Abgrenzung Elternassistenz nach § 78 SGB IX und Hilfe zur Erziehung nach § 27ff. SGB VIII
Was ist der Unterschied zwischen Elternassistenz insb. begleitete Elternschaft in§ 78 Abs. 3 SGB IX und §§ 27 ff SGB VIII?
Abgrenzung Elternassistenz nach § 78 SGB IX und Hilfe zur Erziehung nach § 27ff. SGB VIII
Mit der Reformstufe 3 des BTHG wurden Assistenzleistungen erstmals im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe explizit geregelt. Zuvor wurden Assistenzleistungen im Rahmen des offenen Leistungskatalogs nach § 55 SGB IX a.F. gewährt. Assistenzleistungen umfassen auch Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder (§§ 113 Abs. 3, 78 Abs. 3 SGB IX). Der Gesetzgeber benennt hierbei zwei Kategorien: Elternassistenz und begleitete Elternschaft (BT-Drs. 18/9522, 263). Bei der Elternassistenz handelt es sich um einfache Assistenzleistungen für Eltern mit körperlichen oder Sinnesbehinderungen (BT-Drs. 18/9522, 263). Einfache Assistenzleistungen umfassen die vollständige oder teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie Begleitung der Leistungsberechtigten (§ 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB IX). Begleitete Elternschaft hingegen ist ein Fall der qualifizierten Assistenz und umfasst die pädagogische Anleitung, Beratung und Begleitung zur Wahrnehmung der Elternrolle (BT-Drs. 18/9522, 263). Insofern sind die Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung umfasst (§ 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB IX).
Hilfe zur Erziehung zielt darauf eine dem Wohl eines Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung sicherzustellen. Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX versuchen behinderungsbedingte motorische und sensorische Beeinträchtigungen der leistungsberechtigten Person zu kompensieren. Zudem dienen sie der Motivation, der Anleitung sowie der psychologischen Unterstützung der leistungsberechtigen Person.
Eine mögliche Leistungskollision ist nach § 10 SGB VIII aufzulösen. Anwendungsvoraussetzungen des§ 10 SGB VIII sind, dass bei beiden infrage stehenden Leistungen die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (vgl beispiel¬haft: BVerwG 19.10.2011 - 5 C 6/11 ). Davon wird für die weitergehende Betrachtung ausgegangen. Sämtliche Formen der Hilfe zur Erziehung (vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII) können vorliegend aus Platzgründen nicht in den Vergleich einbezogen werden. Exemplarisch soll die Abgrenzung anhand von sozialpädagogischer Familienhilfe erfolgen:
Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist geregelt in§ 31 SGB VIII. Sie soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben (§ 31 S. 1 SGB VIII). Demnach ist SPFH als Hilfe zur Selbsthilfe zu qualifizieren und zielt auf die Stärkung von Problemlösungskompetenzen bei Erziehungsschwierigkeiten (Berneiser in Gesamtkommentar SRB, SGB VIII§ 31 Rn. 1).
SPFH hat einen weitergehenden Ansatz als Elternassistenz. Elternassistenz gibt Hilfestellung bei der Verrichtung alltäglich anfallender Aufgaben bzw. übernimmt diese Aufgaben vollständig, während SPFH auf Hilfe zur Selbsthilfe abzielt und eher begleitenden Charakter hat. Insoweit besteht keine Leistungskongruenz und es kommt nicht zur Anwendung der Kollisionsregeln des§ 10 SGB VIII. Allein der festgestellte Bedarf im Einzelfall ergibt dabei die notwendige Leistung. Soweit eine SPFH gewährt wurde und sich die erzieherische Situation stabilisiert, kann im Einzelfall ein Wechsel zur Elternassistenz angezeigt sein.
SPFH und begleitete Elternschaft haben einen großen Überschneidungsbereich, da beide vorrangig anleitenden und beratenden Charakter haben. Demnach ist von Leistungskongruenz auszugehen. Die Leistungen nach dem SGB VIII gehen im Grundsatz den Leistungen nach dem SGB IX und XII vor(§ 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII). Abweichend davon gehen Leistungen der Eingliederungshilfe (Teil 2 SGB IX) für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach SGB VIII vor(§ 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII). Junge Menschen in diesem Sinne sind Personen die noch nicht 27 Jahre alt sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Der Vorrang des SGB IX nach § 1 0 Abs. 4 S. 2 SGB VIII greift nur bei Personen mit körperlicher oder geistiger Behinderung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.