Schlechterstellung von Minderjährigen?
In der Praxis gibt es bei der Anwendung des § 83 Abs. 4 SGB IX Unsicherheiten bzgl. einer Ungleichbehandlung bzw. Schlechterstellung von Minderjährigen. (Nur noch Mehraufwand). Wie wird dies gesehen?
Schlechterstellung von Minderjährigen?
Gemäß § 83 Abs. 4 SGB IX können auch minderjährige Leistungsberechtigte Leistungen für ein Kraftfahrzeug erhalten, wenn das Führen des Kfz durch einen Dritten gewährleistet ist. Allerdings werden die Leistungen beschränkt auf “erforderliche Mehraufwendungen bei der Beschaffung des Kfz”, sofern z.B. die Anschaffung eines größeren und kostspieligeren Kfz aufgrund der Beeinträchtigung des Kindes erforderlich ist, sowie eine ggf. erforderliche Zusatzausstattung. Ausgeschlossen sind demgegenüber u.a. die Kosten der Beschaffung eines barrierefreien Kfz sowie dessen Betriebskosten und die Instandhaltung des Kfz.
Gegen diese Ausschlüsse bestehen u.a. mit Blick auf das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Bedenken. Die Begründung der Ungleichbehandlung gegenüber volljährigen Leistungsberechtigten besteht soweit erkennbar darin, dass der Gesetzgeber vom Vorhandensein eines Kfz bei den Eltern, also einer „Sowieso“-Versorgung, ausgeht. Leistungen sollen daher nur dann und soweit in Betracht kommen, „wenn Eltern allein wegen der Behinderung ihres Kindes ein größeres und damit kostspieligeres Kraftfahrzeug benötigen“ (BT-Drs. 18/9522, 264). Durch den generellen Ausschluss werden jedoch auch Fallkonstellationen erfasst, in denen die Eltern gar keinen Kfz besessen haben, insbesondere weil ihnen aufgrund ihres Einkommensniveaus oder des Bezuges existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII schlicht die Mittel zur Anschaffung, Instandhaltung und den Betrieb fehlen. In einem solchen Fall bliebe der festgestellte Bedarf des Minderjährigen nach Mobilität ungedeckt, denn nur die Übernahme der behinderungsbedingten Mehraufwendungen bei der Beschaffung nach § 83 Abs. 4 SGB IX gehen ins Leere, wenn es an einer „Basis-Versorgung“ fehlt. Diese Nichtdeckung des verfassungsrechtlich gebotenen Bedarfes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ist jedoch mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar.
Materialien
- von Boetticher, Arne (2020): Das neue Teilhaberecht, § 3 Randnummern 317–321.