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BTHG-Kompass 2.0

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 2.0

Mitwirkung der maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen an den Rahmenverträgen

Gemäß § 131 Abs. 2 SGB IX wirken die durch Landesrecht bestimmten maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mit.

Was bedeutet das konkret? Ergibt sich daraus auch ein Stimmrecht für die Interessenvertretung oder gar ein Vetorecht?



Antwort:

In § 131 Abs. 1 SGB IX ist festgelegt, welche Beteiligten die Rahmenverträge schließen. Dies sind die Träger der Eingliederungshilfe auf Landesebene und die Vereinigungen der Leistungserbringer. Die Interessenverbände der Menschen mit Behinderungen sind somit nicht Vereinbarungspartner der Rahmenverträge.

Die Interessenverbände der Menschen mit Behinderungen wirken lediglich bei der Erarbeitung und Beschlussfassung mit. Es geht nur um ein „Mitwirken“ im Sinne einer beratenden Funktion und nicht um ein „Mitbestimmen“. Die beratende Funktion der maßgeblichen Interessenvertretungen wird auch im ursprünglichen Regierungsentwurf hervorgehoben (BT-Drs. 18/9522: 300).

Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt sachgerecht, dass nur die Träger der Eingliederungshilfe als Kostenträger einerseits und die Leistungserbringer andererseits entsprechende Pflichten aus den Rahmenverträgen zu tragen haben, nicht jedoch die maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen.

Die Mitwirkung ist „durch die Teilnahme an den Verhandlungen und die Möglichkeit schriftlicher Stellungnahmen umsetzbar“ und „nicht auf ein frühes Stadium des Landesrahmenvertrages beschränkt“ (v.  Boetticher 2018: 218). Für eine andere Ansicht vgl. Plagemann 2018.

 

Träger der Eingliederungshilfe und Vereinigungen der Leistungserbringer als VertragsparteienMaterialien

Leistungstrennung bei volljährigen Bewohner/innen in Komplexeinrichtungen für Minderjährige

Ist die Leistungstrennung auch für die (einzelnen) jungen Erwachsenen anzuwenden, die entsprechend ihres Bedarfs in einer besonderen Wohnform leben? Das sind Menschen, die das 18. Lebensjahr überschritten haben oder demnächst überschreiten und nicht in einem Schulinternat o. ä. in § 134 Abs. 2 SGB IX ausdrücklich genannten Unterbringungen, sondern einfach in einem „Wohnheim der Eingleiderungshilfe“ leben.

Die Frage ist für Leistungsträger in gleichem Maße relevant wie für Leistungserbringer.



Antwort:

§ 134 SGB IX ist eine abschließende Regelung und einer Auslegung nicht zugänglich

Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

Die Trennung der Leistungen wird in den bisherigen stationären Einrichtungen nach § 142 bzw. § 134 SGB IX nur bei Minderjährigen und in eng begrenzten Sonderfällen nicht vorgenommen. Nur in diesen Fällen werden alle Leistungen weiterhin als Gesamtleistung erbracht. Neben den Minderjährigen sind von der Sonderregelung nach § 142 Absatz 3 SGB IX i.V.m. § 134 Absatz 4 SGB IX nur volljährige Leistungsberechtigte erfasst, die Leistungen zur Schulbildung nach § 112 Absatz 1 Nummer 1 bzw. Leistungen zur schulischen Ausbildung für einen Beruf nach § 112 Absatz 1 Nummer 2 SGB IX erhalten, soweit diese Leistungen in besonderen Ausbildungsstätten über Tag und Nacht für Menschen mit Behinderungen (also in entsprechenden Internaten) erbracht werden. Eine andere Auslegung ist aus Sicht des BMAS nicht möglich. Einige Leistungserbringer fordern, diese Sonderregelung auf weitere Volljährige auszuweiten. Gefordert wird vor allem, dass auch Volljährige, die in Einrichtungen wohnen, in denen vor allem Minderjährige leben, von der Trennung der Leistungen ausgenommen werden. Denn für auf Minderjährige spezialisierte Einrichtungen sei der administrative und operative Aufwands von zwei verschiedenen Finanzierungssystemen - auf der einen Seite für Minderjährige und auf der anderen Seite für Volljährige - zu hoch. Diese Forderung der Leistungserbringer wurde bereits im Rahmen der Vorbereitung des SGB IX/XII-Änderungsgesetzes intensiv erörtert und vom BMAS abgelehnt. Auch die Länder haben nunmehr von dieser Forderung Abstand genommen und keinen Änderungsantrag im Rahmen des Bundesratsverfahrens gestellt.

Das BMAS lehnt die Forderung nach einer Ausweitung der Nicht-Trennung der Leistungen auf weitere Volljährige ab. Denn das BMAS hält an dem mit dem BTHG eingeführten Grundsatz fest, dass für alle volljährigen Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen die Trennung der Leistungen als Teil der Personenzentrierung des Leistungsbezugs vollzogen werden soll. Die Trennung der Leistungen soll langfristig die leistungsrechtliche Gleichstellung aller Menschen mit Behinderungen bewirken, unabhängig davon, wo diese wohnen. Bewohner bisheriger stationärer Einrichtungen sollen dadurch selbstbestimmter entscheiden können, welche Leistungen sie von wem in Anspruch nehmen möchten. Eine Erweiterung der bestehenden Ausnahmeregelung würde weitere Personen von diesen Vorteilen der Personenzentrierung ausnehmen und neue Schnittstellen eröffnen. Weiter ist zu befürchten, dass eine Ausweitung der Ausnahmeregelung dazu führen würde, dass der gesamte Prozess der Personenzentrierung nochmals in Frage gestellt wird. Im Übrigen wurde eine Ausweitung der Ausnahmeregelung auch nicht in der Bund-Länder „AG Personenzentrierung“ thematisiert, in deren Rahmen die Grundlagen der Trennung der Leistungen erörtert wurden und an der die Leistungserbringer ebenfalls beteiligt waren. Dem BMAS ist bewusst, dass den Leistungserbringern durch die verschiedenen Vergütungs- und Abrechnungsstrukturen für Minderjährige einerseits und für junge Volljährige andererseits ein administrativer und operativer Aufwand entsteht, wenn diese beiden Personengruppen in einer Einrichtung leben. Angesichts des Zwecks der Trennung der Leistungen - die personenzentrierte, individuelle Leistungserbringung und damit Stärkung der Selbstbestimmung für alle Erwachsenen - ist der den Leistungserbringern entstehende Aufwand aber aus unserer Sicht gerechtfertigt.

 

Leistungstrennung in geschlossenen Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Was ist von Seiten der Einrichtung zu tun, wenn eine Person mit Behinderung (z. B. einer Suchterkrankung) ablehnt, einen Antrag auf Grundsicherung oder auf Fachleistung zu stellen?

Wie ist zu verfahren, wenn in einer geschlossenen Einrichtung eine rechtliche Betreuung beispielsweise nur in der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung vorliegt, nicht aber in der Vermögenssorge?

Was ist von Seiten der Einrichtung zu veranlassen, wenn eine Person mit Behinderung (z. B. einer psychischen Erkrankung) ablehnt, bei dem fortan erforderlichen Antrag auf Grundsicherung mitzuwirken?



Antwort:

Regelung in Landesrahmenverträgen ist sinnvoll

Geschlossene Einrichtungen werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch ab dem 1. Januar 2020 als stationäre Einrichtungen behandelt werden mit der Folge, dass die Finanzierung wie bisher als „Komplettpaket“ durch den Träger der Eingliederungshilfe über Grund- und Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag erfolgen wird. Fraglich ist hierbei, ob auf geschlossene Einrichtungen die Norm des § 134 SGB IX („Sonderfälle“) direkt oder analog angewendet werden kann. Meines Erachtens kann die Beantwortung dieser Frage offenbleiben, da das BTHG die Vereinbarung auch einer Grundpauschale nicht ausschließt, sondern in § 134 SGB IX ausdrücklich zulässt und andererseits von einem Weiterexistieren stationärer Einrichtung (vgl. Wortlaut des § 103 Abs. 1 SGB IX) ausgeht. Bei Vorliegen einer stationären Einrichtung, worunter geschlossene Einrichtungen zweifelsfrei fallen dürften, sieht § 27b Abs. 1 S. 1 SGB XII ausdrücklich vor, dass „der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt umfasst.“

Im Freistaat Thüringen wurde deshalb im Entwurf zum Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX in § 26 Abs. 2 geregelt, dass „die Vergütung [...] in der Regel aus der Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung, der Maßnahmepauschale sowie einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag)“ besteht.

Sinnvollerweise sollte dies in jedem Bundesland im Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX explizit geregelt werden.

Sofern in Ihrem Bundesland eine ähnliche rahmenvertragliche Regelung wie in Thüringen existiert, entfällt das Erfordernis der Beantragung von Grundsicherungsleistungen, da der Lebensunterhalt dann Bestandteil der Eingliederungshilfe ist. Für die Erlangung des Barbetrages und der Kleidergeldpauschale nach § 27b SGB IX ist nach § 18 Abs. 1 SGB XII kein gesonderter Antrag vonnöten (die Sozialhilfe setzt mit Bekanntwerden des Hilfebedarfs ein).

Für die Eingliederungshilfe gilt allerdings ab dem 1. Januar2020 nach § 108 Abs. 1 SGB IX ein Antragserfordernis. Dieses wird aber nach § 108 Abs. 2 SGB IX dann eingeschränkt, wenn der Hilfebedarf bereits in einem Gesamtplanverfahren festgestellt worden ist. In diesen Fällen ist dann also kein (erneuter) Antrag erforderlich.

Das Antragserfordernis nach § 108 Abs. 1 SGB IX ist meines Erachtens in geschlossenen Einrichtungen in zweierlei Hinsicht zu betrachten:

Sofern eine Unterbringung durch richterlichen Beschluss nach § 1906 BGB oder nach einem Unterbringungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes gegeben ist, kann von der untergebrachten Person sinnvollerweise kein Antrag gefordert werden. Lediglich den Betreuer trifft die Pflicht, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Sofern dessen Betreuung nicht auch die Vermögenssorge umfasst, dürfte dies unschädlich sein, da die Berechtigung zur Antragstellung bereits aus den Aufgabenbereichen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung folgt. Jedenfalls folgt dieses Recht aber auch aus dem Aufgabenbereich „Vertretung vor Behörden“.

Wenn sich die Betroffenen aber freiwillig in einer geschlossenen Einrichtung aufhalten und sich weigern, einen Antrag auf Eingliederungshilfe zu stellen und sie nicht unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt stehen, mithin also in ihrer Geschäftsfähigkeit nicht eingeschränkt sind, kann die Betreuung durch den Leistungserbringer nicht fortgesetzt werden und der Heimvertrag kann nach § 12 WBVG gekündigt werden. Eine gesetzliche „Pflicht“ zur Beantragung von Eingliederungshilfe besteht jedenfalls nicht.

Allerdings wird in der Regel anzunehmen sein, dass für Bewohner in geschlossenen Einrichtungen bereits ein Gesamtplanverfahren durchgeführt wurde und die Beantragung von Eingliederungshilfe daher nach § 108 Abs. 2 SGB IX obsolet ist.

Hinsichtlich Ihrer letzten Teilfrage (Verweigerung eines Antrages auf GruSi durch Person mit psychischer Erkrankung) verweise ich auf meine vorstehenden Ausführungen, sofern sich diese Frage auf geschlossene Einrichtungen bezieht.

Ansonsten muss aufgrund der Leistungstrennung in sogenannten besonderen Wohnformen befürchtet werden, dass die Lebensunterhaltskosten (KdU, Regelbedarf) in der Wohnform nicht gedeckt werden können. Auch hier wäre der Leistungserbringer nach § 12 WBVG berechtigt, den Heimvertrag zu kündigen.

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