Kostenerstattungsanspruch für Träger der Eingliederungshilfe
Gilt die Genehmigungsfiktion des § 18 SGB IX und der daraus folgende Kostenerstattungsanspruch für Träger der Eingliederungshilfe?
Die Genehmigungsfiktion des § 18 SGB IX gilt nicht für Träger der Eingliederungshilfe
Nach § 18 Abs. 7 SGB IX gelten die Absätze 1 bis 5 der Vorschrift nicht für die Träger der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge. Eine entsprechende Regelung war vor Inkrafttreten des durch das BTHG neu formulierten § 18 SGB IX bereits in dem bis zum 31.12.2017 geltenden § 15 Abs. 1 Satz 5 SGB IX enthalten. Eine Kostenerstattung bei nicht fristgerechter Entscheidung (§ 18 Abs. 4 SGB IX) ist daher für Träger der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge nicht möglich.
Für die in § 18 Abs. 7 SGB IX genannten Träger gilt somit weiterhin, dass ein Kostenerstattungsanspruch nur bei
- Unaufschiebbarkeit der Leistung (§ 18 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 SGB IX) oder
- bei rechtswidriger Leistungsablehnung (§ 18 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 SGB IX) bestehen kann.
Voraussetzungen:
Systemkonformität der Leistung
Die Kostenerstattung nach § 18 Abs. 6 SGB IX setzt bei beiden Alternativen voraus, dass die selbst beschaffte Reha-Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Reha-Träger systemkonform allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Erstattung Begehrende muss also nach der materiellen Rechtslage (einschließlich ggf. zu erfüllender Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. SGB I) im Hinblick auf den Primäranspruch leistungsberechtigt gewesen sein. Ebenso muss er alles Zumutbare und Erforderliche getan haben, um sich die Sachleistung zu verschaffen. (Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 18 SGB IX (Stand: 29.01.2018), Rn. 47). Ausnahmen gelten nach der BSG Rechtsprechung zum off-label-use, also Fälle, in denen ein Arzneimittel gegen eine Krankheit eingesetzt wird, für die es von den Zulassungsbehörden keine Genehmigung hat und zum Systemversagen.
Ursächlichkeit zwischen Kosten und Nichterbringung einer unaufschiebbaren Leistung bzw. der rechtswidrigen Leistungsablehnung
Zwischen der Nichterbringung einer unaufschiebbaren Leistung bzw. der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der Kostenlast des Leistungsberechtigten muss ein Ursachenzusammenhang bestehen.
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Maßgeblich für die Erstattungspflicht bei Unaufschiebbarkeit bzw. rechtswidriger Leistungsablehnung ist schließlich der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 6 Satz 1 a.E. SGB IX, wonach die Leistung notwendig, d.h. geeignet, bedarfsgerecht und wirksam sein muss (Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 18 SGB IX (Stand: 29.01.2018), Rn. 49).
Kostenschuldner ist der leistende Reha-Träger nach § 14 Absatz 2 SGB IX (§ 18 Absatz 6 Satz 2,3 SGB IX).
Unaufschiebbarkeit der Leistung, § 18 Abs.6 Satz 1 Alt. 1 SGB IX
Ob Unaufschiebbarkeit vorliegt, ist nach dem medizinisch und rehabilitationswissenschaftlich zu beurteilenden objektiven Bedarf zu bestimmen. Dem Betroffenen darf es nicht möglich oder zumutbar sein, vor der Beschaffung die Entscheidung des Trägers abzuwarten (Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 18 SGB IX (Stand: 29.01.2018), Rn. 53).
Zu Unrecht abgelehnte Leistung, § 18 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 SGB IX
Schließlich kann ein Erstattungsanspruch bestehen, wenn der Träger eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Betroffenen dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Einer zu Unrecht abgelehnten Leistung ist eine Leistung gleichzusetzen, deren Bewilligung zu Unrecht aufgehoben wurde. Dieser Beschaffungstatbestand gilt wiederum auch im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge. Ob eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, beurteilt sich nach § 14 SGB IX in Verbindung mit den jeweiligen Anspruchsnormen (§§ 42 ff., 49 ff., 64 ff., 75 und 76 ff. SGB IX und den für die jeweiligen Reha-Träger geltenden spezialgesetzlichen Regelungen der Leistungsgesetze). Zu beachten ist insbesondere auch hier, dass der nach § 14 SGB IX zuständige Träger auch die Anspruchsgrundlagen der Leistungsgesetze anderer Reha-Träger prüfen muss (Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 18 SGB IX (Stand: 29.01.2018), Rn. 57).