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Regelungen zu Assistenzleistungen

Regelungen zu Assistenzleistungen zur Freizeitgestaltung

Existieren zur Umsetzung personenorientierter Leistungen in den Landesrahmenverträgen Regelungen für Assistenzleistungen zur Freizeitgestaltung und zur Sozialraumgestaltung und kann das als Bedarf anerkannt werden?

Michael Beyerlein

Individuelle Assistenzleistung und ihr Bezug zum Sozialraum der Leistungsberechtigten ergeben sich aus dem Gesamtplan

Zu Leistungen zur soziale Teilhabe gehören unter anderem Assistenzleistungen. Diese werden zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht und umfassen insbesondere auch Leistungen für die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten (§78 Abs. 1 SGB IX).

Ob ein Bedarf für Teilhabeleistungen besteht, wird nach Antragstellung nach den Vorgaben des § 118 SGB IX ermittelt. Daran schließt sich die Feststellung des Bedarfs und die Aufstellung des Gesamtplans nach §121 SGB IX an. Dieser enthält u.a. Aussagen dazu, welche Ziele mit den Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen (§ 19 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX) und er enthält Informationen über Art, Inhalt, Umfang und Dauer der zu erbringenden Leistungen (§ 121 Abs. 4 Nr. 3 SGB IX) und die Einbeziehung von Diensten und Einrichtungen bei der Leistungserbringung. Im Gesamtplanverfahren ist auch das Kriterium der Sozialraumorientierung zu beachten (§ 117 Abs. 1 Nr. lit. g SGBIX). Nach Kahl und Gundlach (Beitrag D33-2021 unter www.reha-recht.de) bedeutet das in der Praxis, dass Leistungsträger und -erbringer in der Gesamtplanung und anschließenden Angebotsumsetzung gleichermaßen die Ebene des Individuums und dessen Lebenswelt, umgebende Netzwerke, aber auch die Ebenen der Sozialstruktur und Organisation einbeziehen, also dass im Rahmen der Leistung nicht nur einzelfallspezifische Hilfen zur Verfügung gestellt werden, sondern auch außerhalb der Person liegende Barrieren bearbeitet werden.

Assistenzleistungen beziehen sich jedoch in erster Linie auf den Einzelfall. Eine Rahmenleistungsbeschreibung aus dem Landesrahmenvertrag NRW (Anlage A, Punkt 5.1) beschreibt die Assistenzleistung als „situationsgerechte Unterstützung der leistungsberechtigten Person im Tagesverlauf unter Berücksichtigung ihrer Orientierungs- und Handlungsfähigkeit im täglichen Leben und in ihrem Sozialraum.“

Die Leistung ist also im individuellen Sozialraum verortet, gestaltet ihn aber darüber hinaus nicht. Die Gestaltung des Sozialraums wird als Aufgabe mehreren Akteuren zugeordnet (LRV NW Anlage J. 4):

„Die Gestaltung eines inklusiven Sozialraums ist Aufgabe aller staatlichen Ebenen. Es ist Aufgabe des Staates und seiner ausführenden Organe und damit auch der Rehabilitationsträger, für einen barrierefreien Sozialraum zu sorgen, d. h. die Faktoren zu beseitigen, die die Menschen mit Behinderungen in ihrem individuellen Alltagbehindern. 

Dabei geht es nicht nur um Sozialleistungen für die Förderung der Anpassung des Wohnraumes und Wohnumfeldes an die Anforderungen der Menschen mit Behinderung, sondern auch um die Beseitigung physischer, informationeller und kommunikativer Barrieren sowie von Vorurteilen oder Fehleinstellungen, die Menschen mit Behinderungen in ihrer sozialen Teilhabe einschränken.“

Darin erkennt man das SONI-Schema der Sozialraumorientierung wieder, wonach Ziel der Arbeit mit Leistungsberechtigten eine Aktivierung ist, die sich an ihrem  Willen orientiert. Die Erschließung von Ressourcen im Sozialraum braucht fallunspezifische Arbeit und erfordert von Organisationen Flexibilität und das Ausbrechen aus alten Denkmustern sowie eine fachdienstübergreifende Aufbaustruktur.

Der Landesrahmenvertrag Thüringen ist in seiner Leistungsstruktur stark an diesem Konzept ausgerichtet. Er enthält in § 4 die folgenden zwei Absätze:

„(1) Hilfen nach Teil 2 des SGBIX werden für alle Leistungsberechtigten sozialräumlich erbracht. Die Definition der jeweiligen sozialräumlichen Grenzen und Zuordnungen obliegt dem örtlichen Träger der Eingliederungshilfe, wobei eine Aufgliederung des administrativen Territoriums einer Kommune in mehrere Sozialräume möglich ist. Den individuellen Bedarfen der jeweiligen Leistungsberechtigten ist durchentsprechend flexible und offene Konzepte Rechnung zu tragen. Die sozial-räumliche Abgrenzung der örtlichen Träger der Eingliederungshilfe muss nicht deckungsgleich mit den Lebensräumen der Leistungsberechtigten, die sich über mehrere nach Satz 2 zu definierende Sozialräume erstrecken können, sein. 

(2) In Bezug auf die wesentlichen Leistungsmerkmale (Sozialraum, Ziel, Art und Umfang der Leistung, personelle und sächliche Ausstattung sowie Leistungs- und Qualitätsanforderungen) stellen die personenzentrierten Komplexleistungen im Sozialraum typisierte Formen zur Leistungserbringung dar. Diese sollen: 

  • alle anerkannten Bedarfe an Leistungen der Eingliederungshilfe abdecken, 

  • strukturersetzend wirken(Wandlung von Angeboten nach Teil III und IV),

  • die Selbstbestimmung und Selbstbefähigung der Leistungsberechtigten fördern und 

  • vorrangig durch Kooperationen im Sozialraum die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit aller für die Leistungserbringung notwendigen räumlichen und sächlichen Ressourcengewährleisten. 

Der mittels Integriertem Teilhabeplan Thüringen (ITP) festgestellte Bedarf bildet die  inhaltliche Basis der Leistung. Dabei muss eine hinreichende Differenzierung des Leistungsspektrums entsprechend der regional unterschiedlichen Anforderungen gewährleistet sein.“

Der Beitrag von Leistungserbringern zu Sozialraumgestaltung wird in den Landesrahmenverträgen z.B. in Regelungen zur Prozessqualität beschrieben. Vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 5 und 6 LRV BE, § 11 Abs. 3 LRV BE, § 10 Abs.3 LRV ST. Der LRV Brandenburg legt in § 10 Abs. 3 fest:

„Die Prozessqualität umfasst insbesondere […] Maßnahmen zur Vernetzung der Angebote des Leistungserbringers in den Sozialraum […]“,

in NRW (Punkt 7.2.2 Abs. 1) findet sich die Formulierung

„Zur Prozessqualität gehören insbesondere […] Zusammenwirken der Fachkräfte (Reflexion, Koordination, Kooperation), die Anbindung in Kooperationsstrukturen und Umsetzung interdisziplinärer und trägerübergreifender Zusammenarbeit […]“.

Insofern ist die Gestaltung des Sozialraums eine wichtige Aufgabe verschiedener Akteure und insbesondere auch von Leistungserbringern. Die Finanzierung der personenunabhängigen Sozialraumarbeit erfolgt z.B. in NRW nicht über zeitbasierte Leistungspauschalen zur Assistenz, sondern über kontextabhängige Tagespauschalen im Rahmen eines Fachmoduls (LRV NW, Anlage H).

Dahinter steht vermutlich die Annahme, dass die Notwendigkeit zur Gestaltung des Sozialraums grundsätzlich für alle Leistungsberechtigten besteht und es entsprechend Sinn macht, diese Arbeit losgekoppelt von individuellen Assistenzleistungen pauschaliert zu vergüten.

Individuelle Assistenzleistung und ihr Bezug zum Sozialraum der Leistungsberechtigten ergeben sich aus dem Gesamtplan.

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