Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt.

Wenn Sie den Browser Internet Explorer nutzen, stehen Ihnen nicht alle Funktionen dieser Seite zur Verfügung.
Um den vollen Funktionsumfang nutzen zu können, benutzen Sie einen aktuellen Browser (z.B. Firefox oder Edge).

Fachbeitrag von Dr. Harry Fuchs im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht: Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs - Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (November 2017)

Fachbeitrag von Dr. Harry Fuchs im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht: Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs - Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (November 2017)

3.1 Rechtlich verbindliche Vorgaben für die Gestaltung durch die Träger

Bereits das SGB IX in der Fassung von 2001 war darauf ausgerichtet, zeitintensive Zuständigkeitskonflikte der Träger untereinander sowie Doppelbegutachtungen zu Lasten der Menschen mit Behinderungen zu vermeiden und Leistungen „wie aus einer Hand“ zu erbringen.

Die dazu im SGB IX enthaltenen Bestimmungen zur Kooperation und Koordination der Träger und zur Konvergenz der Leistungen wurden von den Rehabilitationsträgern weitgehend gar nicht oder nur in Teilen umgesetzt.11

Der Gesetzgeber hatte 2001 insbesondere die Organisation und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens zur Bedarfserkennung, Bedarfsermittlung, Begutachtung und zur Teilhabeleistungsplanung weitgehend der Verantwortung und dem Ermessen der Selbstverwaltung und der Träger mit der Folge überlassen, dass die erwartete Koordination, Kooperation und Konvergenz nicht erreicht wurde.

Um das Ziel der trägerübergreifenden Koordination und Kooperation dennoch zu erreichen, greift der Gesetzgeber nunmehr steuernd in das Organisationsermessen der Träger bei der Gestaltung der Verwaltungsverfahren ein. Aus den neuen Vorschriften zur Koordinierung der Leistungen in Kapitel 4 erwächst die Notwendigkeit, trägerübergreifend nach einheitlichen Maßstäben der Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs zusammenzuarbeiten. Anderenfalls wären eine nahtlose Leistungserbringung und eine effektive Durchführung des Teilhabeplanverfahrens nicht möglich.

Der Gesetzgeber macht den Trägern mit § 13 SGB IX Vorgaben sowohl hinsichtlich der Gestaltung einheitlich zu verwendender systematischer Arbeitsprozesse und standardisierter Arbeitsmittel (Absatz 1) wie auch zu den mit der Bedarfsermittlung in allen Fällen zu treffenden Feststellungen (Absatz 2).

3.2 Abweichungsfestes Recht

Die Rehabilitationsträger können nach § 7 Abs. 2 SGB IX keine von den Bestimmungen der Kapitel 2 bis 4 des Teils 1 des SGB IX abweichenden Regelungen treffen oder Verfahren gestalten. Nur der Bundesgesetzgeber kann in den für die Träger geltenden Leistungsgesetzen – für die Erhebungsinstrumente aufbauend auf den Vorgaben von § 13 SGB IX – weitergehende und speziellere Vorgaben regeln, die den Besonderheiten der jeweiligen Leistungssysteme gerecht werden (soweit dafür bei weitgehend übereinstimmenden Rechtsgrundlagen überhaupt ein Bedarf besteht). Verzichtet der Gesetzgeber auf eine Konkretisierung, belässt er den Rehabilitationsträgern – auf der Basis der unabänderlichen Vorgaben in § 13 Abs. 2 SGB IX – für die Gestaltung der Verwaltungsverfahren immer noch weite fachliche Spielräume bei der Entwicklung und Nutzung der Instrumente12. Ob es zu einer weiteren Konkretisierung in den für die Träger geltenden Leistungsgesetzen kommt, hängt vom Ergebnis der vom BMAS nach § 13 Abs. 3 SGB IX in Auftrag gegebenen Untersuchung der (derzeit vorhandenen) Instrumente ab, die bis 31.12.2019 zu veröffentlichen ist.

Dass nur durch Leistungsgesetze trägerspezifische Abweichungen zugelassen werden können, entspricht § 7 Abs. 2 SGB IX, nach dem die Vorschriften der Kapitel 2 bis 4 des Teils 1 des SGB IX den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungs-gesetzen vorgehen, d. h. abweichungsfest sind, und auch hinsichtlich der Regelungen in Kapitel 4 für die Eingliederungshilfe nicht durch Landesrecht verändert werden können. Schon nach dem bis zum 31.12.2017 geltenden § 7 Satz 1 SGB IX hatten die Rehabilitationsträger die Vorschriften des SGB IX anzuwenden, soweit sich aus den für sie geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. In der Praxis gab es divergierende Auslegungen dazu, ob und welche Abweichungen die spezifischen Leistungsgesetze enthalten. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB IX stellt dazu nunmehr klar, dass die Träger von den Bestimmungen in den Kapiteln 2 (Einleitung der Rehabilitation von Amts wegen), Kapitel 3 (Erkennung und Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs) und Kapitel 4 (Koordinierung der Leistungen) nicht mehr abweichen können, und schränkt insoweit trägerspezifische Abweichungsmöglichkeiten ein.

Da die für die Träger geltenden Leistungsgesetze zu den §§ 12, 13 SGB IX keine abweichenden Bestimmungen enthalten, sind diese Vorschriften über die Erkennung und Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nunmehr für alle in § 6 SGB IX genannten Rehabilitationsträger unmittelbar anzuwendendes Recht.

3.3 Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs

§ 13 Abs. 1 SGB IX verpflichtet die Rehabilitationsträger dazu, systematische Arbeitsprozesse und standardisierte Arbeitsmittel zu verwenden, aufgrund derer die Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs bei dem jeweiligen Rehabilitationsträger einheitlich und nachprüfbar durchgeführt werden kann. Hierfür wird der Begriff der „Instrumente“ als übergeordnete Bezeichnung für Arbeitsprozesse und Arbeitsmittel definiert. Die Ziele der Einheitlichkeit und der Nachprüfbarkeit bestimmen den Einsatzweck der Instrumente. Der Bezug zu den jeweiligen Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger stellt klar, dass die Instrumente nicht in allen Rechtskreisen identisch sein müssen und können. Arbeitsprozesse im Sinne von Satz 1 können nach der Begründung z. B. Erhebungen, Analysen, Dokumentation, Planung und Ergebniskontrolle sein. Arbeitsmittel sind Hilfsmittel, die die Arbeitsprozesse unterstützen, wie z. B. funktionelle Prüfungen (Sehtest, Intelligenztest, Hörtest), Fragebögen und IT-Anwendungen13. Trotz der damit eingeräumten Anpassung an die trägerspezifischen Abläufe und Organisationsformen muss immer der übergeordnete Anspruch der „einheitlichen und überprüfbaren Ermittlung des individuellen Rehabilitationsbedarfs“ künftig trägerübergreifend gewahrt bleiben.

Damit das gewährleistet ist, hat der Gesetzgeber die Aufgabenstellung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) um „die Erarbeitung von gemeinsamen Grundsätzen zur Bedarfserkennung, Bedarfsermittlung und Koordinierung von Rehabilitationsmaßnahmen und zur trägerübergreifenden Zusammenarbeit“ erweitert (§ 39 Abs. 2 Nr. 214 SGB IX) und damit eine Basis für eine weitgehend trägerübergreifende Ausgestaltung der Instrumente geschaffen. Die Verantwortung dafür, dass die von den Trägern verwendeten Instrumente den von den Rehabilitationsträgern auf der Ebene der BAR vereinbarten Grundsätzen für Instrumente zur Bedarfsermittlung entsprechen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IX), liegt bei den Trägern. Da die Gemeinsamen Empfehlungen der BAR für die Träger der Eingliederungshilfe nicht bindend sind, gilt für die Träger der Eingliederungshilfe ergänzend § 118 SGB IX. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB IX können Rehabilitationsträger Instrumente von ihren Verbänden, Vereinigungen oder von Dritten entwickeln lassen, wenn sie diese neu einführen oder bestehende Instrumente modifizieren wollen.

Markup-Template

%%%CONTENT%%%