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BTHG-Kompass 3.6

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Inhaltsverzeichnis

BTHG-Kompass 3.6

Abgrenzung Stellungnahme nach § 35 a Abs. 1a SGB VIII und Gutachten nach § 17 SGB IX

Wenn die Stellungnahme grundsätzlich ausreicht, wann ist dann ein Gutachten im Sinne des SGB IX erforderlich?



Antwort:

Abgrenzung Stellungnahme nach § 35 a Abs. 1a SGB VIII und Gutachten nach § 17 SGB IX

Ein Leistungsanspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII wird dadurch begründet, dass der sog. zweigliedrige Behinderungsbegriff des § 35a Abs. 1 SGB VIII erfüllt ist. Eines dieser Elemente ist nach § 35a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII, dass die seelische Gesundheit eines Kindes oder Jugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht. Dazu hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe von einer Fachperson nach § 35a Abs. 1a S. 1 SGB VIII eine Stellungnahme einzuholen. Nach dem Gesetzeswortlaut hat sich diese Stellungnahme lediglich auf die Frage der Abweichung der seelischen Gesundheit (§ 35a Abs. 1a S. 1 SGB VIII) und zusätzlich auf die Frage, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht (§ 35a Abs. 1a S. 3 SGB VIII), zu beschränken. Ein Gutachten nach § 17 SGB IX hingegen bezieht sich auf den gesamten Rehabilitationsbedarf und bezieht damit auch Teilhabebeeintächtigungen ein (vgl. dazu: Grünenwald/Rössel JAmt 2019, 598, 600). Insofern handelt es sich bei der Stellungnahme nach § 35a SGB VIII nicht um ein Gutachten im Sinne des § 17 SGB IX.

Nach den vorstehenden Ausführungen bleiben für den Bereich der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung nach § 35a SGB VIII zweierlei Möglichkeiten ein Gutachten nach § 17 SGB IX anzufordern. Zum einen kann es naheliegen bei besonders komplexen Bedarfen zusätzlich zur sozialpädagogischen Diagnostik zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten einzuholen. Zum anderen kann es sich anbieten, sofern ausnahmsweise eine Leistungsgewährung nach einem anderen Leistungsgesetz als leistender Rehabilitationsträger erforderlich ist, dass zu diesen Bedarfen ein Gutachten eingeholt wird.

Beitragsfreiheit bei Hilfsmitteln

Wird der Einbau eines Homelifts für ein noch nicht eingeschultes Kind zur Befähigung einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum an das Einkommen der Eltern gekoppelt oder ist die Leistung beitragsfrei? 

Ein zweieinhalbjähriges Kind mit Behinderung (100%) hat eine fortschreitende Muskelerkrankung und kann nicht laufen oder frei stehen und wird eine zunehmende Schwäche in Armen und Beinen entwickeln. Dies kann so weit gehen, dass es womöglich irgendwann Arme und Beine nicht mehr bewegen kann.  Beim Bau eines Einfamilienhauses ist beabsichtigt, zur Überwindung der Barriere vom EG in den 1. Stock und aufgrund der Schwäche in den Gliedmaßen ein Homelift anzuschaffen, der nur mit einmaligem Drücken zu betätigen ist (die meisten Plattformlifte haben eine Totmannsteuerung, die man dauerhaft betätigen muss, damit sich die Plattform bewegt. Dies wäre aufgrund des Alters und der zunehmenden Schwäche in den Händen ungünstig).  Gemäß § 138 Absatz 1 Satz 7 SGB IV heißt es, „Ein Beitrag ist nicht aufzubringen bei Leistungen nach § 113 Absatz 1, die noch nicht eingeschulten leistungsberechtigten Personen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen“. Gemäß § 113 Absatz 1 wiederum gehört hierzu auch, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum zu befähigen. Somit erscheint denkbar, dass aufgrund des Alters Gehalt und Vermögen der Eltern gar nicht zur Förderung des Homelifts herangezogen würde und die Übernahme der Kosten evtl. auch erstattet werden, obwohl ggf. Einkommensgrenzen überschritten werden.



Antwort:

Beitragsfreiheit bei Hilfsmitteln

§ 138 Abs. 1 SGB IX schließt einen Beitrag nur für die dort abschließend aufgezählten Leistungen aus. Der Verweis in § 138 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX auf § 113 Abs. 1 SGB IX ist mit dem Zusatz in § 138 Abs. 1 Ziffer 7 SGB IX versehen, dass die Leistungen der Sozialen Teilhabe den noch nicht eingeschulten leistungsberechtigten Personen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen. Der Schluss, dass dann auch die in § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX aufgeführte Befähigung und Unterstützung Leistungsberechtigter zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum umfasst sein kann, erscheint dem reinen Wortlaut nach nicht fernliegend.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass primär schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die nicht beschult werden können gemeint sind. Der Schwerpunkt der Hilfen muss hierbei bei spezifischen Bildungszielen liegen (BSG 20.9.2012 – B 8 SO 15/11 R, SRa 2013, 131; 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R, BeckRS 2014, 68241 Rn. 21).

Bei dem Einbau eines Personenaufzuges, der einem behinderten, noch nicht beschulten Kind zur Verfügung steht, handelt es sich um eine Hilfe bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen des behinderten Menschen entspricht. Die gewünschte Maßnahme ist somit sach- und nicht personenbezogen und betrifft nicht das Bildungsrecht (ebenso BSG 20.9.2012 – B 8 SO 15/11 R, SRa 2013, 131). (Grube/Wahrendorf/Flint/Giere, 7. Aufl. 2020, SGB IX § 138 Rn. 11)

Zuständiger Eingliederungshilfeträger

Kind lebte in 2015 mit Eltern in Hessen. Aus familiären Gründen erfolgte durch unser Jugendamt eine Unterbringung in einer Erziehungsstelle gem. § 35a SGB VIII. Das Kind hatte u.a. einen festgestellten Autismus sowie einen Förderbedarf Lernen (IQ 73) und eine posttraumatische Entwicklungsstörung.

Gemäß § 86(6) SGB VIII erfolgte ein Zuständigkeitswechsel an das Jugendamt am Ort der Pflegefamilie. Nun wurde letztes Jahr festgestellt, dass der IQ des Kindes nur bei 62 sei. Daher begehrt das bisherige Jugendamt nun die Fallübernahme im Fachdienst Inklusion und Teilhabe (= örtlicher Eingliederungshilfeträger). Fraglich ist, ob in § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mit dem „Zeitpunkt der ersten Antragsstellung“ der Antrag gem. § 35a SGB VIII aus 2015 gemeint sein kann oder nicht eher ein erster Antrag im SGB IX, da der Verweis auf § 108 SGB IX erfolgt. Im § 108 SGB IX wird auf „Leistungen aus diesem Teil“, also ab § 90 SGB IX verwiesen (nicht auf Leistungen generell, z.B. auch aus dem SGB VIII). Also anders gefragt: Kann heute bei einer nun festgestellten Mehrfachbehinderung und einem erstmaligen Bedarf aus dem SGB IX der g.A. von vor 6 Jahren maßgeblich sein oder begründet nicht der gewöhnliche Aufenthalt in der Pflegefamilie von heute für den Leistungsberechtigten die Zuständigkeit des für den jetzigen Wohnort zuständigen örtlichen Eingliederungshilfeträgers?



Antwort:

Zuständiger Eingliederungshilfeträger

Die Beteiligten gehen nach der Sachverhaltsschilderung davon aus, dass seit der IQ-Testung der Vorrang des Teil 2 SGB IX vor dem SGB VIII nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII greift und demnach die vorrangige sachliche Leistungszuständigkeit beim Träger der Eingliederungshilfe liegt. Zunächst ist grundsätzlich zu fragen, ob eine Fallübergabe überhaupt zulässig ist. 

Nach Auffassung des BSG (01.03.2018 - B 8 SO 22/16 R) ist eine Fallübergabe im Anwendungsbereich des § 14 SGB IX ausgeschlossen. Der VGH München hat in einer früheren Entscheidung (07.10.2013 - 12 B 11.1886) einen Anspruch auf Fallübernahme im Zusammenhang mit einem bestehenden Kostenerstattungsanspruch bejaht. Das BVerwG (22.06.2017 - 5 C 3.16) hält Fallübergaben bei Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zwischen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe für zulässig. In der Praxis sind Fallübergaben bei Wechsel der Zuständigkeit üblich.

Soweit man der Auffassung ist, dass eine Fallübergabe bei vorliegendem Sachverhalt zulässig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe nach § 98 SGB IX.

 § 98 Abs. 4 SGB IX enthält eine Sonderregel für stationäre Aufenthalte. Für die Definition des stationären Aufenthalts ist auf die Definition der stationären Einrichtung nach § 13 SGB XII zurückzugreifen (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB IX, § 98 Rn. 11). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie stellt danach keine stationäre Einrichtung dar (BSG 26.10.2017 - B 8 SO 12/16 R) und die Sonderregel greift nicht ein, da nicht von einem stationären Aufenthalt auszugehen ist. Die Übergangsregelungen nach § 98 Abs. 5 SGB IX bleiben auch außer Betracht, da keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII am 31.12.2019 gewährt wurden. Deshalb richtet sich die örtliche Zuständigkeit vorliegend nach § 98 Abs. 1 SGB IX. Danach ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Abs. 1 SGB IX hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie dürfte nach allgemeinem Verständnis eine Betreuung über Tag und Nacht darstellen und insoweit als vorrangige Alternative maßgebend sein. D.h. die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe liegt dort, wo die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt hatte.

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