Fachdiskussion Teilhabe am Arbeitsleben

30. April bis 8. Juni 2018

Teilhabe am Arbeitsleben

Im Zentrum der Fachdiskussion stehen die zahlreichen Herausforderungen, die durch die Neuregelungen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die (zukünftigen) Träger der Eingliederungshilfe, für WfbM und für Integrationsämter entstehen.

Die UN-BRK: Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes

Das BTHG entwickelt das deutsche Sozialrecht in Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) weiter. Mit Art. 27 Abs. 1 UN-BRK haben die Vertragsstaaten „das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit“ anerkannt. Dies umfasst vor allem „das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird“. In den abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands aus dem Jahr 2015 empfiehlt der Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen der UN „einen inklusiven, mit dem Übereinkommen in Einklang stehenden Arbeitsmarkt zu schaffen“ (UN 2015: 9).

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im BTHG

Die Teilhabe am Arbeitsleben ist ein zentraler Punkt, in dem das BTHG deutsches Recht in Bezug auf die UN-BRK weiterentwickelt (BT-Drs. 18/9522: 188f.). Das BTHG zielt darauf ab, die Anreize für Menschen mit Behinderungen auf persönlicher und institutioneller Ebene zu verbessern, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen (ebd.: 191). Dabei „sollen vor allem den Menschen mit Behinderungen, die heute einen Anspruch auf Leistungen in einer WfbM [Werkstatt für behinderte Menschen, Anm. d. Red.] haben, Chancen außerhalb der Werkstatt eröffnet werden“ (ebd.: 194). Insofern betreffen die Änderungen des BTHG im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben Menschen mit Behinderungen, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind.

Für diese Personengruppe sollen insbesondere durch zwei neue Leistungsarten Alternativen zur Beschäftigung in einer WfbM geschaffen werden, die mit § 140 SGB XII (ab 2020 § 111 SGB IX) sowie im Teil 1 des SGB IX zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten sind:

  1. Leistungen bei anderen Leistungsanbietern und
  2. Leistungen bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern (Budget für Arbeit).

Zugleich wurde für Werkstattbeschäftigte, die bei einem anderen Leistungsanbieter oder im Rahmen eines Budgets für Arbeit am Arbeitsleben teilgenommen haben, ein Rückkehrrecht in die WfbM eingeführt (§ 220 Abs. 3 SGB IX).

Andere Leistungsanbieter (§ 140 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, §§ 60, 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX)

Andere Leistungsanbieter sind keine Arbeitgeber, sondern „Anbieter beruflicher Bildung oder Beschäftigung wie die WfbM“ (BAGüS 2017: 5). Insofern bieten sie Leistungen, die auch in einer WfbM erbracht werden. Menschen mit Behinderungen können damit bei anderen Leistungsanbietern sowohl Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich als auch Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM in Anspruch nehmen (§ 60 Abs. 1 SGB IX). Andere Leistungsanbieter müssen dabei die Vorgaben der Werkstattverordnung – bis auf einige Ausnahmen (u. a. keine förmliche Anerkennung notwendig, keine Mindestplatzzahl, Beschränkung des Angebots auf (Teil-)Leistungen nach § 57 oder § 58 SGB IX) – erfüllen (§ 60 Abs. 2 SGB IX).

Budget für Arbeit (§ 140 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, §§ 61, 111 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX)

Beim Budget für Arbeit handelt es sich um einen Lohnkostenzuschuss, den Arbeitgeber im privaten oder öffentlichen Bereich erhalten, die Menschen mit Behinderungen mit Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM einstellen. Voraussetzung ist der Abschluss eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung (§ 61 Abs. 1 SGB IX). Der Lohnkostenzuschuss beträgt höchstens 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Durch Landesrecht kann von diesem Prozentsatz nach oben abgewichen werden. Von dieser Möglichkeit wurde bereits Gebrauch gemacht. So wurde der Lohnkostenzuschuss etwa in Bayern auf 48 Prozent erhöht. Neben dem Lohnkostenzuschuss umfasst das Budget für Arbeit auch die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz (§ 61 Abs. 2 SGB IX).

Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen (§ 62 SGB IX)

Die Bestimmungen des BTHG im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben sollen zugleich das Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen stärken. Sie können sich in Zukunft aussuchen, ob sie die Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich sowie die Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM von einer Werkstatt, von einem oder mehreren anderen Leistungsanbietern oder sowohl von einer WfbM als auch von einem oder mehreren anderen Leistungsanbietern in Anspruch nehmen möchten (§ 62 Abs. 1 SGB IX). Um dieses Wahlrecht zu realisieren, bedarf es der Zusammenarbeit zwischen WfbM und anderen Leistungsanbietern (BT-Drs. 18/9522: 257; BAGüS 2017: 3).

Einsatz von Einkommen und Vermögen

Bei der Gewährung von Leistungen zum Budget für Arbeit und bei anderen Leistungsanbietern wird Vermögen nicht angerechnet (§ 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII bzw. ab 1. Januar 2010 § 140 Abs. 3 SGB IX). Hier schließt der Gesetzgeber an die bisherigen Regelungen für Beschäftigte der WfbM an.

Soweit das Einkommen die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII übersteigt und der Einsatz des Einkommens nach § 87 SGB XII zuzumuten ist, wird die Anrechnung des Einkommens bei Leistungen zum Budget für Arbeit und bei anderen Leistungsanbietern auf die Kosten des Lebensunterhalts beschränkt (§ 92 Abs. 2 Nr. 7 SGB XII). Das bedeutet, ein Kostenbeitrag für die eigentliche Fachleistung wird nicht erhoben. Auch hier folgt die Gewährung der neuen Leistungen den Regeln, die bislang für die Beschäftigung in einer WfbM galten.

Ab dem 1. Januar 2020 sind diese Regelungen in § 140 Abs. 3 SGB IX (Einsatz des Vermögens) und § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (Besondere Höhe des Beitrages aus Einkommen) zu finden. Eine besondere Regelung zur Heranziehung zu den Kosten des Lebensunterhalts ist dann nicht mehr nötig, denn der Lebensunterhalt kann dann entweder selbst bestritten werden oder wird durch einen Träger der Grundsicherung erbracht.

Fachausschuss der WfbM und Teilhabeplanverfahren

Die Fachausschüsse der WfbM haben bislang über die Aufnahme eines Menschen mit Behinderungen in eine Werkstatt und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beraten und eine entsprechende Stellungnahme abgegeben. Diese Funktion des Fachausschusses wird in Zukunft durch das Teilhabeplanverfahren ersetzt. Durch Art. 19 Abs. 17 BTHG wurde in der Werkstättenverordnung (WVO) der § 2 Abs. (1a) wie folgt eingefügt: „Ein Tätigwerden des Fachausschusses unterbleibt, soweit ein Teilhabeplanverfahren nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch durchgeführt wird.“

Ein Teilhabeplanverfahren findet statt, sofern Leistungen mehrerer Leistungsgruppen oder Rehabilitationsträger gleichzeitig oder in einem von vornherein absehbaren Zeitraum nacheinander erfolgen. Diesbezüglich führt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) im Arbeitsentwurf „Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess“ (PDF-Dokument) aus, dass eine Teilhabeplanung auch dann durchzuführen ist, „wenn im jeweiligen konkreten Einzelfall Anlass zur Annahme besteht, dass mehrere gleichzeitig durchzuführende oder aufeinander folgende Leistungen zur Teilhabe (verschiedener Leistungsgruppen) oder mehrerer Rehabilitationsträger oder des Integrationsamtes zur Erreichung der Teilhabeziele erforderlich werden“ (BAR 2018: 37). Insofern ist auch bei Erstaufnahmen in die WfbM ein Teilhabeplanverfahren und nicht ein Fachausschussverfahren anzuwenden (BAGüS 2017: 17).

Herausforderungen für die Träger der Eingliederungshilfe, WfbM und Integrationsämter

Durch die Neuregelungen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ergeben sich zahlreiche Herausforderungen insbesondere für die (zukünftigen) Träger der Eingliederungshilfe, für WfbM und für Integrationsämter. Dabei sind die Träger der Eingliederungshilfe in der Regel zuständig für Leistungen im Arbeitsbereich der WfbM, für Leistungen bei anderen Leistungsanbietern und für den Lohnkostenzuschuss und die Assistenzleistungen im Rahmen des Budgets für Arbeit. WfbM sind zur Zusammenarbeit mit anderen Leistungsanbietern aufgefordert, um Übergänge zu ermöglichen und das Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen zu realisieren. Für Integrationsämter ergeben sich neue Anforderungen und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit den Trägern der Eingliederungshilfe und mit weiteren Rehabilitationsträgern im Rahmen der Unterstützung potenzieller Arbeitgeber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Schwerpunkte der Diskussion

  • Wie erfolgt bei Ihnen die Umsetzung der Neuregelungen im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben?
  • Welche Fragen haben Sie zum Budget für Arbeit und zu anderen Leistungsanbietern?
  • Wie funktioniert bei Ihnen die Ansprache der Arbeitgeber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt?
  • Wie gewährleisten Sie bei Ihnen vor Ort die Zusammenarbeit mit Rehabilitationsträgern, Integrationsämtern, anderen Leistungsanbietern, WfbM und Arbeitgebern des Budgets für Arbeit?
  • Welche Fragen haben Sie zur Umsetzung in den Bundesländern?

Links und Materialien zur Diskussion

Beteiligungsseite

Beiträge zur Fachdiskussion

Hier gelangen Sie zur Beteiligungsseite der Fachdiskussion Teilhabe am Arbeitsleben. Im Reiter „Beiträge“ finden Sie alle Fragen, die wir mit Zustimmung des Absenders veröffentlichen durften.

Leichte Sprache

Fach-Diskussion vom 30. April bis 8. Juni 2018

Hier finden Sie den Text in Leichter Sprache.

Unsere Experten

Portraitfotos von Konstantin Fischer und Dr. Martin Kaufmann, BAG WfbM e.V.

© BAG WfbM | B. Knabe

Konstantin Fischer und Dr. Martin Kaufmann

Konstantin Fischer ist Rechtsanwalt und Referent Recht bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM). Dr. Martin Kaufmann leitet das Berliner Büro der BAG WfbM und ist Referent Wirtschaft.

Unsere Experten

Portraitfoto von Simone Wuschech

© Paul Esser

Simone Wuschech ist Leiterin des Integrationsamts in Cottbus und stellvertretende Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH).

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