Zudem wurden durch das BTHG die für alle Reha-Träger geltenden Vorschriften zur Bedarfsermittlung, Kooperation und Koordination in Teil 1 des SGB IX geschärft, um auch bei komplexen Bedarfen aus mehreren Leistungssystemen zügig zu einer geschlossenen Kette an Rehabilitations- und Teilhabeleistungen zu kommen.
Die Online-Fachdiskussion legte den Schwerpunkt auf das Verhältnis der Eingliederungshilfe zu anderen Sozialleistungssystemen und die diesbezüglichen Änderungen durch das BTHG. Im Speziellen wurden die Schnittstellen der Eingliederungshilfe zur gesetzlichen Pflegeversicherung, zur Hilfe zur Pflege, zur Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung sowie zur Kinder- und Jugendhilfe und zu Schulen fokussiert. Fragen zu weiteren Schnittstellen der Eingliederungshilfe konnten ebenfalls eingebracht werden.
Schnittstelle zur gesetzlichen Pflegeversicherung und Hilfe zur Pflege
Schnittstellen der Eingliederungshilfe zur gesetzlichen Pflegeversicherung bestehen bei der Abgrenzung der Assistenzleistungen nach dem SGB IX von den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Auch aufgrund der Gleichrangigkeit beider Leistungen und bei der Einbindung der Pflegekassen im Gesamtplanverfahren kommt es zu Berührungspunkten beider Leistungen.
Schnittstelle zur gesetzlichen Krankenversicherung
Schnittstellen bei der Eingliederungshilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung liegen insbesondere bei der Leistungserbringung in stationären Einrichtungen i.S.d. § 71 Abs. 4 SGB XI und der Häuslichen Krankenpflege sowie der Behandlungspflege. Auch Leistungen durch interdisziplinäre Frühförderstellen und sozialpädiatrische Zentren als Komplexleistungen der Träger der medizinischen Rehabilitation und der Träger der Leistungen zur Sozialen Teilhabe stehen nebeneinander. Durch die Definition der Komplexleistung in § 46 Abs. 3 SGB IX wird eine zwischen den beteiligten Leistungserbringern abgestimmte Leistungserbringung erforderlich.
Schnittstelle zur gesetzlichen Rentenversicherung
Zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Rentenversicherungsträgern kann es bereits bei der Zuständigkeitsklärung, mithin vor der Bedarfsermittlung, zu Überschneidungen kommen, die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen leistenden und beteiligten Rehabilitationsträgern mit sich bringen. Der Grundsatz „Teilhabeleistung vor Rente“ macht es erforderlich, bei einem Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu prüfen, ob Leistungen zur Teilhabe voraussichtlich erfolgreich sind.
Schnittstelle zur Kinder- und Jugendhilfe
Bei der Leistungserbringung für Kinder und Jugendliche kommt es zu Herausforderungen hinsichtlich der Zuständigkeit der Eingliederungshilfe. Bei Doppeldiagnosen und Mehrfachbehinderungen ist eine Abgrenzung häufig besonders schwierig. Weitere Schnittstellen bestehen bei der Beteiligung und Mitwirkung der Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Teilhabeplanverfahren.
Schnittstelle zur Bundesagentur für Arbeit
Die Schnittstelle der Eingliederungshilfe zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit ist eng verzahnt mit den Leistungen der Rentenversicherungsträger und der dortigen Feststellung zu einer möglichen Erwerbsminderung. Eine frühe Klärung unter Beteiligung der drei Träger ist besonders für die Leistungen im Werkstattbereich und bei anderen Leistungsanbietern sowie beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – ggf. als Budget für Arbeit - notwendig. Besondere Herausforderungen ergeben sich zudem im Ausbildungsbereich sowie bei der medizinischen Rehabilitation und den dabei entstehenden Überschneidungen.
Schnittstelle zur Schule
Die Einordnung der Schulbegleitung als Eingliederungshilfeleistung und deren Abgrenzung gegenüber den Aufgaben der Regel- und Förderschulen führt besonders im Rahmen der Bedarfsfeststellung zu Berührungspunkten. Aufgrund der Komplexität der Bedarfe ist diese Einordnung häufig nicht einfach vorzunehmen.
Schwerpunkte der Diskussion
- Wo entstehen Überschneidungen mit anderen Systemen bei Ihrer Leistungserbringung?
- Wie organisieren Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Rehabilitations- und Sozialleistungsträgern sowie Leistungserbringern?
- Welche Erfahrungen haben Sie mit den Neuregelungen des BTHG zur Koordination der Leistungen im Teilhabe- und Gesamtplanverfahren gemacht?
- Welche Fragen haben Sie zur Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen Reha-Trägern?
Literatur
-
BAGüS (2019): Orientierungshilfe zur Schulbegleitung unter besonderer Berücksichtigung der Bildung von Schulbegleiterpools (PDF-Dokument)
-
BAR e.V (2016): Gemeinsame Empfehlung. nach § 13 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX für die Durchführung von Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen
und
Einlegeblatt mit Anpassungen der gesetzlichen Regelungen an das BTHG (PDF-Dokument) -
Kruse, Katja (2020): Rechts- und Sozialpolitik. Der neue Anwendungsbereich von § 43a SGB XI: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 71 Abs. 5 S. 1 SGB XI in Kraft. In: Rechtsdienst 1/2020. (PDF-Dokument, 81.2 KB)
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Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX (2020)
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Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX (2020)
BTHG-Kompass
Antworten auf Ihre Beiträge
Ihre Beiträge zu den Fachdiskussionen haben wir unter anderem mit der Hilfe von Expertinnen und Experten beantwortet. Sie finden die von uns beantworteten Beiträge in unserem BTHG-Kompass unter folgendem Link.
Expertin
Prof. Dr. Liane Simon
Frau Prof. Dr, Simon ist Professorin für "Transdisziplinäre Frühförderung" an der MSH Medical School Hamburg und Vorsitzende der Vereinigung für interdisziplinäre Frühförderung - Bundesvereinigung (VIFF) e.V.
Expertin
Prof. Dr. Katja Nebe
Frau Prof. Dr. Katja Nebe ist Professorin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Expertin
Jenny Axmann
Frau Jenny Axmann ist Referatsleiterin im Referat Recht der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V., Bundesgeschäftsstelle Berlin und Mitautorin der von der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. herausgegebenen und in fünfter Auflage erschienenen Publikation "Recht auf Teilhabe - Ein Wegweiser zu allen wichtigen sozialen Leistungen für Menschen mit Behinderung"
Experte
Christoph Grünenwald
Herr Christoph Grünenwald ist stellvertretender Leiter des Grundsatzreferates im Landesjugendamt des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg
Experte
Thomas Schmitt-Schäfer
Herr Thomas Schmitt-Schäfer ist Inhaber und Referent von transfer - unternehmen für soziale innovation. Er begleitet(e) die Verhandlungen zu den Landesrahmenverträgen Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und berät Leistungserbringer bei der Erstellung neuer Leistungskonzepte.