PROGRAMM
Das barrierefreie Programm der Regionalkonferenz können Sie hier herunterladen (Stand 4. November 2020):
Ziel der Regionalkonferenz war es, allen an der Umsetzung des BTHG beteiligten Akteuren eine Plattform für den gemeinsamen Austausch zu geben. Gute Beispiele und aktuelle Herausforderungen wurden vorab in Fachvorträgen festgehalten und dann live diskutiert und ergänzt. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion gingen Vertreterinnen und Vertreter der Akteursgruppen auch insbesondere auf den Landesrahmenvertrag ein.
Grußwort von Minister Laumann
Nach einer kurzen Begrüßung und organisatorischen Hinweisen durch den Moderator, Lothar Guckeisen, eröffnete Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen mit einem Grußwort die Regionalkonferenz.
Minister Laumann machte zunächst deutlich, an welchem Punkt sich die Umsetzung des BTHG gerade befindet: Nach dem Systemwechsel zum 1. Januar 2020 und der damit einhergehenden Trennung der Fach- von den existenzsichernden Leistungen gehe es darum, die Eingliederungshilfe weiter personenzentriert auszurichten und Menschen mit Behinderungen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen. Durch die Corona-Pandemie habe es jedoch über Monate deutlich andere Prioritäten in der Eingliederungshilfe gegeben. Durch die Herausforderung, Lösungen für Einrichtungen, Dienste, Werkstätten und Inklusionsbetriebezu finden, sei der "Geist des BTHG" in den Hintergrund geraten. Hinsichtlich der Umsetzung des BTHG gebe es in Nordrhein-Westfalen "Licht und Schatten".
Der Minister ging in seinem Grußwort insbesondere auf die Themen Teilhabe am Arbeitsleben und die Umwandlung stationärer in ambulante Wohnformen ein und machte jeweils Erfolge und offene Aufgaben deutlich. Abschließend äußerte sich der Minister überzeugt, dass sich der "Geist des Gesetzes" durchsetzen werde. Statt geschützte Welten für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, sei es eine spannende Aufgabe, sie zum Beispiel in die normale Arbeitswelt zu integrieren. Dieser "Langstreckenlauf" brauche jedoch noch etwas Zeit. Veranstaltungen wie diese Regionalkonferenz seien jedoch ein guter Beitrag, um neuen Antrieb für die Umsetzung des BTHG zu gewinnen.
Vortrag von Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg, BMAS
Anschließend lenkte Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, den Blick auf die 3. Reformstufe des BTHG, die zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Er erläuterte die Folgen der rechtlichen Änderungen und nahm Bezug auf die Ergänzungen im SGB IX-SGB XII-Änderungsgesetz sowie im Angehörigen-Entlastungsgesetz. Positiv schätzte Dr. Schmachtenberg ein, dass die Umsetzung der Leistungstrennung zwar einen großen Verwaltungsaufwand mit sich brachte, aber zugleich alle leistungsberechtigten Personen weiterhin ihre Leistungen erhalten haben. Außerdem gab er einen Ausblick auf Ergebnisse der Begleituntersuchungen zum BTHG, wo es sehr erfreulich sei, dass die Verbesserungen im Bereich von Einkommen und Vermögen bei den Menschen mit Behinderungen ankommen.
Podiumsdiskussion "Ein Überblick zum aktuellen Umsetzungsstand des BTHG auf Landesebene"
An der Podiumsdiskussion nahmen Dr. Dieter Schartmann (LVR), Jürgen Kockmann (LWL), Volker Supe (Diözesancaritasverband für das Bistum Münster), Doro Kuberski (lvkm) und Dorothee Daun (Autismus Landesverband NRW) teil. Moderiert wurde die Runde durch Lothar Guckeisen.
Die Teilnehmenden erläuterten zu Beginn, welche konkreten Verbesserungen sie durch die Umsetzung des BTHG bereits beobachten. Eine Beobachtung war, dass die bisherigen Pfade der Eingliederungshilfe aufgebrochen werden konnten, weil die gemeinsamen Diskussionen der Akteure auf den Paradigmen des BTHG – Selbstbestimmung, Personenzentrierung und Sozialraumorientierung – aufbauten. Die Leistungserbringer hätten zwar schon vor dem BTHG personenzentriert gearbeitet, die strukturelle Verankerung um Landesrahmenvertrag sei jedoch eine Verbesserung. Dennoch müsse sich erst erweisen, welche Leistungen den Menschen mit Behinderungen künftig tatsächlich bewilligt werden. Außerdem gelte es, die vorhandenen Beratungsangebote mit ihren jeweiligen Aufträgen transparent zu kommunizieren. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass die Umsetzung des BTHG durch die Corona-Pandemie merklich ausgebremst wurde.
Ebenfalls diskutiert wurde die trägerübergreifende Zusammenarbeit im Teilhabeplanverfahren. Im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen werde es bereits gut umgesetzt. Dafür existiert in Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Rahmenvereinbarung. Abseits der Werkstätten sei das Teilhabeplanverfahren dagegen oft noch die Ausnahme. Die Teilnehmenden hielten jedoch auch fest, dass die Vorteile des Verfahrens erst mit dessen Anwendung deutlich werden. Die Vertreterinnen der Selbtshilfe wiesen darauf hin, dass Menschen mit Behinderungen von ihren Pflichten im Verfahren oftmals überfordert seien. Außerdem habe der Zuständigkeitswechsel zwischen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und dem Träger der Eingliederungshilfe zu Unsicherheiten geführt.
Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion gingen anschließend auf den Landesrahmenvertrag ein. Dieser bilde eine gute Grundlage für die Entwicklung von Leistungsangeboten. Dreh- und Angelpunkt seien nun die Fachkonzepte der Leistungserbringer. Inwiefern die im Vertrag gesetzten Standards dem individuellen Bedarf von Menschen mit Behinderungen gerecht werden, müsse sich jedoch erst zeigen. Zudem bleibe der Zielkonflikt zwischen verbesserter Teilhabe und Verringerung der Ausgabendynamik bestehen.
Fachforen am Nachmittag
Die einstündigen thematischen Fachforen am Nachmittag deckten folgende Themen ab:
- Forum 1: Trägerübergreifende Zusammenarbeit im Teilhabeplanverfahren
- Forum 2: Beratungsangebote der Reha-Träger und Inklusionsämter, der Eingliederungshilfe und EUTB
- Forum 3: Teilhabe am Arbeitsleben
- Forum 4: Leistungen des SGB IX für Kinder und Jugendliche
- Forum 5: Schnittstelle der Eingliederungshilfe mit der Hilfe zur Pflege und der gesetzlichen Pflegeversicherung
Alle Themen fanden parallel statt und wurden anschließend noch einmal wiederholt. Die Teilnehmenden konnten sich so zu zwei verschiedenen Themen informieren und austauschen.
Bericht aus den Foren
Den Abschluss des Tages bildete ein Bericht der Moderatoren zu den wichtigsten Inhalten der Fachforen.
Forum 1
Moderation: Dr. Florian Steinmüller, Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG
- In Nordrhein-Westfalen gibt es bislang wenig Erfahrungen mit dem neuen Teilhabeplanverfahren.
- Es besteht nach wie vor Unsicherheit über die gesetzlichen Vorgaben des BTHG zum Teilhabeplanverfahren.
- Für den WfbM-Bereich wurde frühzeitig eine Rahmenvereinbarung zwischen BA, Rentenversicherung und Eingliederungshilfe geschlossen, die Anwendung findet.
- Neben strukturierten Absprachen bedarf es vor allem einer verbesserten Kommunikation zwischen den Reha-Trägern sowie verbesserten Kenntnissen über die Arbeitsprozesse und konkreten Ansprechpartnerinnen und -partner der anderen Reha-Träger.
Forum 2
Moderation: Matthias Dehmel, Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG
- Die Bekanntheit einzelner Beratungsangebote sowie das Wissen von- und übereinander sind noch ausbaufähig.
- Die Vernetzung der Beratungsangebote ist für Beratende und Ratsuchende zugleich Chance und Herausforderung.
- Arbeitskreise und Kooperationsvereinbarungen können Grundlagen für das Füllen von Beratungslücken und Aufteilung von Kompetenzen sein.
- Die Qualität der Beratungsangebote ist mittels Setzen von Standards, Qualifizierungsmaßnahmen und Vernetzungen zu sichern und zu steigern.
- Kenntnisse über den Sozialraum sind unabdingbar für eine qualitätvolle Beratung.
Forum 3
Moderation: Tristan Fischer, Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG
- Den Werkstätten für behinderte Menschen kommt eine zentrale Rolle zu, damit mehr leistungsberechtigte Personen das Budget für Arbeit nutzen.
- Die Gründe für die geringe Anzahl von anderen Leistungsanbietern sind vielfältig. Die Hürden für potentielle Unternehmen und Organisationen seien noch immer hoch.
- Erfahrungswerte zum Budget für Ausbildung gibt es bei den Landschaftsverbänden derzeit noch nicht.
- Als zentraler Erfolgsfaktor wird die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren bewertet.
Forum 4
Moderation: Larissa Meinunger, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.
- Die überörtlichen Träger haben das Bedarfsermittlungsinstrument BEI_NRW KiJu als Basis für die Entwicklung von Bedarfsermittlungsinstrumenten auf der örtlichen Ebene zur Verfügung gestellt. Es gibt jedoch noch keinen Ansatz für ein gemeinsames Instrument der Städte und Kommunen.
- Positive Erfahrungen gibt es in den Kommunen, wo Sozial- und Jugendamt zusammengelegt wurden, eng zusammenarbeiten oder die ambulante Eingliederungshilfe eigenständig ist. Jedoch hat die Corona-Pandemie überall für Verzögerungen in der Umsetzung der Bedarfsermittlung und des Gesamtplan- sowie Teilhabeplanverfahrens gesorgt.
- Hinsichtlich der Schulbegleitung zeigt sich, dass Pool-Lösungen zwar viel Überzeugungsarbeit erfordern, der Bedarf des einzelnen Kindes auch bei der gemeinsamen Inanspruchnahme immer noch im Mittelpunkt steht und zudem Synergieeffekte entstehen.
- Leistungen für Schulkinder mit behandlungspflegerischem Bedarf erfordern eine verbesserte Zusammenarbeit von Eingliederungshilfe und Krankenkassen. Lösungen wie Mischfinanzierungen oder Erbringung der Leistung im Rahmen der Assistenz existieren in Einzelfällen.
Forum 5
Moderation: Marcus Rietz, Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG
- Es existieren unterschiedliche Kriterien zur Abgrenzung der Eingliederungshilfe von den Pflegeleistungen.
- Verbesserungsbedarf besteht noch bei der Zusammenarbeit und Vernetzung sowohl der Leistungsträger als auch der Leistungserbringer.
- Es besteht die Befürchtung einer „Verschiebung“ von Leistungen der Eingliederungshilfe zulasten der Pflege.