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Fachbeitrag von Dr. Harry Fuchs im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht: Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs - Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (November 2017)

Fachbeitrag von Dr. Harry Fuchs im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht: Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs - Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (November 2017)

4.4.2 Welche Auswirkungen hat die Behinderung auf die Teilhabe? (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX)

Die Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs hat – unabhängig von der Zuständigkeit oder Leistungsverpflichtung oder einer beantragten Leistungsform – umfassend (§ 19 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) festzustellen, welche Auswirkungen die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat.

Die Funktionsfähigkeit der in Kapitel 4 des Teils 1 des SGB IX geregelten Koordinierung der Leistungen, insbesondere die Leistungsverantwortung bei Mehrheit von Leistungen (§ 15 SGB IX) hängt von der über die Leistungsverpflichtung des jeweiligen Trägers hinausgehenden umfassenden Ermittlung des Leistungsbedarfs ab.

Die Auswirkungen auf die Teilhabe definieren sich über die Beeinträchtigung der Teilhabe und hier insbesondere über die Beeinträchtigung der Aktivitäten, die ein behinderter Mensch haben kann und wahrnehmen will. § 118 Abs. 1 Satz 3 SGB IX fordert deshalb für die Eingliederungshilfe ausdrücklich die vollständige Beschreibung der nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe in den dort genannten Lebensbereichen, die den Domänen der ICF entsprechen.

Die analysierten Hilfeplanverfahren fokussieren entweder auf den Bedarf für eine bestimmte Leistungsform (Wohn- oder Lebensform) oder beschränken sich auf bestimmte Aktivitäten. Sie entsprechen nur in Teilen, dazu noch unterschiedlich den Anforderungen des § 13 Abs. 2 SGB IX und der ICF. Bei einem Instrument stimmen die Inhalte der Lebensgestaltung nicht mit den Lebensbereichen/Domänen nach § 118 SGB IX überein. In einem anderen werden die tatsächlichen Beeinträchtigungen der Aktivitäten nicht konkretisiert. In einem Dritten sind als Beschreibung der derzeitigen Lebenssituation, Problemlagen, Fähigkeiten und Ressourcen Ansätze im Sinne der gesetzlichen Anforderungen enthalten, jedoch nicht systematisch und vollständig. Letztlich ist bei einem Instrument eine leistungsbezogene freie Beschreibung möglich.

Demgegenüber enthält die ICF-Checkliste im Teil 2 eine Liste der Beeinträchtigungen in der Aktivität oder der Teilhabe sowie Beurteilungsmerkmale für das Ausmaß der Beeinträchtigungen, die mit den in § 118 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 9 SGB IX genannten Lebensbereichen übereinstimmen:

Beeinträchtigung (u. a.) von

  • Lernen und Wissensanwendung (6 Items)
  • allgemeine Aufgaben und Anforderungen (2 Items)
  • Kommunikation (5 Items)
  • Mobilität (6 Items)
  • Selbstversorgung (7 Items)
  • Haushalt (4 Items)
  • interpersonelle Interaktionen und Beziehungen (7 Items)
  • bedeutende Lebensbereiche (6 Items)
  • Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben (5 Items).

Die Beurteilungsmerkmale für das Ausmaß der Beeinträchtigungen gewichten nach

  • keine Beeinträchtigung
  • leichte Beeinträchtigung
  • mäßige Beeinträchtigung
  • erhebliche Beeinträchtigung
  • vollständige Beeinträchtigung.

Die Parallele zur Schweregradbestimmung der Pflegebedürftigkeit in § 15 SGB XI, die erkennbar auch aus der ICF abgeleitet ist, wird deutlich.

Nach § 121 Abs. 4 Nr. 3 SGB IX muss der Gesamtplan der Eingliederungshilfe u. a. Feststellungen über die verfügbaren und aktivierbaren Selbsthilferessourcen des Leistungsberechtigten enthalten. § 19 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX bezieht sich für den Teilhabeplan auf § 13 SGB IX, wobei bei ICF-orientierter Anwendung des Absatz 2 Nr. 2 SGB IX hinsichtlich der Auswirkungen auf die Aktivitäten und Teilhabe die verfügbaren und aktivierbaren Selbsthilferessourcen ebenso sichtbar und dokumentiert werden.

4.4.3 Welche Ziele sollen mit den Leistungen erreicht werden? (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX)

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB IX werden bereits seit Inkrafttreten des SGB IX am 01.07.2001 Leistungen zur Teilhabe zur Erreichung von Teilhabezielen erbracht. Der Gesetzgeber hat im SGB IX gesetzliche Teilhabeziele vorgegeben (§ 1, § 4 Abs. 1 sowie vor jeder Leistungsform in §§ 42, 49, 75, 76 jeweils Abs. 1 SGB IX), auf deren Basis die Rehabilitationsträger im Verfahren zur Ermittlung des Leistungsbedarfs die individuellen Teilhabeziele für den jeweiligen behinderten Menschen zu konkretisieren haben.

Die Definition von Teilhabezielen bildet die Grundlage sowohl für die Entscheidung über Gegenstand, Umfang, Ausführung und Qualität der bedarfsgerechten Leistung (§§ 25 Abs. 1 Nr. 1, 37 SGB IX) wie auch der Ausübung des Auswahlermessens der Träger bei der Auswahl des zur Erreichung der Teilhabeziele am besten geeigneten Leistungsanbieters (§ 36 Abs. 2 SGB IX).

Die Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung in der Eingliederungshilfe schließt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausdrücklich die Prüfung der Wirksamkeit der Leistungen ein (entsprechend § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Die Wirksamkeitsprüfung knüpft an die Erreichung der individuellen Teilhabeziele nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX und die dazu bei der Bedarfsermittlung nach § 13 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX zur vorgesehenen Leistung abgegebene Erfolgs- bzw. Wirksamkeitsprognose an, da nur solche Leistungen als wirksam angesehen werden können, die mit ihrer Struktur- und Prozessqualität die Beeinträchtigung der Teilhabe im Sinne der angestrebten Teilhabeziele erhalten oder verbessert haben.

Die analysierten Hilfeplanverfahren enthalten mit einer Ausnahme alle z. T. sehr differenzierte Zielbeschreibungen, die allerdings auf die jeweils zu entscheidende Leistungsform fokussieren und nicht den gesamten Teilhabebedarf und auch nicht die Teilhabeziele von Teilhabeleistungen erfassen, die ggf. von anderen Rehabilitationsträgern zu erbringen sind.

Die Teilhabeziele sollten künftig in Entsprechung zu den Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe definiert werden, die durch die beabsichtigte Leistung und deren Struktur- und Prozessqualität wirksam beeinflusst werden sollen.

4.4.4 Kontextfaktoren

Sowohl bei der Beurteilung der Auswirkungen der Behinderung auf die Aktivitäten und Teilhabe wie auch bei der Definition der Teilhabeziele und der auf deren Erreichbarkeit abzielenden Erfolgsprognose zu der vorgesehenen Leistung sind die Kontextfaktoren der ICF in die Beurteilung einzubeziehen. Für die Dokumentation der Umweltfaktoren kann die Kurzliste im Teil der ICF-Checkliste herangezogen werden. Für die personbezogenen Faktoren enthält die ICF – und dementsprechend auch die ICF-Checkliste – keine Beschreibung. Für den deutschsprachigen Raum hat die Arbeitsgruppe ICF des Fachbereichs „Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation“ der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) 2010 einen Entwurf für eine Klassifizierung personbezogener Faktoren vorgelegt,19 der jedoch von den Akteuren des deutschen Sozialrechts noch nicht konsentiert und eingeführt ist.

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