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BTHG-Kompass 4.3

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 4.3

Zuständiger Eingliederungshilfeträger

Kind lebte in 2015 mit Eltern in Hessen. Aus familiären Gründen erfolgte durch unser Jugendamt eine Unterbringung in einer Erziehungsstelle gem. § 35a SGB VIII. Das Kind hatte u.a. einen festgestellten Autismus sowie einen Förderbedarf Lernen (IQ 73) und eine posttraumatische Entwicklungsstörung.

Gemäß § 86(6) SGB VIII erfolgte ein Zuständigkeitswechsel an das Jugendamt am Ort der Pflegefamilie. Nun wurde letztes Jahr festgestellt, dass der IQ des Kindes nur bei 62 sei. Daher begehrt das bisherige Jugendamt nun die Fallübernahme im Fachdienst Inklusion und Teilhabe (= örtlicher Eingliederungshilfeträger). Fraglich ist, ob in § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mit dem „Zeitpunkt der ersten Antragsstellung“ der Antrag gem. § 35a SGB VIII aus 2015 gemeint sein kann oder nicht eher ein erster Antrag im SGB IX, da der Verweis auf § 108 SGB IX erfolgt. Im § 108 SGB IX wird auf „Leistungen aus diesem Teil“, also ab § 90 SGB IX verwiesen (nicht auf Leistungen generell, z.B. auch aus dem SGB VIII). Also anders gefragt: Kann heute bei einer nun festgestellten Mehrfachbehinderung und einem erstmaligen Bedarf aus dem SGB IX der g.A. von vor 6 Jahren maßgeblich sein oder begründet nicht der gewöhnliche Aufenthalt in der Pflegefamilie von heute für den Leistungsberechtigten die Zuständigkeit des für den jetzigen Wohnort zuständigen örtlichen Eingliederungshilfeträgers?



Antwort:

Zuständiger Eingliederungshilfeträger

Die Beteiligten gehen nach der Sachverhaltsschilderung davon aus, dass seit der IQ-Testung der Vorrang des Teil 2 SGB IX vor dem SGB VIII nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII greift und demnach die vorrangige sachliche Leistungszuständigkeit beim Träger der Eingliederungshilfe liegt. Zunächst ist grundsätzlich zu fragen, ob eine Fallübergabe überhaupt zulässig ist. 

Nach Auffassung des BSG (01.03.2018 - B 8 SO 22/16 R) ist eine Fallübergabe im Anwendungsbereich des § 14 SGB IX ausgeschlossen. Der VGH München hat in einer früheren Entscheidung (07.10.2013 - 12 B 11.1886) einen Anspruch auf Fallübernahme im Zusammenhang mit einem bestehenden Kostenerstattungsanspruch bejaht. Das BVerwG (22.06.2017 - 5 C 3.16) hält Fallübergaben bei Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zwischen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe für zulässig. In der Praxis sind Fallübergaben bei Wechsel der Zuständigkeit üblich.

Soweit man der Auffassung ist, dass eine Fallübergabe bei vorliegendem Sachverhalt zulässig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe nach § 98 SGB IX.

 § 98 Abs. 4 SGB IX enthält eine Sonderregel für stationäre Aufenthalte. Für die Definition des stationären Aufenthalts ist auf die Definition der stationären Einrichtung nach § 13 SGB XII zurückzugreifen (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB IX, § 98 Rn. 11). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie stellt danach keine stationäre Einrichtung dar (BSG 26.10.2017 - B 8 SO 12/16 R) und die Sonderregel greift nicht ein, da nicht von einem stationären Aufenthalt auszugehen ist. Die Übergangsregelungen nach § 98 Abs. 5 SGB IX bleiben auch außer Betracht, da keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII am 31.12.2019 gewährt wurden. Deshalb richtet sich die örtliche Zuständigkeit vorliegend nach § 98 Abs. 1 SGB IX. Danach ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Abs. 1 SGB IX hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie dürfte nach allgemeinem Verständnis eine Betreuung über Tag und Nacht darstellen und insoweit als vorrangige Alternative maßgebend sein. D.h. die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe liegt dort, wo die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt hatte.

Abgrenzung Assistenzleitungen nach SGB IX und Leistungen nach SGB VIII

Eine Frage zur Abgrenzung der Assistenzleistungen: In §20 SGB VIII sind Notsituationen genannt ohne nähere Zuschreibung, im §74 SGB IX sind medizini­sche und Rehabilitationsleistungen genannt. Wie sollen dann in Zukunft Hilfen für Familien in Ausnahmesituationen möglich sein? Z. 8. nach Mehrlingsgeburten oder bei schwerer Erkrankung eines Kindes?



Antwort:

Abgrenzung der Leistungen nach dem SGB IX von den Leistungen nach dem SGB VIII

Leistungen nach § 74 SGB IX zählen zur Leistungsgruppe unterhaltssicherende und andere ergänzende Leistungen. Leistungen aus dieser Leistungsgruppe werden lediglich ergänzend zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zu Leistungen zur medizinischen Rehabili­tation gewährt (v. Boetticher/Kuhn-Zuber, Rehabilitationsrecht, Rn. 189 f.). Eine alleinige Gewährung ist ausgeschlossen. Außerdem sind sowohl die Träger der öffentlichen Jugend­hilfe als auch die Träger der Eingliederungshilfe keine Rehabilitationsträger für diese Leis­tungsgruppe (§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 7 SGB IX).

Für die Abgrenzung der Leistungen des SGB VIII zu Leistungen anderer Teile des Sozialge­setzbuchs enthält§ 10 SGB VIII die Kollisionsregeln. Zum Eingreifen des§ 10 SGB VIII muss bei beiden infrage stehenden Leistungen ein Leistungsanspruch bestehen (d.h. die Leistungsvoraussetzungen aus unterschiedlichen Teilen des SGB müssen erfüllt sein) und beide Leistungen müssen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (vgl. beispielhaft: BVerwG 19.10.2011 - 5 C

6/11). Im Einzelfall ist demnach zu prüfen, ob die Leistungsvoraussetzungen des§ 20 SGB VIII und des§ 74 SGB IX als Annex zu anderen Leistungen zur Teilhabe tatsächlich erfüllt sind. Im nächsten Schritt bedarf es eines abstrakten Vergleichs zwischen den konkreten Leistungen (z.B. Betreuung im Haushalt oder Einrichtung). Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach§ 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII das SGB VIII vorrangig vor dem SGB IX.

Wobei es sich auf Grundlage der aufgezeigten Grundsätze nicht um eine Abgrenzungsprob­lematik zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Trägern der öffentlichen Ju­gendhilfe sondern den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (nicht als Rehabilitationsträger) und anderen Rehabilitationsträgern (außer dem Träger der Eingliederungshilfe) handeln dürfte.

Bisher gibt es lediglich für Kinder im SGB Vill die Möglichkeit der Refinanzierung einer Lern­therapie. Wird dies dann ggf. auch für Kinder aus dem Bereich SGB IX möglich sein? Lerntherapie dürfte über den Leistungskatalog der Leistungen zur Teilhabe an Bildung dar­stellbar sein. Für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe über§ 35a Abs. 3 SGB VIII,§ 112 SGB IX. Für die Träger der Eingliederungshilfe über§ 112 SGB IX. Im allgemeinen Leis­tungskatalog des SGB IX über § 75 Abs. 2 SGB IX. Voraussetzung dafür ist stets, dass ein entsprechender, behinderungsbedingter Bedarf festgestellt wird und die jeweiligen Leis­tungsvoraussetzungen erfüllt sind. Durch die bisherigen Regelungsgegenstände des KJSG tritt daran keine Änderung ein. Die tatsächliche Ausgestaltung der inklusiven Lösung bleibt jedoch abzuwarten.

Abgrenzung Assistenzleitungen nach SGB IX und Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII

Eine junge Mutter erhält SGB IX Leistungen in Form von qualifizierter Assistenz- es wird ein Bedarf an Unterstützung an Hilfen zur Erziehung gesehen. Welcher Träger kann/ soll / muss leisten für diesen Bedarf? SGB VIII oder SGB IX?



Antwort:

Abgrenzung der Leistungen nach dem SGB IX von den Leistungen nach dem SGB VIII

Die Beantwortung dieser Frage verlangt eine vertiefte Prüfung im Einzelfall.

Für die Abgrenzung der Leistungen des SGB VIII zu Leistungen anderer Teile des Sozialge­setzbuchs enthält§ 10 SGB VIII die Kollisionsregeln. Zum Eingreifen des§ 10 SGB VIII muss bei beiden infrage stehenden Leistungen ein Leistungsanspruch bestehen (d.h. die Leistungsvoraussetzungen aus unterschiedlichen Teilen des SGB müssen erfüllt sein) und beide Leistungen müssen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (vgl. beispielhaft: BVerwG 19.10.2011 - 5 C

6/11). Im Einzelfall müssen die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zur Erziehung nach§ 27 SGB VIII und des§ 99 SGB IX erfüllt sein. Davon ist nach dem Sachverhalt auszugehen. Insofern bedarf es eines abstrakten Vergleichs der beiden konkreten Leistungen.

Mit der Reformstufe 3 des BTHG wurden Assistenzleistungen erstmals im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe explizit geregelt. Zuvor wurden Assistenzleistungen im Rahmen des offenen Leistungskatalogs nach§ 55 SGB IX a.F. gewährt. Assistenzleistungen umfassen auch Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder(§§ 113 Abs. 3, 78 Abs. 3 SGB IX). Der Gesetzgeber benennt hierbei zwei Kate­gorien: Elternassistenz und begleitete Elternschaft (BT-Drs. 18/9522, 263). Bei der Elternas­sistenz handelt es sich um einfache Assistenzleistungen für Eltern mit körperlichen oder Sin­nesbehinderungen (BT-Drs. 18/9522, 263). Einfache Assistenzleistungen umfassen die voll­ständige oder teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie Beglei­tung der Leistungsberechtigten (§ 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB IX). Begleitete Elternschaft hin­gegen ist ein Fall der qualifizierten Assistenz und umfasst die pädagogische Anleitung, Bera­tung und Begleitung zur Wahrnehmung der Elternrolle (BT-Drs. 18/9522, 263). Insofern sind die Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung um­fasst (§ 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB IX). Die Abgrenzung dazu ist anhand der konkreten Form in der Hilfe zur Erziehung (vgl.§ 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII) vorzunehmen. Zu Abgrenzung zur sozialpädagogischen Familienhilfe vgl. Verlinkung zu Frage M9865 der Schnittstellenon­linediskussion

Die Leistungen nach dem SGB VIII gehen im Grundsatz den Leistungen nach dem SGB IX und XII vor(§ 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII). Abweichend davon gehen Leistungen der Eingliede­rungshilfe (Teil 2 SGB IX) für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach SGB VIII vor(§ 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII). Junge Menschen in diesem Sinne sind Personen die noch nicht 27 Jahre alt sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Sofern die Mutter mehrere Behinderungsarten aufweist und die Hilfebedarfe nicht eindeutig von einander abgrenzbar sind, gilt auch § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII (VGH Bayern 24.02.2014 - 12 ZB 12.715).

Konkret geht es um einen Fall betreffend das „Landhaus am Pfaffenwinkel", einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe für Jugendliche und junge Er­wachsene von sechzehn bis fünfundzwanzig Jahren. Bislang waren bis zur Vollen­dung des 21. Lebensjahres die Jugendämter, ab dem 21. Lebensjahr die überörtlichen Sozialhilfeträger für Kostenübernahmen zuständig. Mit Inkrafttreten des BTHG zum 01.01. 2020 habe der Bezirk Schwaben das „Landhaus am Pfaffenwinkel" zur Jugend­ hilfeeinrichtung erklärt, und somit seien Kostenübernahmen für Patienten ab den 21. Lebensjahr nicht mehr möglich. Gerne möchte ich den entsprechenden Textabschnitt dazu im BTHG nachlesen, und bitte Sie um Hilfestellung bei der Suche danach

Das Vertragsrecht des Teil 2 SGB IX enthält Sonderregelungen für Vereinbarungen zur Leis­tungserbringung an minderjährige Leistungsberechtigte und in Sonderfällen. Diese gelten auch unter den Voraussetzungen des § 134 Abs. 3 SGB IX für Einrichtungen für volljährige Leistungsberechtigte. Möglicherweise wurde im Rahmen von Vertragsverhandlungen die Leistungsvereinbarung und die Konzeption der Einrichtung verändert. Dies lässt sich von hieraus ohne genaue Kenntnis des Sachverhalts nicht beantworten.

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