspw. einmalige sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG oder als Beleg für eine erhebliche Abweichung im laufenden Jahr).

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