Diese Website wird als Archiv bereitgestellt. Bitte beachten Sie, dass einige Inhalte möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

FD Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen

Fachdiskussion

Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen

Menschen mit Behinderungen, die in den bisherigen stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, erhalten derzeit eine Komplexleistung, in die sowohl existenzsichernde Leistungen wie Wohnen und Ernährung (in pauschalierter Form) als auch die eigentlichen Fachleistungen der Eingliederungshilfe einfließen. Um das deutsche Rehabilitations- und Teilhaberecht in Übereinstimmung mit der UN-BRK zu gestalten, müssen Teilhabeleistungen künftig jedoch unabhängig von der Wohnform gewährt werden, in der Menschen mit Behinderungen leben. 

Das Ziel: Umsetzung der UN-BRK

Eine wichtige Voraussetzung, um das deutsche Rehabilitations- und Teilhaberecht in Übereinstimmung mit der UN-BRK zu gestalten, ist, dass Teilhabeleistungen, also auch die Leistungen der Eingliederungshilfe, unabhängig von der Wohnform gewährt werden, in der Menschen mit Behinderungen leben. 
Menschen mit Behinderungen, die in den bisherigen stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, erhalten derzeit eine Komplexleistung, in die sowohl existenzsichernde Leistungen wie Wohnen und Ernährung (in pauschalierter Form) als auch die eigentlichen Fachleistungen der Eingliederungshilfe einfließen. Die Leistungsgruppe „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ ist bislang im Sechsten Kapitel des SGB XII, im System der Sozialhilfe, verankert. Der Träger der Sozialhilfe erbringt nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII für diese Gruppe von Menschen auch die existenzsichernden Leistungen. Sowohl für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel, als auch für die existenzsichernden Leistungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII ist die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit zwingende Leistungsvoraussetzung. Um also Teilhabeleistungen aus der Leistungsgruppe „Eingliederungshilfe“ erhalten zu können, muss man „bedürftig“ sein oder bleiben. 
Mit dem 1. Januar 2020 soll sich das ändern. Die Leistungsgruppe „Eingliederungshilfe“ wird dann Teil des SGB IX werden und in den §§ 109-122 SGB IX n. F. genauer als bisher beschrieben. Dies ermöglicht eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und die Möglichkeit, Einzelleistungen und Leistungskombinationen so zu erbringen, wie der individuelle Bedarf das erfordert und zwar ganz unabhängig davon, wie und wo der Leistungsberechtigte lebt. 
Die Leistungen der Eingliederungshilfe und die existenzsichernden Leistungen werden dann aus unterschiedlichen Systemen finanziert. Die Freigrenzen bei Einkommen und Vermögen werden für Leistungen der Eingliederungshilfe nochmals deutlich erhöht. 

Der Weg: Landesrahmenverträge und Leistungsvereinbarungen

Um diesen Systemwechsel vorzubereiten, sind bereits mit der zweiten Reformstufe des BTHG zum 1. Januar 2018 auch die Neuregelungen zum Vertragsrecht für die Eingliederungshilfe in den §§ 123 bis 134 SGB IX in Kraft getreten. Damit können die neu bestimmten Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer mit den Rahmenvertragsverhandlungen für die ab 1. Januar 2020 für die neuen Leistungen beginnen. 
Die Landesrahmenverträge gem. § 131 sind schlussendlich die Grundlage der Leistungsvereinbarungen gem. § 125 SGB IX, mit denen die Träger der Eingliederungshilfe mit den Leistungserbringern regeln, welche Fachleistungen auf welche Weise und zu welcher Vergütung erbracht werden. 
Nachdem die Länder die künftigen Träger der Eingliederungshilfe bestimmt haben, müssen nun Leistungserbringer zunächst herausfinden, welcher Anteil der für den Betrieb ihrer Einrichtungen entstehenden Kosten tatsächlich für die Erbringung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe aufgewandt wird und welche Anteile auf die existenzsichernden Leistungen entfallen. 
Ferner müssen die Akteure zur Vorbereitung der Landesrahmenverträge bestimmen, welche konkreten Fachleistungsbedarfe es gibt und wie die Angebotsstruktur künftig ausgestaltet und finanziert werden soll. Dem Grundsatz folgend „Nichts über uns ohne uns“, sind an diesem Prozess gem. § 131 Abs. 2 SGB IX die durch Landesrecht zu bestimmenden „maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen“ zu beteiligen. 

Erste Schritte: Empfehlungen der AG Personenzentrierung des BMAS und des Deutschen Vereins

Im ersten Schritt muss die Gesamtfläche jeder bislang über die Komplexleistung finanzierten Einrichtung dazu in diejenigen Teilflächen unterteilt werden, die dem Wohnen und der „Existenzsicherung“ einerseits und der eigentlichen Fachleistung andererseits dienen. Die Empfehlung der AG Personenzentrierung beim BMAS vom 28. Juni 2018 (AG Personenzentrierung 2018) sowie die Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. vom 12. September 2018 (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 2018) geben dafür Hinweise. Die Empfehlung der AG Personenzentrierung stellt zunächst den rechtlichen Rahmen der Leistungstrennung dar und geht im Einzelnen auf Abgrenzungsfragen zwischen Kosten der Unterkunft und Leistungen der Eingliederungshilfe ein. In der Anlage zur Empfehlung findet man ein Modell zur Flächenzuordnung und Finanzierung von ehemaligen stationären Einrichtungen (AG Personenzentrierung 2018: 14ff.). 
Die Empfehlung des Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. skizziert zunächst ebenfalls den rechtlichen Hintergrund und die mit dem BTHG einhergehenden Änderungen für die aus den Systemen der Grundsicherung zu finanzierenden Leistungen der Existenzsicherung und die Fachleistungen der Eingliederungshilfe. Anschließend werden typische Flächen und Kostenpositionen derzeitiger stationärer Einrichtungen dargestellt und argumentativ den Kosten der Unterkunft, dem Regelsatz und Mehrbedarfen beziehungsweise den Fachleistungen der Eingliederungshilfe zugeordnet. Nach beiden Papieren ist eine jeweils ausschließliche Zuordnung einzelner Kostenbestandteile zu den Fachleistungen oder existenzsichernden Leistungen häufig nicht möglich ist. Diese Flächen werden dann als sogenannte „Mischflächen“ berücksichtigt. Es sei entscheidend, die jeweilige Ausgestaltung vor Ort zu betrachten, sofern keine pauschalierenden Regelungen getroffen werden (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 2018: 13).

Ausgestaltung der künftigen Leistungen

Zur Ausgestaltung der künftigen Leistungen der Eingliederungshilfe werden derzeit verschiedene Modelle diskutiert. Die Diskussion verläuft im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. 
Leistungsträger, Leistungserbringer und Vertreter der Menschen mit Behinderungen sind sich darüber einig, dass das BTHG viele neue Möglichkeiten für individuelle und wirksame Teilhabeleistungen eröffnet. Zugleich ist die Umstellung der Finanzierung für alle Beteiligten mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Leistungsträger möchten die Leistungen besser steuern können als bisher, Leistungserbringer möchten ihr Leistungsangebot künftig aufrechterhalten können und Vertreter der Menschen mit Behinderungen befürchten Leistungseinbußen zwischen diesen auf den ersten Blick gegensätzlichen Interessen. 

Diskutieren Sie mit!

Welche Fragen haben Sie im Zusammenhang mit der Trennung der Leistungen? 
Gibt es Alternativen dazu, jede bisherige Komplexeinrichtung auszumessen? 
Stellen Sie gerne Ihre Lösungsvorschläge/Vorüberlegungen zu Einzelproblemen zur Diskussion um Synergien zu nutzen! 
 

Ort
www.umsetzungsbegleitung-bthg.de
Zeit
29.10.2018 - 31.01.2019

Unsere Experten

Andreas Seeger

Andreas Seeger ist Leiter des Geschäftsbereichs Steuern und Partner der Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Münster e.V.

Unsere Experten

Porträtfoto von Simon Kerkhoff

© Simon Kerkhoff

Porträtfoto von Simon Kerkhoff

Kerkhoff

Unsere Webseiten verwenden Cookies zur Verbesserung der Bedienung und des Angebots sowie zur Auswertung von Webseitenbesuchen. Einzelheiten über die von uns eingesetzten Cookies und die Möglichkeit diese abzulehnen, finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.