Die Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Träger der Eingliederungshilfe sind in § 106 SGB IX aufgeführt. Sie sind zum einen konkreter auf die Eingliederungshilfe zugeschnitten als die allgemeinen Vorschriften in § 14 ff. SGB I und § 12 SGB IX. Zum anderen hat der Bundesgesetzgeber den Aufgabenkatalog konkretisiert, „um aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit den erhöhten Anforderungen gerecht zu werden“ (Drs. 18/9522, S. 281). Die Gesetzesbegründung zum BTHG stellt heraus, dass eine umfassende Beratung, Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen die Grundlage für selbstbestimmte Teilhabe bildet (ebd. S. 281).
Beratungs- und Unterstützungsleistungen
Der Anspruch auf Beratung nach § 106 Absatz 1 SGB IX ist nicht an die Leistungsberechtigung im Sinne des § 99 SGB IX geknüpft (BeckOK SozR/Kellner SGB IX § 106 Rn. 6, 7). Der Mensch mit Behinderungen kann in der Beratung eine Person des Vertrauens hinzuziehen. Die Beratung soll in einer für den Menschen mit Behinderungen wahrnehmbaren Form erfolgen. Für die Dienstleistung „Beratung und Unterstützung“ legt § 105 Abs. 2 SGB IX zudem fest, dass sie Angelegenheiten der Eingliederungshilfe und „sonstige soziale Angelegenheiten“ umfasst. Die Aufgabenkataloge in § 106 Abs. 2, 3 SGB IX erstrecken sich demnach ebenfalls auf diese (BeckOK SozR/Kellner SGB IX § 106 Rn. 12).
Der Aufgabenkatalog in § 106 Abs. 2 SGB IX ist im Gegensatz zur alten Regelung im SGB XII nicht abschließend. Die Regelung wurde um mögliche Beratungsgegenstände ergänzt. Zum Beispiel soll der Träger der Eingliederungshilfe vor dem Hintergrund der Nachrangigkeit der Eingliederungshilfe zu den Leistungen und Verwaltungsabläufen anderer Leistungsträger beraten.
Auch der für Unterstützungsaufgaben in § 106 Abs. 3 SGB IX aufgeführte Katalog ist nicht abschließend. Ziel des Bundesgesetzgebers war es, dass leistungsberechtigte Personen „zügig und erfolgreich die notwendigen Leistungen“ erhalten (Drs. 18/9522, S. 281). Neben der Unterstützung im gesamten Verwaltungsverfahren und das Hinwirken auf zeitnahe Entscheidungen und Leistungen anderer Leistungsträger wird dort auch Unterstützung im Zusammenhang mit der Leistungserbringung aufgeführt.
Anforderungen an die Träger der Eingliederungshilfe
Die in § 106 SGB IX aufgeführten Leistungen stellen hohe Anforderungen an die Struktur und die Qualifizierung der Mitarbeitenden des Eingliederungshilfeträgers.
- Zum einen muss ausreichend und entsprechend ausgebildetes Personal für die Beratung und Unterstützung der Menschen mit Behinderungen vorgehalten werden. Zudem müssen Informationen so vorbereitet werden, dass sie in einer „wahrnehmbaren Form“ zur Verfügung stehen. Hier verweist die Gesetzesbegründung auf Art. 21 der UN-BRK und benennt insbesondere die Leichte Sprache.
- Zum anderen muss die Verknüpfung mit dem Fallmanagement geklärt werden, z.B. durch wen und wie die Unterstützungsleistungen im Verwaltungsverfahren gewährleistet werden.
- Letztlich muss der Träger der Eingliederungshilfe im Sozialraum sehr gut vernetzt sein.
Besondere Bedeutung kommt den Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Eingliederungshilfe auch durch das neue Betreuungs- und Vormundschaftsrechts zu, das zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Damit unterstreicht der Bundesgesetzgeber die Subsidiarität der Betreuung und den Vorrang anderer Hilfen (§ 1814 Abs. 3 Nr. 2 BGB n.F.). Zudem sind die Betreuungsbehörden nach § 8 Abs. 1 BtOG angehalten, zur Vermeidung der Bestellung einer Betreuung, Beratung und Unterstützung anzubieten und in diesem Zusammenhang auf andere Hilfen zu verweisen.
Schwerpunkte der Diskussion
- Welche Erfahrungen haben Sie in der Umsetzung oder Inanspruchnahme der Leistungen nach § 106 SGB IX bisher gemacht?
- Welche strukturellen/organisationalen Änderungen haben Sie vorgenommen, um die Leistungen nach § 106 SGB IX zu erbringen?
- Wie müssen Mitarbeitende des Leistungsträgers aus Ihrer Sicht qualifiziert werden, um die Beratungs- und Unterstützungsleistungen zu erbringen?
- Wie realisieren Sie, dass Mitarbeitende des Leistungsträgers zu den Leistungen und Verwaltungsverfahren anderer Reha-Träger beraten können?
- Welche Vorkehrungen haben Sie getroffen, um Beratung und Unterstützung in einer für den Leistungsberechtigten „wahrnehmbaren Form“ zu leisten?
- Wie erleben Sie die Zusammenarbeit im Sozialraum? Welche Maßnahmen sind in Ihrer Kommune hilfreich, um eine Vernetzung der relevanten Akteure zu erreichen
BTHG-Kompass
Antworten auf Ihre Beiträge
Ihre Beiträge zu den Fachdiskussionen haben wir unter anderem mit der Hilfe von Expertinnen und Experten beantwortet. Sie finden die von uns beantworteten Beiträge in unserem BTHG-Kompass unter folgendem Link.