Unterschied zwischen ICD und ICF
Was ist der Unterschied zwischen dem bio-medizinischen Modell (ICD) und dem bio-psycho-sozialen Modell der ICF?
Bio-medizinisches Modell der ICD
Im bio-medizinischen Modell der ICD wird eine funktionale Beeinträchtigung in erster Linie als Folge eines gesundheitlichen Problems der jeweiligen Person aufgefasst. Insofern bedarf es einer medizinischen Behandlung mit dem Ziel der Heilung oder Anpassung des Menschen mit Behinderungen (Schuntermann 2013: 31f.).
Bio-psycho-soziales Modell der ICF und Verhältnis zur ICD
Zugleich ist die ICD und deren international einheitliche Diagnose von Krankheiten auch ein Bestandteil des bio-psycho-sozialen Modells der ICF, da dieses immer auf der Diagnose eines Gesundheitsproblems basiert (WHO 2005: 9f.). Anders als die ICD zielt die ICF jedoch nicht auf ein einheitliches Verständnis von Gesundheitsproblemen, sondern auf ein einheitliches Verständnis der Auswirkungen von Gesundheitsproblemen sowohl für Menschen mit als auch ohne Behinderungen ab:
„Gesundheitsprobleme (Krankheiten, Gesundheitsstörungen, Verletzungen usw.) werden innerhalb der Internationalen Klassifikationen der WHO hauptsächlich in der ICD-10 (Kurzbezeichnung für die Internationale Klassifikation der Krankheiten, 10. Revision) klassifiziert, die einen ätiologischen Rahmen liefert. Funktionsfähigkeit und Behinderung, verbunden mit einem Gesundheitsproblem, sind in der ICF klassifiziert. Deshalb ergänzen die ICD-10 und die ICF einander, und Anwender sind aufgerufen, beide Klassifikationen der WHO-Familie der Internationalen Klassifikationen gemeinsam zu verwenden. Die ICD-10 stellt eine „Diagnose“ von Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder anderen Gesundheitszuständen zur Verfügung, und diese Information wird mit zusätzlichen Informationen zur Funktionsfähigkeit, welche die ICF liefert, erweitert. Informationen über Diagnosen (ICD-10) in Verbindung mit Informationen über die Funktionsfähigkeit (ICF) liefern ein breiteres und angemesseneres Bild über die Gesundheit von Menschen oder Populationen, welches zu Zwecken der Entscheidungsfindung herangezogen werden kann“ (WHO 2005: 9f.).
Kontextfaktoren der ICF
Das bio-psycho-soziale Modell betrachtet die funktionale Beeinträchtigung dabei im Zusammenspiel mit Kontextfaktoren. Zu den Kontextfaktoren zählen Umweltfaktoren (u. a. Produkte und Technologien, natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt, Unterstützung und Beziehungen) und personbezogene Faktoren (u. a. Alter, Geschlecht, Charakter, Beruf, Motivation) (ebd.: 21). Die Kontextfaktoren werden dabei vielfach vom gesellschaftlichen Umfeld beeinflusst. Für die Teilhabe an der Gesellschaft macht es beispielsweise einen Unterschied, ob Menschen mit einer funktionalen Beeinträchtigung auf bauliche und technische Barrieren treffen oder ob ein barrierefreier Zugang etwa zu Gebäuden und Informationen gewährleistet wird.
Variation der Kontextfaktoren
In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die „Variation der Kontextfaktoren“ (Schuntermann 2013: 40) ein zentrales Element des Behinderungsverständnisses gemäß der ICF ist (WHO 2005: 22). Durch den Abbau von Barrieren und die Schaffung von Förderfaktoren ist es somit möglich, die Teilhabe an der Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Teilhabeeinschränkungen sind damit in erster Linie nicht als medizinisches Problem einer Person, sondern als gesellschaftlich bedingtes Problem zu verstehen „und es gehört zu der gemeinschaftlichen Verantwortung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, die Umwelt so zu gestalten, wie es insbesondere für eine volle Teilhabe der Menschen mit Gesundheitsproblemen (ICD) an allen Bereichen des sozialen Lebens erforderlich ist“ (Schuntermann 2013: 32).
Materialien
-
Schuntermann, Michael F. (2013): Einführung in die ICF. Grundkurs, Übungen, offene Fragen. Heidelberg et al.: ecomed Medizin (4. Aufl.).
-
WHO (2005): ICF – Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Genf: WHO.